Kapitel 28 - Eine Bestattung

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Er ging zur Bestattung. Jaz hatte ihm beschrieben, wie er zu den Aufbahrungshallen im Quartier über der Schlucht fand, dort fragte er sich durch, bis er vor dem Haus mit der richtigen Nummer stand, trotzdem war er zu früh. Er stellte sich etwas abseits des Einganges, um zu warten, beobachtete die Gruppen von Leuten, die sich vor den Gebäuden sammelten, warteten, bis eine Bahre mit dem von mehreren Stoffbahnen bedeckten Toten aus dem Haus getragen wurden, sich darum formierten und ihr zu den Treppen und den abschüssigen Pfaden folgten, die hinunter zu den Verbrennungsstätten über dem schäumenden Wasser führten.

Manche der Trauerzüge wurden von jemandem begleitet, der klagend sang oder eine Trommel schlug, andere gingen völlig still, an den Bahren hingen kleine Glöckchen, deren feines Bimmeln die schwüle Abendluft erfüllte. Die Leute waren gut gekleidet, die Männer trugen Hemden oder Tuniken, deren Farben noch unverblichen waren, viele der Frauen hatten sich rote oder gelbe Schleiertücher über ihren Haaren festgesteckt, die ihnen bis auf den Rücken fielen, unbestickter, leichter Stoff. Falrey hatte ähnliche Kopfbedeckungen bei Pilgerinnen bei den Tempeln von Jolti gesehen, hier in Niramun jedoch bisher nicht. Er fragte sich, ob das etwas Religiöses war und im selben Gedankenzug wurde ihm klar, dass er keine Ahnung hatte, woran die Leute Niramuns glaubten. Ob sie überhaupt an etwas glaubten, oder ob ihr Götterhimmel so leer war wie ihr Herrscherthron.

So oder so war er froh darüber, die neuere Tunika angezogen zu haben, die noch nicht an allen Enden geflickt war. Mit der fleckigen Lederweste würde er vermutlich auch so noch genug auffallen.

Die letzten Streifen Licht verschwanden am östlichen Kraterrand, als die Sonne oben auf der Ebene unterging, die Dämmerung über der Stadt vertiefte sich, jemand verteilte Fackeln an den Hauseingängen und entlang des Weges zur Schlucht und zündete sie an. Falrey musterte die Leute, die sich in der Nähe des Gebäudes aufhielten, suchte ihre Züge halbbewusst nach Ähnlichkeit zu Djora ab, weil er keine Ahnung hatte, woran er sonst den Trauerzug erkennen sollte, aber es gab zu viele Menschen mit dunklen Haaren und Falreys Erinnerung an Djoras Gesicht war zu unscharf, als dass er sich hätte festlegen können. Das Bild, das ihm geblieben war, war viel stärker geprägt von Djoras Mimik als von Formen und Linien, von der Bewegung seiner Lippen mit dem Schilf dazwischen geklemmt, seinem flackernden Blick, dem Schatten, den seine Haare warfen.

Deshalb wartete er still, als Schatten an der Hauswand, bis er schliesslich Jelerik die Gasse hochkommen sah, in Begleitung eines Mannes und einer Frau. Sie unterhielten sich, bis sie zu einr der bereits wartenden Gruppen auf dem staubigen Vorplatz stiessen, gedämpfte Begrüssungen austauschten.

Es waren vielleicht anderthalb Dutzend Leute, die Hälfte davon in Jeleriks Alter oder darüber, zwei drei jüngere Erwachsene, einige Kinder. Sie verhielten sich ruhig, der ernsten Atmosphäre des Ortes angemessen, aber niemand sah aus, als hätte er geweint, oder wäre kurz davor. Falrey war klar, dass das nichts heissen musste, dass niemand pausenlos weinte und gerade an einer Beerdigung versuchte jeder gefasst zu sein, trotzdem breitete sich ein schlechtes Gefühl in seinem Magen aus und er wäre am liebsten unsichtbar geblieben, aber schliesslich stiess er sich doch von der Mauer ab. Wenn er gekommen war, um zu zeigen, dass Djoras Tod jemandem nicht am Arsch vorbeiging, dann musste er auch dafür sorgen, dass er gesehen wurde.

Jelerik bemerkte ihn, als er auf die Gruppe zutrat und am Rand stehen blieb, mit einem Schritt Entfernung, aber nahe genug, dass es kein Zufall sein konnte. Er nickte ihm nur wortlos zu, aber die Geste reichte, um die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes um die zwanzig auf sich zu lenken, der neben ihm stand und Falrey nun eingehend musterte. Der Blick gefiel Falrey überhaupt nicht, aber er zwang sich stehen zu bleiben, versuchte weder auffällig zurückzustarren noch dem Blick auszuweichen.

Schliesslich trat der Mann auf ihn zu. „Guten Abend. Wer bist du?", fragte er, wobei sein Tonfall klarstellte, dass die eigentliche Frage lautete: Was hast du hier verloren?

Niramun III - Mit Faust und KlingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt