Sie gingen nach Süden, in Richtung des Pfeilers, bogen am Inneren Ring ab, weiter nach Südwesten, hinein in das Arbeiterviertel. Die Quartiere, die sie durchschritten, waren weit entfernt von den meisten Hochöfen und grossen Werken und zwischen die hohen Backsteingebäude quetschten sich immer wieder breitere, vermutlich ältere Gebäude aus dem hellen Stein des Nordviertels, mit bröckelndem Verputz und rostigen Fenstergittern. Die Gassen waren auch hier schmal, aber die Gebäude schienen etwas niedriger zu werden, während der Boden begann anzusteigen, dann erklommen sie eine Treppe auf ein Dach im ersten Stock und plötzlich wichen die Wände zurück.
Man konnte nicht wirklich als Platz bezeichnen, was im Schein verstreuter Fackeln vor ihnen lag, es war mehr ein Geflecht breiter Gassen und Treppen zwischen niedrigen Gebäuden und verwaisten Marktständen, das sich auf einer breite von mehreren Dutzend Schritt in Stufen den Hang hinunterzog, sodass man über die tiefer gelegenen Dächer hinwegsah – oder war es eher ein einzelnes, riesiges Dach, mit Aufbauten? Immerhin waren sie eben auf ein Gebäude gestiegen. Allerdings konnte Falrey nirgends Zwischengassen ausmachen.
Jaz nahm eine der Treppen, die sie ein halbes Dach hinunterführte, dann eine weitere, die auf einen bogenförmigen, halb im Boden versenkten Durchgang in eine der flachen Aufbauten zuging. Davor lungerten einige Leute herum, redeten miteinander, rauchten, tranken Bier, Fackelschein flackerte von drinnen heraus. Hinter dem Bogen lag ein etwa zwei Schritt breiter Korridor, ein geschlossenes Ladenfenster auf der einen Seite, auf der anderen hinter einer Reihe von Säulen eine Theke an der weitere Männer mit Krügen lehnte.
Der Korridor war nicht lang und mündete in einer Treppe, die weiter hinabstieg. Jaz folgte ihr und nach einer Biegung landeten sie auf einer Art Hof, nur dass sich ein säulengestütztes Dach darüber spannte. Fackeln erhellten den Raum, die Decke darüber schwarz von Russ. Auch hier waren geschlossene Läden, aber ein Schuhmacher auf der anderen Seite hatte noch offen, nähte in seinem kaum zwei auf einen Schritt grossen Laden voller Lederreste und Werkzeug an einer Sohle, während er immer wieder aufblickte, mit wachem Blick die Umgebung im Auge behielt. Von irgendwoher brach sich Stimmengewirr und Gelächter an den Wänden, Leute kamen ihnen entgegen, während sie den Platz überquerten, Männer, zwei Prostituierte, eine stämmige Frau mit einem zugedeckten Korb unter dem Arm.
Jaz nahm einen Korridor auf der linken Seite, dann eine weitere Halbtreppe, weiter hinunter in die Tiefen des Gebäudes, das nicht an der Erdoberfläche aufzuhören schien. Je weiter sie kamen, desto mehr Läden waren noch geöffnet, desto mehr Menschen bewegten sich durch die Gänge, betrunkene wie nüchtern. Sie kamen vorüber an Imbissbuden, Korbflechtern, Händlern, durchquerten überdachte Marktplätze und Innenhöfe voller Gebrauchtkleiderstapel, kaum mehr als Lichtschächte, durch die irgendwo weit oben der Sternenhimmel funkelte – Falrey fragte sich, wo sie endeten, denn von oben her waren sie ihm nicht aufgefallen – und passierten einige zum Gang hin offene Schenken, bevor Jaz in einem nur wenig breiteren Hof eine Treppe hinunterstieg und durch einen weiteren Torbogen eine grosse Trinkhalle betrat.
Der Raum schien wie der ganze Gebäudekomplex auf mehreren Stufen angeordnet, unterteilt von Säulenreihen und Geländern, voller Arbeiter und anderen Leuten, die miteinander redeten und tranken, irgendwo grölte jemand Sauflieder, der Geruch von Rauch und billigem Bier füllte die Luft. Jaz schlug den Weg zur Theke ein und wie üblich machten ihm die Leute von sich aus Platz, er ergatterte zwei Krüge und drückte einen davon Falrey in die Hand.
Falrey hatte bis jetzt geschwiegen, nur staunend die Umgebung in sich aufgesogen. Niramun brachte es fertig, ihm jedes Mal, wenn er glaubte die Stadt jetzt zu kennen, eine neue Seite von sich zu zeigen, von der er überhaupt nichts geahnt hatte. Er fragte sich, wie vieles sich hier in diesem Krater noch verbarg, von dem er keine Ahnung hatte.
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Niramun III - Mit Faust und Klinge
FantasyEmila wird bald zu Bodir ziehen. Jaz sucht nach Umairat, obwohl ihm jeder mit Verstand davon abrät. Seniah träumt von einem besseren Leben. Falrey versucht irgendwo zwischen Hochöfen, Lilith's und Puppenspielern er selbst zu bleiben. Aber was bedeut...