Kapitel 5 - Ein Himmel ohne Sterne

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Perplex stand Falrey einen Moment ratlos da und wurde im nächsten unsanft an die Wand gedrängt, als ein Mann von weiter hinten an ihm vorbei zum Ausgang wollte. Falrey starrte ihm nach, halb bereit, ihn wütend anzufahren, dass man auch etwas sagen könne, aber zu verunsichert von der ganzen Situation, um es zu tun. „Jaz?", fragte er leise, aber er erhielt keine Antwort.

Vorsichtig warf er einen Blick durch die nächste Tür. Der Raum dahinter war kaum mehr als ein Schritt breit und schien bis zur Rückwand des Hauses zu gehen, denn Falrey konnte knapp unter der Decke einen verschlossenen Fensterladen ausmachen. Direkt hinter der Tür stand ein Schemel und mehrere Haken waren an der Wand befestigt, dahinter war der Boden mit einer Schilfmatte bedeckt, gefolgt von einem halb in den Boden eingelassenen, steinernen Becken, in dem etwa knietief Wasser stand, daneben eine Ablage mit einer Öllampe, der Docht so weit heruntergedreht, dass er gerade noch knapp brannte.

Falrey dämmerte, wie das hier funktionierte: es gab nicht einen grossen Saal, in dem alle badeten, sondern jeder hatte sein eigenes kleines Räumchen mit einem eigenen Zuber. Das erklärte zumindest den Preis.

Verstohlen sah er sich um und als ihn niemand daran hinderte – schon allein weil niemand zugegen war – trat er in den Baderaum und schloss die Tür hinter sich. Er schob den innen angebrachten Riegel vor und nun war es so dunkel, dass er kaum etwas erkennen konnte. Anstatt die Lampe hochzudrehen, legte er vorsichtig das Bündel seiner neugekauften Kleider auf dem Schemel ab und schlüpfte aus den Stiefeln, bevor er sich am Badebecken vorbeizwängte und den Fensterladen öffnete. Viel Licht fiel nicht ein, aber es machte den Raum allemal heller als es die Lampe vermocht hätte. Prüfend hielt Falrey eine Hand ins Badewasser. Es war bestenfalls lauwarm, dafür fielen ihm die beiden zugedeckten Eimer auf, die an der Wand am Boden standen und leicht vor sich hin dampften.

Er kehrte zurück zum Eingang und zog sich aus. Das Fenster liess er offen. Es war zu weit oben, als dass man einfach so hereingesehen hätte, und wenn jemand sich die Mühe machte, dort hoch zu klettern, um ihm beim Baden zuzusehen – sollte er doch. Das, was die Vorstellung so schlimm machte, man könnte plötzlich nackt in der Öffentlichkeit stehen, war schliesslich nicht, dass danach jemand wissen könnte, wie man unter den Kleidern aussah, sondern die Tatsache, dass es als extrem verwerflich galt, sich nackt anderen Leuten zu zeigen, so sehr, dass dieser Vorwurf sogar in Situationen überwog, in denen man vielleicht gar nichts dafür konnte. Wie zum Beispiel, als ihm die Hose zerrissen war beim Training. Dort hatte man nicht einmal etwas gesehen ausser einem Stück seines Oberschenkel, trotzdem war es ihm peinlich gewesen. Hier hingegen war es ihm völlig egal. Wenn ihn hier irgendjemand nackt sah, dann war es definitiv nicht seine Schuld.

Er verstaute das Stiefelmesser im Schaft und ihm dämmerte, warum Jaz sich ausgerechnet dieses Badehaus ausgesucht hatte. Nicht nur wegen der Narben, die in einem Gemeinschaftsbad jeder gesehen hätte – wobei Falrey sich nicht sicher war, wie auffällig sie wirklich gewesen wären, wenn er erst einmal im Wasser war, er konnte sich Jaz nicht einmal nackt oder in Badekleidern vorstellen – sondern schon allein, weil er seine Kleider schlecht in einer öffentlichen Umkleide liegen lassen konnte, bei allem, was er bei sich trug.

Falrey richtete sich auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht, dann tapste er hinüber zum Bad, prüfte noch einmal die Wassertemperatur, bevor er einen der Eimer hob und komplett hineinschüttete. Danach war das Wasser wirklich warm, nicht heiss, aber angenehm. Er kletterte über den Rand und liess sich hineinsinken. Für eine Weile liess er sich einfach treiben, die Augen geschlossen, die Knie angezogen um gerade so ins Becken zu passen.

Der Stein fühlte sich erstaunlich warm an, vermutlich weil den ganzen Tag über immer wieder heisses Badewasser nachgeschüttet wurde. Unwillkürlich fragte Falrey sich, wie man es eigentlich wieder aus der Vertiefung herausbekam. Musste alles von Hand zusammengekratzt und herausgeschöpft werden? Oder gab es irgendwo einen Abfluss? Er erwog, nachzusehen, fühlte sich aber gerade zu behaglich, um sich umzudrehen und den Boden abzutasten.

Niramun III - Mit Faust und KlingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt