Der Morgen danach

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Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Jeremy langsam wach wurde.
Er blinzelte gegen das einfallende Sonnenlicht und spürte zeitgleich den reißenden Schmerz in seinem Kopf.
Er stöhnte leise und drehte sich auf die Seite. Langsam kamen die Erinnerungen von der letzten Nacht bei ihm durch. Die Gala, der Scotch.... Jill.
Jeremy schloss die Augen.
War das wirklich passiert? Hatte er sich von dieser Frau wirklich hinreißen und verführen lassen?
Aber warum?
Wieso war er schwach geworden und hatte dabei auch noch Poldi betrogen.
Poldi.
Er schluckte leicht und setzte sich auf. Erst jetzt merkte er, dass er in seinem Anzug geschlafen hatte. Anscheinend war er direkt ins Bett gefallen, als er hier ankam.
Er konnte sich nur noch schemenhaft an alles erinnern.
Nachdem er durch Mark erwischt worden war, hatte er sich mit Paul gestritten und anschließend auch noch mit Robert einen Streit begonnen.

Dann war er aus der Halle gelaufen und war lange durch die Straßen von San Franzisco gelaufen, um seinen Kopf irgendwie frei zu bekommen. Er hatte die Frau die er mehr liebte, als sein eigenes Leben betrogen. Betrogen mit einem Mädchen, die seine Tochter hätte sein können. Das schlimmste daran war allerdings, dass er selber nicht wußte, wieso er plötzlich so auf diese Frau reagiert hatte. Sie war in seinen Augen nicht einmal etwas Besonderes gewesen. Sie war nicht einmal sein Typ. Er konnte es einfach nicht erklären und schon wie in der Nacht suchte er noch immer nach dem Warum.
Jeremy konnte sich daran erinnern, dass er auf einer Brücke lange ins Wasser gestarrt hatte. Sein Spiegelbild war verzerrt gewesen und doch hatte er die Tränen gespürt, die über seine Wangen liefen. Auch jetzt noch brannten seine Augen.
Was nur hatte er getan...
Er griff unwillkürlich nach seinem Handy und sah sofort, das Poldi ihm geschrieben hatte.
Er öffnete mit schweren Herzen die Nachricht und las sie.
*Guten Morgen, Sweetheart. Ich hoffe du hattest noch einen schönen Abend. Ich bin leder direkt nach meiner Nachricht eingeschlafen. Tut mir leid. Bald bis du wieder hier und wir können die zwei Tage nachholen. ... ich vermisse dich schrecklich. Hab eine gute und sichere Heimfahrt. Ich liebe dich.*
Jeremy verzog sein Gesicht und wieder füllten sich seine Augen mit Tränen.
Sie war so ahnungslos und er das größte Arschloch, dass es wohl gab. Ob er ihr später noch in die Augen sehen konnte? Oder sollte er doch ehrlich sein und ihr sagen, was er getan hatte? Doch dann würde er sie verlieren! Und nicht nur sie, sondern auch Benjamin.
„Was hab ich nur getan..." wisperte er leise und starrte auf sein Handy.
*Ich liebe dich auch... mehr als alles andere auf der Welt... bitte vergiss das niemals... egal was auch passiert....* schrieb er zurück und stützte sein Gesicht dann in seine Hände. Wahrscheinlich würde Poldi jetzt eine solche Nachricht gar nicht verstehen, oder sie mit einem Lächeln annehmen.
Langsam stand er auf und zog den durchgeschwitzten Anzug aus. Dann stellte er sich unter die Dusche. Lange ließ er das Wasser einfach nur über seinen Körper laufen ohne sich zu bewegen. So, als würde er hoffen, dass das Wasser die Erinnerungen und die Taten der letzten Nacht wegwaschen würde. Doch das schlechte Gewissen blieb.
Wie nur sollte er Poldi die Wahrheit sagen. Oder sollte er doch schweigen? Aber war eine solche Lüge eine gute Basis für eine Ehe? Dazu hatte Paul gedroht, Poldi alles zu erzählen, wenn er es nicht tat.
Jeremy befand sich in einer Sackgasse, aus der es kein Zurück gab.

Nach der Dusche zog er sich schweigend an und packte seine Sachen zusammen.
Sein nächster Weg würde ihn zu Paul führen. Er musste mit seinem besten Freund noch mal reden. Paul hatte ihm immer geholfen. Gestern war er nur wütend gewesen, aber jetzt, eine Nacht später, würde er vielleicht anders denken und ihm vielleicht auch einen Tipp geben, wie er seine Ehe retten konnte.
Jeremy nahm seinen Koffer und verließ sein Zimmer. Dann ging er einige Türen weiter bis zu dem Zimmer, wo Paul und Julie wohnten. Er atmete tief durch und klopfte laut gegen die Tür.
Dann wartete er, doch nichts passierte.

Wieder klopfte er laut an.
Dieses Mal wurde die Tür geöffnet. Allerdings weder von Paul oder Julie sondern von einer der Reinigungsfrauen.
„Ähm... ich suche die Gäste aus diesem Raum?!" sagte Jeremy etwas verwirrt.
„Da kommen sie zu spät. Die haben bereits vor 2 Stunden ausgecheckt!" antwortete die Frau.
„Vor zwei Stunden?" fragte Jeremy überrascht. „Und die Gäste aus dem Nebenzimmer?"
„Auch... vor zwei Stunden....!"
„Okay....danke...!"
„Gerne...!" Die Frau verschwand wieder in dem Zimmer und ließ einen völlig geschockten Jeremy zurück.
Hatten Paul und Mark das wirklich getan? Hatten sie ihn hier zurück gelassen?
Mit schnellen Schritten eilte Jeremy zu den Fahrstühlen und fuhr runter in die Lobby und dann zur Rezeption.
„Guten Morgen, Mr. Renner. ... Möchten sie auschecken?" fragte der Mann an der Rezeption höflich und Jeremy nickte.
„Ja... ja... bitte..!" sagte dieser und legte seinen Zimmerschlüssel auf den Tresen.

„Ich hoffe, alles war zu ihrer Zufriedenheit?" fragte der Mann und tippte etwas in seinem PC.

Jeremy nickte erneut. „Ja danke...!" Er zog seine Kreditkarte aus der Tasche um das Zimmer zu bezahlen. „Können Sie mir sagen, ob Paul Rudd und Mark Ruffalo schon ausgecheckt haben?"
Der Mann sah ihn an und nickte dann. „Ja, vor zwei Stunden haben sie sich mit ihren Frauen auf den Weg nach LA gemacht."
„Und... Robert Downey jr.?"
„Vor gut einer Stunde."
Jeremy schaute auf seine Uhr. Es war 12 Uhr durch und er seufzte.
„Danke!" sagte Jeremy und nahm seine Kreditkarte wieder zurück. „Wo... wäre denn hier die nächste Mietwagenstation?" fragte er dann.
„Zwei Häuser weiter. Soll ich Sie anmelden?"
„Nein... das finde ich schon, danke...!"
Jeremy bedankte sich erneut für die Gastfreundschaft, griff nach seinem Koffer und verließ das Hotel.
Dann zog er sein Handy aus der Tasche und wählte Pauls Nummer. Es dauerte etwas, doch dann wurde er weggedrückt.
„Das ist jetzt nicht dein ernst...." Nuschelte Jeremy und wählte erneut Pauls Nummer, doch wieder wurde er weggedrückt.
Jeremy schaute durch seine Kontakte und rief dann bei Mark an. Anders als Paul ging dieser dran.
„Ja?" fragte Mark tonlos.
„Jeremy hier... wo seit ihr...?!"
„Auf dem Weg nach LA..." sagte Mark knapp.
„Und wieso sagt ihr mir nicht Bescheid? Ich steh hier und weiß von nichts."
„Überleg einfach was du gestern getan hast!"
„Ich hab mich auf euch verlassen... Kann ich Paul bitte sprechen!"
„Wir uns auf dich auch, Jeremy... und nein Paul will nicht mit dir sprechen!"
„Gib ihn mir bitte, Mark!"
Doch Mark antwortete nicht und legte wieder auf.
Fassungslos starrte Jeremy auf das Handy in seiner Hand. Wohl oder übel musste er sich jetzt wohl tatsächlich ein Auto mieten und selber nach LA zurück fahren.
Er wollte gerade losgehen, als jemand nach ihm rief.
Verwundert drehte er sich um und sah, wie Kiwi auf ihn zukam. Das verwunderte ihn nun wirklich, denn laut Rezeption, war Robert seit einer Stunde weg.
„Was machst du denn noch hier?" fragte Jeremy verwundert.
„Wie kommst du jetzt nach Hause? Paul ist doch schon weg." Fragte Kiwi ohne auf Jeremy Frage zu Antworten.
„Da man mich ja einfach zurück gelassen hat, werde ich mir ein Mietwagen nehmen."
Kiwi betrachtete ihn.
„Kannst du mich mitnehmen?" fragte sie dann.
Sie verachtete Jeremy dafür was er getan hatte, aber sie hatte es nicht in Roberts Nähe ausgehalten und so war Jeremy jetzt das kleinere Übel. Und irgendwie musste sie ja nach Hause kommen.
Jeremy sah sie an.
Er erinnerte sich an das, was gestern noch passiert war und er ahnte, dass Robert Kiwi die Wahrheit gesagt hatte. Also nickte er.
„Klar... kein Problem...."
„Danke....!"
Jeremy setzte seinen Weg fort und ging zu der Mietautozentrale. Schnell hatte er alle Formalitäten ausgefüllt und auch dafür gesorgt, dass das Auto bei ihm in LA am Folgetag abgeholt werden würde. Das hatte er schon oft gemacht und war das einfachste für ihn. Er zahlte direkt mit Kreditkarte, nahm den Schlüssel entgegen und ging mit Kiwi zum angrenzenden Parkhaus. Der Wagen, ein weißer SUV von BMW war schnell gefunden. Er packte seinen Koffer und den von Kiwi in den Kofferraum und stieg dann auf den Fahrersitz, während Kiwi sich auf den Beifahrersitz setzte. Jeremy stellte schnell alles ein, startete dann den Wagen und fuhr los.
Da er schon oft in San Franzisco war, kannte er den Weg und schon bald fuhr er auf den Highway, der ihn und Kiwi zurück nach LA bringen würde.
Kiwi schaute schweigend aus dem Fenster. Insgeheim war sie froh, dass sie auf Jeremy getroffen war und er sie jetzt mitnahm. Sonst hätte sie wohlmöglich einen Bus oder den Zug nehmen müssen und da sie sich überhaupt nicht auskannte, hätte sie wahrscheinlich eine halbe Ewigkeit bis nach Hause gebraucht. Trotzdem verspürte sie für Jeremy pure Verachtung, denn er hatte Poldi eiskalt betrogen. Genauso wie Robert sie betrogen hatte. Männer waren am Ende alle gleich und deswegen schweig sie. Sie wollte mit Jeremy nicht sprechen. Sie konnte einfach nicht.
Aber auch Jeremy schwieg. Seine Gedanken kreisten um den letzten Abend, um Jill und vor allem um Poldi. Ihm war klar, wie sie reagieren würde und er hatte Angst davor, ihr die Wahrheit zu sagen. Aber er musste und das noch bevor es Paul tat. Innerlich hoffte und betete er, dass sie ihm auch wirklich zuhören würde und ihm verzeihen würde. Aber würde sie das wirklich tun? Würde sie ihm diesen Ausrutscher verzeihen?
Jeremy dachte darüber nach, wie er reagieren würde, wenn sie ihn betrügen würde.
Für ihn würde das wahrscheinlich genauso schwer sein und ob er ihr verzeihen würde, war fraglich.
Aber er liebte sie so sehr und sie liebte ihn.
Sie mussten einfach eine Lösung finden.
Aber er hatte keine Ahnung wie diese Lösung aussehen würde.

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