Was machst du hier?

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Eigentlich wäre es ein schöner Tag gewesen.
Die Sonne schien, es war warm und die Vögel zwitscherten. Im Garten hörte man die Kinder beim Spielen lachen und im Hintergrund lief leise Musik.
Doch Poldi fühlte sich nicht glücklich. Sie war hier nur ein Gast auf Zeit und konnte die Fürsorge und Hilfsbereitschaft ihrer Freunde so gut wie gar nicht genießen. Wie sollte sie auch. Sie war hier nicht zu Hause und auch wenn alle lieb zu ihr waren, fühlte sie sich hier nicht wohl.
Seit 3 Tagen war sie nun hier im Haus der Rudds und kam innerlich überhaupt nicht zur Ruhe. Selbst die Arbeit lenkte sie nicht ab. Natürlich hatte sie jeder auf das Interview angesprochen und jeder wollte wissen, wieso sie und Jeremy plötzlich getrennt waren, doch sie hatte niemanden darauf antworten wollen. Sie konnte einfach nicht, da sie es selber noch immer nicht verstand. Selbst mit Kevin Feige, der sichtlich überrascht auf diese Neuigkeit reagiert hatte, konnte sie nicht sprechen. Doch sie war dankbar, dass es anscheinend jeder akzeptierte und die Frage nach Jeremy oder der Trennung kaum mehr auftauchte.
Dennoch waren ihre Gedanken immer wieder bei ihm. Schon allein wenn sie Benjamin ins Gesicht schaute, sah sie Jeremy. Der Junge kam so sehr nach seinem Vater, dass er es nie verleugnen könnte. Dazu schrieb Jeremy ihr täglich mehrere Nachrichten, doch sie hatte nicht eine gelesen. Sie hatte ihn auf stumm geschaltet und bekam teilweise nicht mit, dass er sie angeschrieben hatte. Auch die Anrufe, die sie von ihm bekam, ignorierte sie völlig. Sie wußte, dass es falsch war, schon allein wegen Benjamin. Sie hatte Jeremy immer versprochen, ihm den Sohn niemals zu nehmen, egal was passieren würde, doch genau das tat sie nun irgendwie. Aber sie konnte einfach Jeremy im Moment nicht sehen oder treffen. Zumal Benjamin noch immer nichts von der Trennung wußte. Er dachte immer noch an einen Urlaub bei seinem Lieblingsonkel.

Poldi saß auf der Couch und blätterte in einer Zeitung herum, als es schellte. Sie sah nur kurz auf. Julie, die in der Küche das Abendessen vorbereitete, ging zur Tür und schaute auf den Überwaschungsbildschirm. Sie wirkte überrascht.
„Paul!" rief sie dann.
Poldi sah verwundert zu ihr und dann zu Paul, der gerade von Draußen rein kam.
„Was ist, Schatz?" fragte er.
„Ähm..." Julie schaute kurz zu Poldi, dann zu Paul. „Jeremy steht vorm Tor."
In Poldi zog sich alles zusammen und sie spürte, wie ihr Mund trocken wurde.
„Das der sich überhaupt traut, hierher zu kommen." Knurrte Paul direkt. „Ignorier ihn!" fügte er dann hinzu und Julie nickte. Sie schaute noch mal kurz zu Poldi und ging zurück in die Küche.
Paul schaute ebenfalls zu Poldi. „Der kommt hier nicht rein, ... keine Sorge."
Poldi nickte und war innerlich schon dankbar, das Paul ebenfalls den Kontakt zu Jeremy mied. Als Paul allerdings wieder rausgehen wollte, schellte es erneut. Wieder sah Poldi zur Tür und Paul hielt inne. Kurz wartete er, doch als es erneut klingelte, ging er mit festem Schritt zur Tür. Julie schaute ebenfalls zu ihm.
Paul ging an die Sprachanlage und drückte eine Taste. „Was willst du hier, Renner!" sagte er dann mit einem deutlich wütenden Ton.
„Mit dir reden... ist das möglich?" hörte man Jeremys Stimme.
Wieder zog sich alles in Poldi zusammen. Das war das erste Mal, seit sie ausgezogen war, das sie seine Stimme hörte.
„Nein, das ist nicht möglich! Du bist hier nicht willkommen, also verschwinde wo du her gekommen bis."
„Paul bitte... wir sind seit Jahrzehnten Freunde... bitte lass uns reden... Ich brauch deine Hilfe."
„Weißt du Renner... du hast an einem Abend mehr kaputt gemacht, als in all den Jahren und das kann und werde ich dir nicht verzeihen! ... Also verpiss dich.... Ich und meine Familie, wir sind durch mit dir. Such dir jemand anderes, der dich mal wieder aus irgendeiner Scheiße zieht."
Poldi schaute zu Paul. Seine Worte waren schon sehr hart und sie seufzte leise. Immerhin wußte sie, wie eng Jeremy und Paul eigentlich befreundet waren.
„Paul bitte...."
„Verpiss dich!"
Schweigen. Für einen Moment glaubten alle, Jeremy hätte aufgegeben, doch dann ertönte seine Stimme erneut.

„Ist Poldi bei dir....?"
Paul schaute kurz zu Poldi und schaute dann wieder auf den Bildschirm.
„Selbst wenn sie hier wäre, würde ich es dir sicherlich nicht sagen! Und jetzt verschwinde endlich!"
Paul schaltete die Sprechanlage aus und schaltete ebenfalls die Klingel aus.
„So... jetzt ist Ruhe!" sagte er und zwinkerte Poldi zu.
„Danke..." sagte diese.
„Schon okay..." Dann ging Paul wieder nach draußen und Poldi widmete sich ihrer Zeitung.
Schnell war Jeremy mehr oder weniger wieder vergessen.
„Ich bin mal kurz am Auto.... Hab die Tüte mit den Dosen im Kofferraum gelassen." Sagte Julie nach einiger Zeit und schaute zu Poldi.
Diese sah zu ihr und nickte. „Geht in Ordnung. ... Kann ich dir wirklich nicht helfen?!" fragte sie dann. Sie hasste es, nur rumzusitzen, während Julie das Essen vorbereitete.
„Nein nein, schon gut... bin gleich wieder da!" sagte Julie und lächelte. Dann ging sie zur Tür und schaute kurz auf den Bildschirm. Sie stutzte etwas, verließ dann aber das Haus.
Kurz überlegte sie und ging dann nicht zu ihrem Auto sondern die Auffahrt hinunter bis zum Tor. Dort öffnete sie die Seitentür und trat raus auf die Straße. Nachdenklich schaute sie auf den silbernen Porsche, der noch immer vor dem Tor stand. Jeremy schaute trostlos zu ihr. Julie seufzte leise und ging zu ihm.
„Er will dich wirklich nicht sehen." Sagte sie dann tröstend und sah auf Jeremy.
„Was kann ich tun, dass es sich ändert?" fragte Jeremy dann.
„Ich glaube, da kannst du nicht mehr viel tun. ... Er ist zu tiefst enttäuscht von dir."
Jeremy seufzte leise. „Ich weiß, dass ich richtig Scheiße gebaut habe, aus der ich kaum wieder rauskomme .... Aber ich brauche echt seine Hilfe." Fast schon flehend schaute Jeremy auf Julie, doch diese schüttelte nur entschuldigend den Kopf.
„Zuviel ist passiert, Jeremy... und das weißt du." Sagte sie dann und Jeremy nickte nachdenklich. „Und es ist auch nicht gut, dass du hier stehen bleibst. Früh oder später wird er es mitbekommen und dann gibt es richtig Ärger. Ich hab dich nur durch Zufall gesehen."
„Ich muss einfach mit ihm reden. ... Es ist wirklich wichtig."
Julie sah ihn an. Deutlich konnte sie die Verzweiflung in seinem Blick sehen. Er schien Tage nicht geschlafen zu haben. Dunkle Augenringe zierten sein Gesicht und auch das Shirt, das er trug, wies deutliche Flecken auf. Aus der Vergangenheit wusste Julie sehr gut, wie sehr sich Jeremy in Trauer und Wut veränderte. War er etwas wieder auf dem Weg dorthin? Dennoch hatte er es sich dieses mal selber zuzuschreiben, dass er erneut alles verloren hatte, was er geliebt hatte. Doch trotzdem tat er ihr irgendwie leid.
„Ich kann lediglich versuchen, noch mal mit ihm zu sprechen. ... Nur Jeremy... das ist alles noch zu frisch. Erst das was am Freitag passiert ist... dann dieses Interview...gestern dann tauchten Fotos in der Presse auf, wo du mit Jill im Paradise gesehen wurdest. ... Das alles machte es nicht besser. ... Für niemanden."
Jeremy seufzte. „Das Interview.... Ist eine komplette Lüge und deswegen muss ich mit Paul sprechen."
„Eine Lüge?! ... Aber du triffst dich anscheinend noch immer mit der Frau, die deine Ehe zerstört hat."
Jeremy schloss die Augen. „Das ist eine lange Geschichte... bitte... Julie... ich flehe dich an... ich muss ihm alles erklären und dann wird er mir auch glauben. Ich brauch seine Hilfe und die der anderen Sillvengers. ... Aber absolut niemand will mit mir reden. Ich hab niemanden mehr."
Julie sah ihn an. „Und du weißt auch warum....Du hast Poldi und Benjamin damit im Stich gelassen."
Jeremy seufzte. „Etwas,... das ich zu tiefst bereue."
„Und du kannst es auch nicht rückgängig machen."
„Ich wünschte ich könnte es... ich würde alles dafür tun."
„Gib ihnen Zeit, Jeremy... sowohl Paul... genauso wie Poldi."
„Ich weiß nicht, ob ich diese Zeit noch habe, Julie."
Flehend sah er sie an. War das Angst in seinen Augen?
„Dir wird nichts anderes übrig bleiben, Jeremy. ... Aber wenn etwas Zeit vergangen ist, werden vielleicht Beide bereit sein, dir zuzuhören."
„Ich brauch aber jetzt Pauls Hilfe...." Sagte er leise.
„Es tut mir leid Jeremy...!"
Jeremy seufzte und nickte. Nachdenklich schaute sie zu ihm. Er wirkte noch immer verängstigt aber auch verzweifelt. Am liebsten hätte sie ihn mit reingenommen, damit er mit Paul sprechen könnte, aber Paul würde das nicht zu lassen. Da war sich Julie sicher. Sie konnte Jeremy also nicht helfen und das schien auch er langsam zu verstehen. Niedergeschlagen griff er nach dem Autoschlüssel und startete dann den Wagen.
„Jeremy...!" sagte Julie und sah zu ihm. Sie wußte, sie würde mit dem Feuer spielen, aber er tat ihr einfach leid.
Traurig schaute Jeremy sie an. „Poldi und Benjamin sind hier..."
Seine Augen weiteten sich. „Wirklich?! ... Wie geht es ihnen."
„Benjamin ahnt von nichts... er glaub, er macht bei uns Urlaub. ... Aber Poldi geht es mindestens so schlecht wie du."
Verzweifelt sah Jeremy auf Julie. „Kannst... du sie her holen?" fragte er flehend, doch er kannte die Antwort bereits.
„Das geht nicht.... Niemand weiß, dass ich mit dir spreche und vor allem... wird sie es auch nicht wollen. ... Nicht nach den die Bilder gestern aufgetaucht sind." Sagte Julie ermahnend.
„Die Bilder sind gestellt, Julie... ich muss das tun..."
„Jeremy..."
„Du musst mir glauben.... Ich will das nicht... ich will Poldi und meinen Sohn zurück."
„Dann hör auf dich mit dieser Frau zu treffen..."
„Ich kann nicht...!"
„Dann.... Wirst du damit leben dass du Poldi verloren hast."
„Bitte Julie..."
Doch Julie schüttelte entschuldigend den Kopf.
„Ich muss jetzt wieder rein gehen, Jeremy. ... Pass auf dich auf, ok?"
„Julie..."
Sie sah entschuldigend zu ihm. „Es tut mir wirklich leid, Jeremy."
„Bitte sag ihr... dass ich sie mehr liebe als mein Leben und ich nichts mehr will, als sie zurück. ... Und sie soll Benjamin einen Kuss von mir geben. ... Sie soll nicht aufgeben und ... wenn ich alles regeln konnte... wie auch immer... werde ich ihr beweisen, wie sehr ich sie liebe."
Julie seufzte. Sie wußte nicht was für Probleme Jeremy am Ende hatte, doch er klang wirklich verzweifelt.
„Ich werde es ihr ausrichtigen. ... Aber Jeremy... versprich mir, sie nicht zu terrorisieren oder zu hetzen. Sie wird zu dir kommen, wenn sie in der Lage dazu ist."
Jeremy nickte.
„Bis Bald Jeremy!"
Julie wartete keine Antwort mehr ab. Sie trat durch die Tür und schloss sie wieder. Als sie auf dem Weg zurück war, hörte sie den Motor des Porsches aufheulen. Anscheinend fuhr Jeremy jetzt nach Hause und das war auch gut so. Wenn Paul ihn hier erwischt hätte, hätte es richtig Ärger gegeben.
Doch Jeremys Worte hallten in ihrem Kopf nach. Sie hatte ihn das erste Mal seit der Charitygala wieder gesehen und er wirkte verzweifelt und ausgelaugt. Doch was sie am meisten irritiert hatte war die Angst in seinen Augen. Steckte er vielleicht doch in Schwierigkeiten? Und hatte Jill etwas damit zu tun? Vielleicht sollte sie doch mit Paul sprechen, doch nicht sofort. So wie ihr Mann gerade auf Jeremy reagiert hatte, würde er jetzt nicht anders reagieren. Also würde Julie warten müssen, bis sie mit Paul und auch vielleicht mit Poldi über Jeremy reden würde.

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