Das Foto

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Es war bereits Abend und Jeremy hockte noch immer mit Benjamin in der Villa am Stand. Da Benjamin keinerlei Spielzeug hier hatte, hatte Jeremy ihm sein Handy gegeben, auf dem er ein Spiel installiert hatte. Da Ben sowas nur selten durfte, fand er es besonders toll und war schon nach kurzer Zeit total in diesem Spiel gefangen. Allerdings wußte Jeremy nicht, wie lange er seinen Sohn damit ablenken könnte. Früh oder später würde er nach Poldi fragen und zu ihr wollen.

Jeremy sass auf dem Boden und lehnte gegen das große Wohnzimmerfenster. Ben sass zwischen seinen Beinen und hatte sich an ihn gelehnt.
William und Jill waren immer noch da. Während Jill mit dem Pfeilen und Polieren ihrer langen Fingernägel beschäftigt war, schaute William sich die Börsennachrichten an. Sergej und Oleg liefen immer wieder in der Villa herum und unterhielten sich auf Russisch.
Tief atmete Jeremy durch. Selbst wenn er es wollte, würde er hier nicht weg kommen. Sollte er Poldi einfach heimlich eine Nachricht schicken? Doch noch bevor er diesen Gedanken ausgedacht hatte, setzte sich Oleg an den Esstisch und schaute starr in seine Richtung. Jeremy sah zu ihm und dann wieder auf den Bildschirm des Handys, auf dem Ben noch immer spielte, doch er merkte, dass Oleg ihn weiter beobachtete.
Es war ruhig. Lediglich das monotone Reden des Nachrichtensprechers war zu hören. Jeremy schaute kurz auf seine Armbanduhr. Es war fast 20 Uhr. Ben müsste langsam ins Bett und als ob dieser seine Gedanken lesen konnte, sagte er leise: „Papa? Ich hab Hunger."
Jeremy schaute zu ihm und nickte.
„Warte hier... ich mach dir was." Sagte er dann und stand auf.
Benjamin rutschte nun an das Fenster und lehnte sich dort an.
„Was hast du vor?!" fragte Oleg sofort und beobachtete Jeremy. Auch William hatte sofort aufgeschaut.
„Meinem Sohn etwas zu essen machen. ... Er hat Hunger!" sagte Jeremy und schaute eindringlich auf den Russen.
„Boss?" Oleg sah zu William, dieser nickte.
Jeremy grinste ihn bloßstellend an und ging dann in die Küche. Er schaute in die Schränke und begann dann für Ben ein großes Sandwitch zu machen und schnitt zusätzlich noch eine Gurke klein. Dann nahm er noch eine Flasche Saft und ging damit wieder zu ihm.
„Hier Beniboy..!" sagte er und stellte ihm einen Teller und die Flasche hin.
„Danke Papa."
„Und danach gehst du schlafen! ... Es ist schon spät."
„Hier? Ich dachte wir fahren gleich zu Mama."

„Heute noch nicht." Er lächelte gequält und es tat ihm weh zu sehen, wie Ben ein trauriges Gesicht machte. Aber was sollte er tun. Er konnte es seinem Sohn hier nur so angenehm wie möglich machen. „Vielleicht morgen!" fügte er noch hinzu und Ben nickte.

Jeremy hörte, wie William leise lachte. Er wußte genau, was das bedeutete, sagte dazu aber nichts. Noch war Benjamin ruhig, aber irgendwann würde er sicherlich Heimweh bekommen und dann würde es schwieriger werden.

Nachdem Benjamin mit Essen fertig war, brachte Jeremy ihn ins Bett. Gott sei dank gab es ein Gästezimmer mit einem großen Kingsize-Bett. Dort hatte Ben die letzte Nacht schon geschlafen und auch Jeremy hatte hier neben seinem Sohn geschlafen. Auch wenn er mehr wach gewesen war. Zu groß war einfach die Angst um seinen Sohn.
Jeremy hatte Ben noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt und irgendwann war er eingeschlafen. Jeremy nahm eine Decke und deckte seinen Sohn zu. Dann schaute er neugierig zu ihm und strich ihm sanft über den Kopf. Er beugte sich vor und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Dann verließ er das Zimmer und schloss leise die Tür.
„Pennt das Balg endlich?!" knurrte Oleg.
„Rede nicht so über meinen Sohn, ok?!" Jeremy schaute ihn herausfordernd an.
Oleg lachte. „Bist wieder sehr mutig heut, Kleiner!"
Jeremys Augen funkelten wütend. Er hatte nicht einen Hauch einer Chance gegen Oleg, dennoch würde er sich für seinen Sohn immer einsetzen. Egal wann und egal wie.
„Oh schau mal Renner... dein Ex-Weib ist im Fernsehen!" sagte William jetzt.
Jeremy wurde sofort hellhörig und schaute zu dem riesigen Flachbildschirm, der an der Wand hing. In den Nachrichten lief gerade der Vermisstenaufruf von Poldi, den sie am Morgen gedreht hatte. Jeremy starrte auf den Bildschirm und hört ihren Worten zu. Er sah die Verzweiflung in ihren Augen und die unaufhörliche Angst. Es tat ihm im Herzen weh, sie so zu sehen. Was würde er nur dafür tun, sie trösten zu können.
„Gott ist das albern!" stöhnte Jill.

Jeremy biss die Zähne zusammen. Wenn er etwas gelernt hatte, dann keine Wiederworte zu geben.
„Vielleicht sollten wir etwas Lösegeld für den Jungen erpressen... was meinst du Jeremy... Zahlt das Weib?" fragte William und grinste.
„Sie... hat nicht viel Geld." Antworte er dann. „Sie wollte keinen Unterhalt."

„Dann wird sie es sich leihen müssen. ... Sie hat doch viele berühmte Freunde. ... Die haben alle eine Menge Geld.... Mal sehen, was ihr der Kurze wert ist."
„William... lass sie bitte in Ruhe. Sie hat das nicht verdient.... Bitte... du hast mich und alles was ich besitze. ... Aber lass Poldi in Ruhe und .... Gib ihr bitte Ben weg. ... Sie stirbt vor Sorge."
„Soll sie doch verrecken!" sagte Jill genervt.
Jeremy seufzte leise.
„Ich mach das, was mir Spaß macht, Renner! ... Selbst wenn ich sie umbringen würde, sollte dich das nicht interessieren! Du hast mit dieser Frau nichts mehr am Hut. Ich hoffe, wir haben uns verstanden."

Jeremynickte schweigend und setzte sich nun auch auf die Couch.
William beobachtete ihn und nickte dann ebenfalls. Dann nahm er denFernsehschalter und schaltete um. Jeremy hing wieder seinen Gedanken nach. Eswäre so einfach, Poldi einfach anzurufen oder ihr eine Nachricht zu schicken.Aber wahrscheinlich wäre sie dann wirklich tot. Oder William würde Ben töten.Es gab einige Möglichkeiten, sich zu rächen und genau davor hatte er Angst. Undwahrscheinlich wußte, dass auch William, denn immerhin hätte er Jeremy dasHandy wegnehmen können.
Und in diesem Moment klingelte genau dieses.
Jeremy zog es aus der Tasche und sofort krampfte sich sein Magen zusammen.Poldi rief an. Er biss die Zähne zusammen und drückte sie weg. Es dauerte nichtlange bis sie ihn wieder anrief und erneut drückte er sie weg und schaltetedann das Handy aus. William sah kurz zu ihm.
„Ich hab es aus gemacht." Sagte er sofort und William nickte.
Jeremy atmete tief durch und schob das Handy zurück in seine Hosentasche. Jillkuschelte sich gerade an ihn und er atmete tief durch. Dann schaute er eherdesinteressiert zum Fernseher, doch er konnte sich auf das Programm nichtkonzentrieren. Seine Gedanken waren bei Poldi. Während er hier einengemütlichen Abend mit seiner neuen Familie vorspielte, kam Poldi um vor Trauerund Sorge. Dabei hatte er ihr versprochen sich um sie zu kümmern und zurück zukommen. Doch er kam hier nicht weg. Und das ärgerte ihn innerlich sehr. Anstattsie irgendwie zu halten, verlor er sie Tag für Tag ein Stückchen mehr. Leiseseufzte er. Was nur sollte er tun um sich bemerkbar zu machen. ... Er wußte eseinfach nicht
....

Einige Stunden später lag Jeremy neben Ben im Bett. Er hatte starkeKopfschmerzen vorgespielt um aus dem Wohnzimmer verschwinden zu können. So kamer auch von Jill weg, denn ihre Nähe erdrückte ihn einfach nur.
Benjamin schlief ruhig und Jeremy hatte ihn einige Zeit einfach nur angesehen.Dieser Junge hatte keine Ahnung in welcher großen Gefahr er war. Irgendwannwürde er anfangen Fragen zu stellen und davor hatte Jeremy besonders Angst. Aberbis dahin musste er eine Lösung finden.
Und dann fiel ihm etwas ein. Er griff nach seinem Handy und öffnete Instagram.Er postete ein Bild von ihm und Benjamin, welches er am Nachmittag auf derDachterrasse mit ihm gemacht hatte. Darüber schrieb er lediglich: einen lustigen Tag mit dem besten Jungen derWelt verbracht.
Aus Erfahrung wußte er, dass Poldi die Bilder sah und jetzt hoffte er, dass sieauch dieses Bild sehen würde. Wenn sie wußte, dass Ben bei ihm war und es ihmgut ging, würde sie vielleicht etwas beruhigter sein. Das war die einzigeMöglichkeit es ihr mitzuteilen und Jeremy hoffte einfach, dass sie es auchverstand. Er legte das Handy wieder weg und atmete tief durch. Auch heute Nachtwürde er wieder nur an sie denken, damit sie ihm wenigstens im Traum nahe seinwürde.



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