Benjamin

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Am anderen Morgen war Chris früh zum Joggen mit Dodger gegangen. Bina schlief noch und so nutzte er die Gelegenheit seinen Kopf frei zu bekommen, bevor die Kinder nach Hause kamen.
Er lief bereits eine Zeit lang, als er seinen Gang verlangsamte und irgendwann stehen blieb. Er stand vor einem großen Tor. Er wußte genau wo er war. Hinter diesem Tor lag das Anwesen von Jeremy. Langsam ging er an dem Tor vorbei und blieb vor dem großen Zaun stehen. An dieser Ecke war der dahinterliegende Busch abgestorben und ließ einen Blick auf den Eingangsbereich zu. Geschickt kletterte Chris auf den unteren Teil des Zaunes um besser sehen zu können. Er kannte sofort, dass Jeremys Autos wirklich fast alle weg waren. Lediglich der Porsche und der Land Rover standen auf der Einfahrt. Alle anderen waren weg. Genauso wie die Motorräder, die immer unter einem Anbau gestanden hatten. Dieser Anbau war jetzt leer. Sollte Jeremy gestern tatsächlich die Wahrheit gesagt haben?
In diesem Moment trat ein fremder Mann aus dem Haus. Er war groß und kräftig gewachsen, trug eine Sonnenbrille und einen schwarzen Anzug und erinnerte an eine Art Bodyguard. Er schien zu telefonieren und drehte sich eher zufällig in Chris Richtung. Sofort hatte er ihn gesehen und rief mit einem deutlichen russischen Akzent: „Hey! Was machst du da! Verschwinde!"
Chris sprang vom Zaun und lief mit Dodger sofort weiter. Immer wieder drehte er sich um, um nachzusehen, ob der Kerl ihm folgte, aber dem war nicht so.
Dieser Teil von Jeremys Erzählungen schien also wirklich zu stimmen. Die Autos und die Motorräder waren weg und anscheinend wohnten hier tatsächlich russische Aufpasser. Hatte nicht auch Robert erzählt, dass Jeremy versuchte, Camp Renner zu verkaufen?
Langsam setzten sich die Puzzlestücke in Chris Kopf zusammen. Aber wieso hatte Jeremy nicht sofort versucht seinen Freunden alles zu erklären. Wieso hatte er so lange gewartet? Am Anfang hätte man ihm wahrscheinlich besser helfen können als jetzt im Moment, wo sich bereits alles zugespitzt hatte.
Chris musste dringend mit Bina sprechen. Wenn es wirklich alles stimmte, war nicht nur Jeremy in Gefahr sondern auch Poldi. Und das musste er ihr dringend mitteilen.
....

Zur selben Zeit war Poldi gerade gemeinsam mit Benjamin auf dem Weg zum Supermarkt. Sie wollte noch einige Kleinigkeiten kaufen, und da der Supermarkt nur einige Meter vom Haus entfernt lag, hatte sie beschlossen für den kurzen Weg zu Fuß zu gehen, anstatt mit dem Auto zu fahren. Benjamin hatte beschlossen sein Lauffahrrad mit zunehmen und so machten sich die Beiden auf dem Weg zu Supermarkt. Benjamin fuhr einige Meter vor Poldi her und sie hatte ihren Sohn ganz genau im Blick. Immer wieder musste sie lächeln, wenn sie daran dachte, wie schnell er groß wurde. Dabei wurde er doch erst letzte Woche geboren, oder?

Kurz darauf betraten sie den Laden. Benjamin musste das Fahrrad draußen lassen und Poldi befestigte ein Kettenschloss daran, damit niemand es klauen konnte. Ben hatte darauf bestanden. Dann nahmen sie einen Einkaufwagen und Poldi hob ihren Sohn hinein.
„So, dann wollen wir mal schauen, was wir noch alles brauchen." Sagte Poldi und betrat den Laden.
„Schokolade! Und Eis!" sagte Benjamin bestimmend.
Poldi lächelte.
„Sicher? Wir haben doch noch Eis im Eisschrank."
„Aber kein rotes Wassereis mehr. ... Das ist das Beste! ... Und Schokolade... die mit den ganzen Nüssen."
„Du bist eine kleine Naschkatze!"
Sie gingen durch die einzelnen Reihen und hier und da nahm Poldi etwas aus den Regalen und legte es zu Ben in den großen Korb.
...

Chris war bereits wieder zu Hause angekommen. Er hatte sich in der Küche eine Flasche Wasser geholt und ging zu Bina, die auf der Terrasse sass und ein Buch las.
„Na Schlafmütze? Ausgeschlafen?" fragte Chris, beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss. Dann setzte er sich mit an den Tisch und trank einen großen Schluck aus der Flasche.
„Das Bett war auf einmal so leer, da bin ich wachgeworden." Antwortete Bina und legte das Buch weg.
Chris grinste. „Ich musste raus... mein Kopf wäre sonst explodiert!" antwortete er.
„Kopfschmerzen?"
„So ähnlich... Renner-Syndrom!"
„Hä?" Jetzt war Bina verwirrt. „Was hat der Kerl denn schon wieder gemacht." Langsam konnte sie den Namen Renner einfach nicht mehr hören, dabei hatte sie Jeremy echt mal sehr gern gehabt.
Chris atmete tief durch. Er musste mit ihr sprechen. Jeremy hatte ihn um Hilfe gebeten und vielleicht würde er ja wirklich irgendwie helfen können.
Also begann er Bina alles zu erzählen, was Jeremy ihm gesagt hatte. Er berichtete ihr, wie verzweifelt er gewirkt hatte. Er erzählte ihr von den Erpressungen und den Drohungen und all das, wozu Jeremy augenscheinlich gezwungen wurde. Er erzählte ihr von seiner Angst, sein Flehen und auch seine Bitte. Mafia, Mord, Drohungen. Nichts ließ er aus.
Bina hörte ihm schweigend zu.
...

„Du musst dich für eins entscheiden!" sagte Poldi und schaute auf Benjamin, der sich nicht für die Sorte seines Wassereis entscheiden konnte. Entweder er nahm das bekannte oder er nahm eine andere, neue Sorte, die man kratzen musste. Allerdings gab es davon kein rotes sondern nur grünes.
„Papa würde jetzt beide kaufen." Sagte Benjamin und klang deutlich beleidigt.
„Papa ist jetzt nicht hier und ich kaufe nur eins. Also entscheide dich!" sagte Poldi und schaute weiter auf Benjamin. Dieser machte einen Schmollmund und schaute auf die beiden Eissorten, die er in der Hand hielt. Natürlich könnte Poldi beide Sorten bezahlen, aber sie wollte auch dass Ben lernte, dass man nicht immer alles bekam, was man wollte. Auch wenn vor allem Jeremy mehrere Millionen auf dem Konto hatte, wollte sie einfach nicht, dass Ben den Reichtum als selbstverständlich sah. Er sollte so normal wie möglich groß werden und nicht das Geld seines Vaters aus dem Fenster werfen. Etwas, das Poldi immer versucht hatte, Jeremy zu erklären. Dieser hatte es aber nie wirklich verstanden und das hatte sie immer wieder geärgert.
„Nimm doch das Grüne. ... Waldmeister magst du doch auch. Außerdem ist es größer und du kennst es nicht." Sagte Poldi ruhig und sah weiter auf Ben. „Und nächste Woche holen wir dann wieder das Andere, ok?"
Ben seufzte theatralisch und legte das rote Eis wieder weg.
„Na gut!" sagte er dann und kletterte wieder in den Einkaufswagen.
Poldi lächelte und schob den Wagen dann weiter. Sie wollte noch etwas Salat für das Abendessen holen. Es waren Gewitter für heute Abend angesagt worden und sie hoffte, dass es etwas abkühlen würde. Sie musste unbedingt mit Jeremy sprechen, denn das Haus hatte keine Klimaanlage. Vielleicht hatte er einen Tipp, wer ihr so etwas installieren konnte, damit sie das Haus vor allem für Ben abkühlen konnte.
„Haben wir jetzt alles?" fragte Poldi und schaute über die Einkäufe.
„Zuviel Salat!" sagte Ben und verzog das Gesicht.
Poldi grinste. „Ist viel zu gesund oder?"
„Das essen doch nur die Kamele von Robert!"
„Das sind keine Kamele sondern Alpakas."
„Die essen auch sowas... also ist es eigentlich Kamelessen. ... Ich bin aber kein Kamel."

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