Kapitel 2 - Hintergangen und erleichtert

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Nachdem ich mich so schnell wie möglich beeilte, alle meine Sachen in den Regalen und Schränken zu verstauen, habe ich auch schon einen Abflug gemacht.

Nicht, weil ich nicht in Margaretas... oder Marge... oder wie auch immer, Nähe sein wollte, sondern - Stop, ich wollte einfach nicht in ihrer Nähe sein. Sie hat definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank und mit so viel Verrücktem Kram am ersten Tag hatte ich definitiv nicht gerechnet, als ich heute morgen aufgestanden bin.

Ich habe beschlossen - wenn ich schonmal dabei bin abzuhauen - den Campus ein wenig zu erkunden. Ich könnte mir schonmal zurechtlegen, wie meine Wege zu den verschiedenen Kursen sind, denn ich habe schon rausgefunden, dass es verschiedene Blöcke gibt, für die verschiedenen Genres wie Naturwissenschaften oder Sprachen.

Schon als ich das erste Mal aus dem Auto meines Dad's ausgestiegen bin, sind mir die vielen schönen Bäume und grüne Wiesen aufgefallen, die den kompletten Campus schmücken. Natürlich gibt es auch gepflasterte Wege, aber größtenteils besteht alles aus Natur. An den Wegen stehen auch gelegentlich Bänke. Ich freue mich jetzt schon, wenn ich jeden Tag nach den Kursen das schöne Wetter genießen kann und auf den Bänken meine Hausaufgaben machen kann und mich meinen Büchern widmen kann.

Am liebsten würde ich mich schon jetzt sofort auf eine Bank setzen, mein Notizblock rausholen und aufschreiben, wie durchgedreht meine Mitbewohnerin ist. Insgeheim hoffe ich immer noch, dass das alles nur ein schlechter Scherz ist.

Nach ungefähr einer Stunde des Herumlaufen und Erkunden gehe ich gezwungenermaßen wieder zurück in das Zimmer des Schreckens, denn es fängt schon an zu dämmern. Vor der Tür atme ich nochmal tief ein und aus, um nicht sofort den nächsten Herzinfarkt zu bekommen, wenn ich gleich diesen Raum betrete.

Doch es kommt komplett anders.

Margae... wie auch immer, liegt in ganz normalen Klamotten, ganz  normal auf ihrem Bett, mit ganz normaler Bettwäsche und tippt etwas auf ihrem ganz normalen Handy.

Alle Poster von Boybands sind von den Wänden verschwunden und erst jetzt kann man sehen, dass die Wände in einem schönen hellblau gehalten sind. Das hatte ich definitiv nicht erwartet.

Ich stehe immer noch ungläubig im Türrahmen und halte den Türknauf in der Hand. Hat sie jetzt eine hundertachtziggrad Veränderung gemacht oder was? 

"Ravely, du bist wieder da", sagt sie. Sie sagt es ganz... normal. Sogar ihre Stimme hat sich verändert, sie ist nicht mehr so hoch wie vorher. 

"Ja, anscheinend bin ich das." Ich bin total baff. "Was zur Hölle ist hier los?" 

Sie lacht einmal kurz auf und meint: "Setz dich, ich werde es dir erklären."

Ich gehorche und setze mich. Ich setze eine leicht böse Miene auf, immerhin fühle ich mich gerade komplett verarscht. Neugierig ziehe ich eine Braue hoch und verschränke die Arme.

"Also pass auf, das alles, was sich hier vorhin noch abgespielt hat, war nichts anderes als reiner Wissensdurst. Jedes Mal, wenn ich neue Leute kennenlerne, versuche ich sie auf törichtste Art und Weise reinzulegen, um herauszufinden, wie sie reagieren." 

Ich betrachte sie skeptisch.

"Ich schreibe Bücher, weißt du? Und für mich ist es extrem wichtig, viele verschiedene Situationen in meinem Leben schonmal durchlebt zu haben. Seien sie auch noch so peinlich. So kann ich besser die Gefühle von meinem Gegenüber, wie auch von mir, verstehen und in meinen Geschichten widerverwenden. Und dass ich eine neue Mitbewohnerin bekomme war einfach die perfekte Chance für mich. Ich hoffe, du bist mir nicht ganz so böse." Mittlerweile bekommt sie einen entschuldigenden Unterton, denn sie scheint zu merken, dass das wirklich verrückt klingt. Und das tut es auch.

Wow, ich bin sprachlos. Ich fühle mich hintergangen und gleichzeitig bin ich einfach nur extrem erleichtert, dass sie doch nicht so verrückt ist, wie ich dachte. Mir fällt eine Last von den Schultern, die ich in den letzten Stunden tragen musste. 

Ich lache laut. Vor lauter Erleichterung lache ich einfach laut los. Ich wische mir eine Träne aus den Augen und frage, nachdem ich mich beruhigt habe: "Margae..., wie auch immer, ist aber nicht dein richtiger Name, oder?" 

"Nein, natürlich nicht. Ich heiße Catherina, aber nenn mich bitte Cate. Bin 19 Jahre alt , studiere englische Literatur, hasse Katzen und steh total auf den Lehrer aus dem Mathekurs." Sie ist auf jeden Fall netter als ich dachte. Ich denke, dass man mit ihr viel Spaß haben kann. 

"Ich bin Ravely, 18 Jahre alt, studiere kreatives Schreiben für Fortgeschrittene, hasse Boybands und bin durch und durch single."

-

Am nächsten Morgen steht der erste Unterricht an. Ich bin extrem aufgeregt, was mich in den Kursen so erwartet. Mein erster Kurs ist gleich kreatives Schreiben. Zum Glück. Mit Mathe wollte ich den Tag nicht starten.

Als ich den Raum betrete, sehe ich schon bestimmt vierzig Personen im Hörsaal sitzen. Dass es so viele junge Erwachsene gibt, die gerne schreiben, hätte ich nicht gedacht. Vorsichtshalber setze ich mich in die letzte Reihe, denn ich möchte nicht unbedingt von jemandem angesprochen werden, der mich ablenken könnte. Dafür ist mir dieser Kurs zu wichtig. 

"So, liebe Schüler und Schülerinnen, nehmt bitte Platz", ruft der Professor durch den Raum. Kurz darauf wird es auch schon still. "Mein Name ist Professor Snow und ich bin froh, einige neue Interessänten in meinem Kurs begrüßen zu dürfen und hoffe auf viele neue Charaktere. Wie ihr wahrscheinlich bereits wisst, handelt es sich hier in diesem Kurs um das kreative Schreiben, deshalb bitte ich euch immer euren Laptop oder einen Block dabei zu haben. Ein Block sollte absolut ausreichen, da ihr den Großteil eurer Geschichten auf euren Zimmern, oder wo auch immer ihr am liebsten schreibt, schreiben werdet. Dazu kommt...", der Lehrer wird von dem Knall der Eingangstür unterbrochen. 

Ein Schüler betritt den Raum und alle starren ihn an. Genervt beobachte ich ihn, wie er in die letzte Reihe geht.

Wie kann er es sich erlauben am ersten Tag zu spät zu kommen? 

"Ah, Mister Styles, sie hielten es wohl auch mal für nötig in den Unterricht zu kommen", sagt Mister Snow zu ihm.

Der benannte Mister 'Styles' - absolut bescheuerter Name, mal so nebenbei - sitzt sich an das andere Ende der letzten Reihe.

Gut so, schön weit weg von mir.

"Sie wissen ja wie das ist. Mal ist die Lust groß, mal ist sie klein", ruft er lässig nach vorne und bekommt von den andren Schülerinnen Gekicher geschenkt.

Außer von mir. Ich finde es eigentlich nur unangebracht und außerdem klaut dieser Auftritt mir kostbare Zeit vom Unterricht. Ich mag ihn schon jetzt nicht. Genervt von ihm schnaube ich und sehe wieder zu Mister Snow.

"Wie auch immer. Wo war ich? Achso! Dazu kommt, dass ich möchte, dass sie jeden Tag ihre Gefühle und Erlebnisse aufschreiben, die sie für den Tag geprägt haben. Oder sie schreiben eine Kurzgeschichte, mit der sie sich identifizieren können. Ich möchte, dass sie das alles in ein einziges Buch oder Heft schreiben, nie auf verschiedene Blätter, so verlieren sie auch nichts. Ich möchte am Ende des Schuljahres diese Hefte einsammeln und eure Fortschritte bewerten."

Ein lautes Stöhnen kommt von den Schülern. Außer natürlich von mir, ich freue mich total darüber, dass so etwas bewertet wird.

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