Kapitel 8 - Hoffnungsloser Romantiker

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Mitternachtsausflug? Harry hat definitiv nicht mehr alle Tassen im Schrank. 

Er erscheint einfach hier mitten in der Nacht und verlangt ernsthaft von mir, dass ich ihn jetzt irgendwohin begleite. Und das auch noch am selben Tag, an dem ich im eigentlich gesagt habe, dass ich 'soetwas' nicht tue. Das kann er sich abschminken.

"Mitternachtsausflug? Du hast ne Meise" Ich tippe mit meinem Finger an meine Stirn. 

"Nein und jetzt komm einfach mit. Gleich ist Mitternacht, bis dahin will ich draußen sein." Harry geht auf meinen Kleiderschrank zu und wühlt darin rum. 

"Was wird das denn?" Ich sehe ihm mit gerunzelter Stirn zu, wie er eine Jeans und einen Hoody aus dem Schrank zieht. 

"Du stehst immer noch stocksteif im Zimmer rum und wenn jetzt nicht bald was passiert, schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig bis Mitternacht."

Er macht den Schrank wieder zu und geht zur Tür. "Ich warte vor der Tür auf dich. Komm dann einfach raus, wenn du fertig bist." Harry grinst mich ein letztes Mal triumphierend an, als wüsste er, dass ich sowieso mitkomme und spaziert aus meinem Zimmer. 

Ich schaue fassungslos auf die Klamotten. Mal wieder überdenke ich meine Möglichkeiten in meinem Kopf. Entweder ich ziehe mich jetzt um und gehe mit Harry mit... oder ich lasse ihn draußen stehen und lege mich wieder schlafen. Mein Instinkt sagt nein. Aber irgendetwas bringt mich doch dazu diese doofen Jeans und den Hoody anzuziehen und zu Harry auf den Flur zu spazieren. 

Sein Grinsen wird breiter, als er mich aus der Tür rauskommen sieht. 

"Ich hoffe für dich, dass du einen Meteoritenschauer ans Universum bestellt hast, um mich zu wecken," flüstere ich ihm zu, als wir schnellen Schrittes aus dem Gebäude gehen. 

"Nicht ganz, aber so ähnlich." Er führt mich zu seinem Auto.

Ich bin mehr als überrascht, als da ein schwarzer Range Rover steht. Das Teil muss ein Vermögen gekostet haben. Sind seine Eltern reich? Oder arbeitet Harry nebenbei? 

Wir steigen beide ins Auto und sofort kommt mir wieder dieser Geruch entgegen. Moschus, Harry und Jasmin... hier drin könnte ich Stunden verbringen. 

"Okay, wir haben noch genau vier Minuten, also schnell dich besser an." Er startet den Motor und fährt rückwärts aus der Parklücke.

Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. Jedoch nicht vor Angst. Schon seit ich klein war hab ich schnelle Autofahrten geliebt. Aber auch nur, weil mein Dad am Steuer saß und ich wusste, dass er keinen Unfall baut. Bei Harry bin ich mir nicht sicher... Ein kleines Grinsen kann ich mir dennoch nicht verkneifen. Meine Unsicherheit gegenüber Harrys Fahrkünsten verfliegen dann auch wieder schnell, als ich merke, wie sicher am Steuer ist. Volle Pulle fahren wir durch die Straßen Londons. Zum Glück haben wir mitten in der Nacht und es sind keine anderen Autofahrer unterwegs. Wer fährt auch schon so spät umher? Achso, stimmt ja, Harry! 

Ich schaue auf die Uhr. 11.58 Uhr.

Harry hält an einer Kirche auf einem hohen Berg.

Von hier oben hat man einen total schönen Blick auf London. 

"Schnell, noch eine Minute!" Harry steigt aus und joggt zu der Kirche vor uns. 

Ich schnalle mich schnell ab und folge ihm zur Kirche. 

Harry bleibt vor dem Eingang stehen und kramt etwas aus seiner Tasche. Einen Schlüssel? Er hat einen Schlüssel für die Kirche? Ich glaub's ja nicht. Schnell schließt er auf und zieht mich mit rein. 

Mir bleibt nicht mal viel Zeit die Kirche von innen zu betrachten, da Harry mich auch schon die Treppen hoch in den Turm zieht. 

"Gleich haben wir's geschafft!", freut er sich, als wir schon die riesen Glocke von unten erkennen können. 

Wenige Augenblicke später kommen wir total aus der Puste oben an. 

"Oh, Gott, nie mehr." Ich keuche und lehne mich gegen die Turmwand.

"Komm her", sagt Harry und winkt mich zu einem Fenster ohne Glas, wo man ohne Probleme in den Himmel gucken kann. 

Ich schaue hinaus und mir stockt der Atem. Überall Sternschnuppen. Etliche Sternschnuppen. Eine nach der anderen erscheint am Himmel. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. 

"Und? Hat es sich gelohnt?", fragt Harry nach einem kurzen Moment der Stille, während er immer noch in den Himmel schaut. 

"Ich, ehm..." Momentan bin ich einfach so baff, dass ich kaum ein Wort heraus bekomme. Es ist einfach so schön. 

"Okay, das reicht mir schon als Antwort."

Ich kann es kaum fassen, dass ich wirklich hier bin. Mit Harry! Es ist für mich einfach unbegreiflich, wieso er mich mitten in der Nacht aus dem Bett schmeißt, um mir das hier zu zeigen. Das macht er doch eh  mit jeder andren auch, bilde dir bloß nichts ein, faucht meine innere Stimme. Wahrscheinlich hat sie Recht. 

"Ist das deine Masche? Bekommst du so die Mädchen rum?"

"Ich weiß nicht, sag du's mir." Er sieht mich von der Seite an.

"Na ja, bist wohl so'n hoffnungsloser Romantiker."

Er lacht. "Ganz bestimmt nicht."

"Wieso hast du mich dann hier her gebracht?"

Er sieht mich ernst an und kaut nachdenklich an seiner Innenwange. "Weil ich dir zeigen werde, dass 'soetwas' Spaß machen kann."

Ich ziehe meine Augenbraue hoch und sehe ihn an. 

"Und ich denke jetzt nicht an Liebschaften oder andere Arten von Zärtlichkeit, sondern einfach nur Freundschaften. Ich hab zwar keine Ahnung, wieso du Beziehungen zu Menschen so verachtest, aber ich denke, ich kann dich umstimmen."

"Harry..."

"Ich mein's ernst, ich -" 

Ich schüttle den Kopf, trete zwei Schritte von dem Fenster zurück und hebe die Hand, um ihm zu verstehen zu geben, dass er aufhören soll zu reden. "Nein, stop. Ich hab dir heute... oder beziehungsweise gestern gesagt, dass ich das nicht will und daran wird auch ein Sternenschauer nichts ändern."

Er geht jetzt auch vom Fenster weg und sieht mich an. "Aber sag mir doch wieso." 

"Weil ich mir sowas momentan einfach nicht leisten kann, Harry."

Er sieht mich fragend an. 

"Ich bin hier auf das College gekommen um endlich kreatives Schreiben zu studieren und endlich Erfolg zu haben in dem was ich tue. Ich will Schriftstellerin werden. Aber ich will nicht einfach irgendeine Schriftstellerin werden, ich will die Beste sein, verstehst du? Ich will endlich von den Menschen beachtet werden und angesehen, dafür, dass ich etwas sehr gut kann. Mein ganzes Leben lang arbeite ich auf nichts anderes hin als auf das. Und schon immer war ich so. Ich wollte keine Freunde oder Beziehungen haben und ich will es heute immer noch nicht, bis ich endlich das erreicht habe, was ich möchte. Ich will auch endlich den Erfolg genießen ein Buch zu veröffentlichen und Signierstunden zu geben. Und daran wirst auch du nichts ändern, Harry." 

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