Kapitel 61 - Angst?

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Nachdem wir mit Tammy noch eine Runde durch den Park gelaufen sind, weil sie unbedingt die Enten am See sehen wollte und sie außerdem noch mit Harry Karusell auf dem Stadtmarkt gefahren ist, kommen wir am Nachmittag wieder im Krankenhaus an. Der Tag war sehr anstrengend für Tammy und sie ist schon auf den Weg zum Hospital an Harrys Brust eingeschlafen, während sie sich um seinen Hals klammerte. Dieser Anblick war so süß, dass ich meine Augen kaum von ihnen lassen konnte. Es ist einfach immer wieder schön zu sehen, wie fürsorglich Harry ist, auch, wenn das bedeutet sie den ganzen Weg vom Park zum Hospital zu tragen. Und es ist auch schön zu sehen, dass Tammy so ein Vertrauen in Harry hat. Ich bin - genau so wie Robert - einfach unheimlich froh, dass sie Harry hat und Harry sie. Denn auch, wenn man meinen könnte, dass nur Harry ihr Halt spendet, denke ich, dass Tammy ihm genau so Halt, Fürsorge und Trost spendet, wie er ihr. Man merkt einfach diese Liebe zwischen den Beiden.

"Du kannst hier in der Leseecke warten, wenn du möchtest. Solange bring ich Tammy zurück in ihr Bett", flüstert Harry, als wir durch die Eingangshalle laufen.

"Okay." Ich nicke und rolle den Rollstuhl zu den andren, die in der Halle stehen. Lächelnd gehe ich auf die Couch in der Ecke der Eingangshalle zu, die mit vielen Bücherregalen geschmückt ist. Ich bin froh, dass hier kaum jemand ist, denn dann kann ich mich in Ruhe in den Regalen umschauen. Ich liebe es einfach neue Bücher zu entdecken.

Ich stelle mich vor das erste Regal und will gerade in der ersten Reihe anfangen, als ich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren spüre. Ich ziehe es heraus, drücke die Nachricht aber weg, weil ich jetzt gerade nicht gestört werden will. Seufzend schiebe ich es wieder zurück und erneut beginne ich in der ersten Reihe der Bücher. Jugendroman, Psychothriller, Oldtimer, ...

"Sie tuen ihm gut", höre ich eine schwache, leise Stimme hinter mir und ich drehe mich leicht erschrocken um.

Neben der Couch sitzt eine alte Frau mit Glatze in einem Rollstuhl und sieht mich an. Sie ist extrem abgemagert, blass und hat viele blauen Flecken auf ihrer Haut. Ihre Augen sehen nur noch aus wie dunkle Kuhlen, weil ihre Augenringe so weit sind. Im Großen und Ganzen sieht man ihr an, dass sie extrem krank ist. Sie hat einen Schlauch in der Nase stecken, dieser mit einem kleinen Koffer verbunden ist, der neben ihr steht.

Ich sehe sie verwirrt an, aber dann erinnere ich mich wieder. Das ist Elizabeth! Die Frau in der Kirche, die Harry zu ihrem Rollstuhl getragen hat, weil sie sich nicht mehr bewegen kann. Sie sieht sehr verändert aus... noch schlechter als damals. Ihre Haare hat sie jetzt komplett verloren und sie hat noch mehr Gewicht verloren. Aber meinte Harry nicht, dass sie nicht mal mehr reden kann?

Da sie mir genau in die Augen schaut, nehme ich an, dass sie mich gemeint hat. Es ist sowieso niemand anders hier, außer wir beide. "Wem tue ich gut?"

Elizabeth braucht einen Moment, aber ich sehe sie leicht, wirklich ganz leicht lächeln, als sie sagt: "Harry."

Ich ignoriere die Hitze, die in mir aufsteigt, als ich an ihn denke und setze mich auf die Couch neben sie.

Ihre Augen verfolgen mich und sie sieht ein wenig unheimlich aus, aber ich weiß, dass sie am liebsten genau so wie ich agieren würde, aber sie kann es nunmal nicht. Sie bewegt sich wirklich kein Stück.

"Meinen sie wirklich?", frage ich sie und lasse mich gegen die Lehne sinken.

Ich höre Elizabeth schwer atmen und erst jetzt fällt mir auf, dass das kleine Köfferchen, das neben ihr steht ein Beatmungsgerät ist. Ich nehme an, dass sie womöglich Lungenkrebs hat. Arme Frau.

"Schätzchen", keucht sie schwer, "Ich habe schon viele Menschen gesehen und kennenlernt." Es ist unmerkbar, dass das Reden ihr unheimlich schwer fällt. "Aber wenn mir jemand .... so viele Dinge über ein fremdes .... Mädchen erzählt, wie er, dann kann ich .... nur annehmen, dass du ihn glücklich machst."

Bei diesen Worten steigt die Hitze in mir noch mehr. Interessiert beuge ich mich nach vorne und betrachte sie. "Er redet über mich?", flüstere ich und sehe mich um, um sicherzugehen, dass Harry noch nicht zurück ist.

Elizabeth grinst etwas weiter. "Ständig."

Ich kann mein Grinsen jetzt nicht mehr unterdrücken. Wie gerne ich wüsste, was er über mich erzählt.

"Wovor hast du ... Angst?", fragt Elizabeth mich und sieht mich aus dem Augenwinkel an. Ihr angedeutetes Lächeln ist verschwunden.

Ich sehe sie stirnrunzelnd an. "Angst?"

Sie nickt langsam. "Ich sehe es. Wenn du .... wollen würdest, wärst du schon längst .... in ihn verliebt. Wieso also .... bist du es nicht?"

Auf einmal bekomme ich einen heftigen Kopfschmerz. Eigentlich hat sie Recht. Ich merke selbst, dass Harry für mich mindestens genau so viel empfindet, wie ich für ihn, aber trotzdem habe ich nie ein Wort gesagt. Selbst bei unserem ersten Kuss hat zuerst Harry die Initiative ergriffen. Also wovor habe ich also Angst?

"Das ist nicht so einfach zu erklären", seufze ich und lehne mich an die Lehne der Couch.

"Dann versuch es."

Ich reibe mir über die Stirn und versuche die richtigen Worte zu finden. "Ich denke... Ich habe Angst, dass es das alles nicht wert ist." Ich sehe sie an und suche nach irgendeiner Emotion, doch sie sieht mich einfach nur an.

Sie scheint zu wollen, dass ich weiter rede.

Und das tue ich. "Ich habe Angst, dass es das alles nicht wert ist, Elizabeth. Ich meine, was ist wenn wir eines Tages streiten, weil ich etwas Falsches gesagt habe oder Harry etwas getan hat, das mich verletzt? Ich sehe es doch in den ganzen Filmen und Büchern. Menschen fangen an sich zu lieben und verlassen sich. Sie weinen und schreien, weil sie so bitterlich verletzt wurden. Und warum? Weil sie zugelassen haben, dass ein anderer Mensch in ihre Seele schauen kann und das Recht bekommt sie zu sehen. Das wirkliche sie, weißt du? Was ist, wenn ich Harry meine tiefsten Geheimnisse, meine Gedanken anvertraue und er sie eines Tages gegen mich verwendet, weil er mich nicht mehr möchte? Es macht mir einfach Angst, dass ich keine Kontrolle mehr über mich selbst habe. Ich denke ständig an ihn. Ich denke an ihn, wenn ich schlafen gehe. Ich denke an die Worte die er zu mir sagt und wie er mich dabei ansieht. Ich denke sogar an die Dinge, über die wir lachen müssen und all die Momente in denen wir zusammen waren. Und wenn ich träume, träume ich von ihm. Es dreht sich alles um ihm. Es dreht sich ständig alles um ihn und das macht mir verflixte Angst, Elizabeth. O Gott, was ist, wenn wir uns eines Tages vergessen? Ich weiß nicht mal, ob ich dafür geschaffen bin, um zu lieben. Es hat einfach noch nie jemand so meine Seele berührt, wie er es tut. Ich kann mir mittlerweile nicht mal - auch wenn es gerade mal zwei Wochen sind - nicht vorstellen mit irgendwem anders zu sein, als mit ihm. Es muss er und ich am Ende sein. Niemand anders. Und das, O Gott, das macht mir Angst. Ich habe Angst, dass wir immer ein Buch sein werden, bei dem die letzten Seiten rausgerissen sind." Ich hole tief Luft und kann gerade kaum glauben, was ich von mir gegeben habe. So offen und ehrlich, habe ich noch nie mit jemandem geredet. Nicht mal mit Harry.

BOAR BIN ICH STOLZ AUF DAS KAPITEL !

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