Kapitel 98 - Armselig am Boden

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Während Anne noch ihr Eis gegessen hat, habe ich versucht mir nicht anmerken zu lassen, wie traurig ich innerlich eigentlich bin und wie viel Mitleid ich für Harry fühle. Die Information, dass Gemma eigentlich tot ist, hat mich komplett aus der Bahn geworfen. Dieses schöne, blonde Mädchen auf den Bildern in Harrys Schlafzimmer ist tot und er muss damit umgehen. Er muss damit umgehen und er hat mir nichts davon erzählt.

Ich denke viel nach, während er mit Anne redet. Mir wird auf einmal so vieles klar. Er erzählte mir, dass er früher immer ins Krankenhaus gegangen ist, um jemanden zu besuchen. Er hat seine Schwester besucht... Sie war all die Zeit im Krankenhaus. So ist er also wirklich zu dem Lesen in der Kirche gekommen.

So hat er Tammy kennengelernt und ist dazu gekommen, ihr ein schöneres Leben zu bereiten. Vielleicht hatte seine Schwester es nicht und er will es besser machen können. Ich würde ihn gerne so viele Dinge fragen, doch das kann ich nicht, immerhin hat er mir nicht mal erzählt, dass seine Schwester gestorben ist.

Wieso hat er es mir nie erzählt? Wieso hat er mir nie die Wahrheit darüber gesagt, was hinter all dem steckt? Wieso muss ich ständig all diese Dinge durch Zufall rausfinden? Wieso ist er so? Wieso, wieso, wieso...

Und in der Nacht, in der Nacht, als er mich anrief, er mir sagte, dass er Angst hat davor Tammy zu verlieren. Er sagte, dass er das nicht kann... Nicht nochmal.

Jetzt versteh ich endlich. Jetzt versteh ich, wieso er das gesagt hat. Er kann nicht nochmal einen Menschen in seinem Leben sterben sehen, der eine Konstante in seinem Leben bildet. Er kann nicht nochmal jemanden in seinen Händen halten, ihr beim Bluten zusehen und nichts dagegen tun können.

Es muss ihn zerbrechen Tammy so zu sehen. Es muss grausam für ihn sein, all das nochmal durchzumachen.

Und jetzt weiß ich auch, was sein Vater meinte, als er sagte 'Die bringen mir meine Tochter auch nicht wieder zurück'. Seine Tochter, Gemma, ist gestorben und auch er muss damit klarkommen... Trinkt er deshalb?

"Raven, was sagst du?"

Ich schrecke leicht aus meinen Gedanken auf und sehe Harry an, der mich fragend anschaut.

Er runzelt die Stirn. "Alles okay?"

Ich nicke schnell. "Ja, alles okay. Was sagtest du?"

Mir entfällt nicht sein skeptischer Blick. "Wir wollen gehen. Oder willst du noch was essen?"

"Nein, ich bin satt."

Ich versuche zwar mir nicht anmerken zu lassen, wie es in mir aussieht, aber ich weiß, dass es mir nicht gerade gut gelingt. Es ist einfach zu viel zu verstecken. Ich war noch nie gut darin, meine Gefühle zu verbergen und ich werde es wahrscheinlich auch nie sein. Ich frage mich, wie Harry das hinbekommt, denn er muss ein wahrer Meister darin sein, all dieses Leid hinter dem schönsten Lächeln der Welt zu verstecken.

Die ganze Fahrt zu Harrys Wohnung habe ich kaum ein Wort geredet. Anne und er haben sich über das College und ein Urlaub in Irland unterhalten, den sie bald machen möchte. Ich habe nur mit halbem Ohr zugehört, denn meine Gedanken kreisen immer noch um Gemma. Mein Mitleid mit Harry ist enorm.

Harry hat Anne an ihrem Hotel rausgelassen, in dem sie momentan ist und sie hat sich mit einem leisen 'Lass ihn nicht im Stich' verabschiedet, das Harry natürlich nicht gehört hat.

Ich werde ihn nicht im Stich lassen, Anne.

"Ist wirklich alles okay?", fragt Harry, als wir in seiner Wohnung ankommen.

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