Kapitel 47 - Rede

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Ich spanne meinen kompletten Körper an, als sie aufsteht. Als würde mich die Spannung mich davor bewahren nicht sofort zu explodieren. Wenigstens ist ihr ekliges Grinsen von den Lippen verschwunden.

"Ely, bitte", sagt sie leise und kommt auf mich zu. Der Klang ihrer Stimme ekelt mich an und ich balle meine Fäuste.

"Komm mir bloß nicht zu Nahe", fauche ich und gehe einen Schritt zurück, "Und wage es dich nicht, mich Ely zu nennen."

Ihre Visage verfällt und sie sieht verletzt aus. Gut so. Meine Mutter bleibt auf der Stelle stehen und schaut auf den Boden. Sie widert mich an. Sie ist so alt geworden und so unglaublich hässlich. Ich kann sie nicht mal richtig anschauen, so viel Hass habe ich ihr gegenüber.

Ich sehe mit angestrengtem Blick zu meinem Vater. "Was soll das? Wieso ist sie hier?" Ich muss mich beherrschen nicht zu schreien.

"Ravely, bitte hör mir - ", wagt es meine Mutter zu sprechen.

"Sei still!", schreie ich aufgebracht. Sie soll bloß nicht reden, ich möchte ihre Stimme nicht hören. Ich richte mich wieder an meinen Vater: "Also sag mir wieso sie hier an unserem Tisch sitzt!"

Dad kommt einen Schritt auf mich zu, doch ich gehe einen weiteren zurück. Er atmet darauf tief ein und lässt die Schultern hängen. "Deine Mum hat - ", fängt er an, doch ich unterbreche ihn sofort.

"Nenn sie nicht so."

"Okay", seufzt er und fährt sich durch die Haare. "Margret hat mich vor Wochen angerufen und wollte wieder Kontakt zu uns aufbauen."

Ich kneife meine Augen zusammen. "Und das willst du?" Ich kann das gerade nicht glauben.

Er zuckt mit den Schultern. "Ich... Ravely, vielleicht ist das nichts Schlechtes. Es ist immer noch deine Mutter."

Ich schnaube verächtlich und sehe von ihm weg zur Wand. "Meine Mutter?" Ich lache. "Wie kannst du nur behaupten, dass diese Frau nichts Schlechtes ist? Wenn ich etwas gegessen hätte, würde ich sofort kotzen."

"Ravely, wenn du mir doch nur zuhö - ", mischt sich meine Mutter ein.

"Mit dir rede ich nicht!", brülle ich sofort. Unglaubwürdig halte ich mir die Hände an den Kopf und schließe die Augen. "Dad, du weißt, wie sehr ich sie hasse. O Gott, wie kannst du sie hier her bringen, nach allem was sie getan hat?" Ich versuche mich ein wenig zu beruhigen.

"Ich weiß, ich hätte es dir früher sagen sollen, aber ich wusste nicht wie", sagt er leise.

Ich öffne wieder meine Augen und sehe ihn an. Er sieht so verletzt aus. Aber das bin ich auch, also zeige ich kein Mitleid für irgendwen hier. "Ach glaubst du?"

"Hör ihr wenigstens einmal zu."

"Nein."

"Bitte, Ravely." Dad hat einen so flehenden Blick drauf, dass man meinen könnte, er würde jede Sekunde auf die Knie sinken und weinen.

Ergeben atme ich tief ein und sage: "Rede."

"Ich?", fragt die Frau im Raum.

"Natürlich, wer denn sonst?" Ich sehe sie nicht an.

"Okay", keucht sie. "Also Ravely... Ich weiß, ich habe so viele Dinge falsch gemacht. Nein, ich habe sogar alles falsch gemacht, was man nur als Mutter falsch machen kann und noch viel mehr. Und das tut mir unheimlich Leid. Ich denke so oft an dich, seitdem ich... seitdem ich euch verlassen habe und ich vermisse dich einfach. Du bist meine Tochter, Ravely und ich liebe dich, egal, was ich je getan habe. Du bist mein Fleisch und Blut. Es gibt so viele Dinge, die ich gerne bereinigen würde, aber dafür brauche ich einfach eine zweite Chance von dir. Du musst mich nur alles erklären lasse.  Es tut mir alles unglaublich Leid und ich bereue jede Sekunde, die ich nicht bei euch... bei dir war. Es tut mir so Leid." Zum Ende hat sie angefangen zu weinen.

Mir kommt die Galle hoch und ich muss mich beherrschen sie nicht vor ihre Füße zu spucken. Ich überwinde mich sie anzusehen. "Es tut dir wirklich Leid?"

Sie nickt mit glänzenden Augen. Sieht ja fast so aus, als würde sie denken, dass ich Mitleid mit ihr hätte. "So, so Leid."

"Gut. Du hast jegliches Leid verdient." Ich habe jegliche Spannung in meinem Körper verloren und ich fühle mich nur noch wie ein leeres Vakuum in diesem stickigen Raum. Diese Frau hier vor mir, hat keine einzige Emotion von mir verdient. Sie hat nichts verdient außer Leid. Schlimmes, schlimmes Leid. Ich beobachte, wie ihr Gesicht noch mehr verzieht und sie stärker anfängt zu heulen. Gott, sie ist so abartig. "Wie kannst du nur glauben, dass ich dir auch nur ansatzweise verzeihen kann? Du glaubst, du kommst hier einfach mit irgendeiner beschissenen Entschuldigung durch die Tür - die du wahrscheinlich schon seit Tagen einstudiert hast - und ich springe dir wie ein schwaches Lamm in die Arme? Du bist so erbärmlich, so etwas auch nur zu denken."

"Ravely!", mahnt mein Vater mich.

Ich sehe ihn nur unglaubwürdig an. "Was? Nimmst du sie etwa in Schutz?"

"Ich möchte nicht, dass du so redest. Auch, wenn es mit ihr ist. Du kannst sie nicht dein ganzes Leben lang hassen!"

"Kann ich nicht? Sag mir, wieso ich es nicht sollte. Diese Frau", ich zeige auf sie, als wäre sie irgendein wertloses Objekt, "hat uns durch die Hölle geschickt und du holst sie zurück? Wer bist du nur?" Ich schreie wieder.

"Diese Frau ist zufällig deine Mutter und jeder Mensch braucht eine Mutter, auch du!"

Ich lache. Ich lache laut. "Etwas wie sie hat kein Recht meine Mutter zu sein. Und sie ist nicht meine Mutter."

"Ist schon okay, Jared", schnieft meine Mutter. "Ich kann sie ja verstehen. Ich war eine schreckliche Mutter."

Ich schnaube wieder, verschränke die Arme und schüttle den Kopf. Dieses Wort Mutter bringt mich fast zum würgen.

"Ich werde jetzt nach oben gehen. Ihr beide solltet alleine reden", sagt sie leise und geht an mir vorbei ins Wohnzimmer.

Wehe, sie hat bei uns ein Zimmer, wehe, sie hat bei uns ein Zimmer!

Ich beobachte wie sie die Treppen hoch geht und verliere fast die Fassung, als ich sehe, dass sie in das Gästezimmer geht.

Noch mehr Drama!

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