Kapitel 29 - Langsam wird die Ausrede lahm

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Ich kann immer noch nicht begreifen, was sich gerade zwischen Harry und mir abgespielt hat. Wir saßen auf einem Boot. Haben der Sonne beim Untergehen zugesehen. Ich habe mich ihm ein wenig offenbart, hab sogar geweint! Und dann saßen wir da, umschlungen mit einer warmen Decke. Eigentlich wäre das in jedem kitschigen Roman der perfekte Moment für den ersten Kuss gewesen, aber Harry hat es nicht getan. Er hat nicht versucht mich zu küssen. Und ich denke, das ist gut. 

Ich muss an Harrys Vater denken und wie Susan geguckt hat, als sie Harry von ihm erzählt hat. Irgendetwas schien sie zu bedrücken. Ich würde es gerne wissen, aber nicht aus Neugier, sondern einfach, um etwas von Harry zu wissen, was vielleicht nicht jeder von ihm weiß und was mir mehr über ihn verrät. 

Aber ich habe - allein heute - noch einiges mehr von Harry kennengelernt. Ich hab sogar seinen Vater kennengelernt, der total nett ist. 

Ich betrete leise mein Zimmer und hoffe, dass Cate schon schläft. Es stellt sich dann aber schnell raus, dass mein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist, denn sie liegt auf ihrem Bett und schreibt etwas an ihrem Laptop. Sie hat eine Brille auf der Nase und ihre dunklen Haare zu einem unordentlich Dutt zusammengebunden. So habe ich sie ja noch nie gesehen. 

"Junges Fräulein", sagt sie ernst und zieht ihre Brille ab, als sie mich erblickt, "Wir haben halb zehn. Kann man dich etwa nie mit einem Kerl in ein Auto stecken, ohne, dass du einfach für Stunden verschwindest?"

"Cate, bitte nicht." Ich stöhne und lasse mich müde auf mein Bett fallen.

Sie grinst mich breit an, schiebt ihren Laptop vom Schoß und setzt sich an die Bettkante. "Erzähl mir sofort, was ihr getrieben habt."

Ich ziehe meine Augenbraue hoch und sehe sie erstaunt an. "Deine Laune scheint sich ja in den letzten Stunden ganz schön gebessert zu haben."

Sie zuckt mit den Schultern. "Ich hab gemerkt, dass es sich nicht lohnt ihm hinterher zu heulen. Neben einem Professor hab ich mich eh immer total dumm gefühlt."

"Okay." Ich gehe zu meinem Schrank, um mir Schlafsachen rauszuholen. 

"Also? Jetzt erzähl schon!" 

Ich ziehe ein Shirt von meinem Dad aus dem Schrank und schmeiße es auf mein Bett. "Wir waren nur noch kurz am See." Ich ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf. 

"Am Silverlake?" 

"Ja." 

"Und habt ihr euch geküsst?", sagt sie aufgebracht und wippt auf ihrem Bett rum. 

Ich fühle mich wie als würde gerade ein Teenager vor mir sitzen. 

"Nein, haben wir nicht. Ich sagte doch, dass da nichts läuft." Ich lege mich erschöpft ins Bett.

Cate verschränkt die Arme und zieht eine Augenbraue hoch. "Rave, langsam wird die Ausrede lahm." 

Soll ich wirklich davon erzählen? Ich meine, Cate hat mir auch sofort von Cam erzählt und sie ist wirklich offen mir gegenüber. Und vielleicht kann ihr durch sie noch mehr über Harry herausfinden, immerhin kennen sie sich schon lange.

"Wir waren halt am See..", erzähle ich und starre an die Decke. "Und haben geredet. Aber wir haben uns nicht geküsst." 

"Geredet? Worüber?"

"Nur belangloses Zeug" , gähne ich. Cate muss nicht wissen, was ich ihm über meinen Ex-Freund erzählt habe. Noch einmal möchte ich das nicht erzählen müssen. 

"Aber du stehst auf ihn."

Ich verschlucke mich an meiner Spucke und krächze dann:"Ich mag ihn." 

"Er mag dich auch."

Mein inneres Ich macht einen Flick Flack mit dreifacher Schraube. 

"Hat er das gesagt?"

"Nein, aber ich kann es sehen. Ich bin Schriftsteller, ich hab ein Händchen für Gefühle."

"Okay." Mein Grinsen spricht wahrscheinlich Bände.

"Also gute Nacht, Rave", gähnt Cate und dreht sich um. "Und träum nicht zu viel von braunen Locken."

Ich verdrehe die Augen und schlafe ein. 

-

Mein Wecker klingelt um sieben Uhr dreißig und ich rolle mich - noch viel zu müde - aus dem Bett. Cate steht schon angezogen vor ihrem Spiegel, schminkt sich und wünscht mir einen guten Morgen. 

Nachdem ich mich geduscht, umgeogen und geschminkt habe, bin ich auch schon auf dem Weg zu meinem ersten Kurs - kreatives Schreiben. Sofort sind meine Gedanken bei Harry und ich freue mich noch mehr auf den Kurs. 

Allerdings verfliegt die Freude schnell, denn ich muss feststellen, dass er gar nicht da ist und ich trotte in die letzte Reihe, wo ich Liam sitzen sehe. 

Sein breites Grinsen, lässt meine Laune ein bisschen mehr steigen. "Ich dachte, ich setze mich heute mal zu dir", sagt er, als ich mich neben ihn setze. 

"Kein Problem." Ich lächle und hole meine Utensilien raus. "Ich finde es total cool, dass ihr alle so auf Literatur und so steht. Ich hätte nie gedacht, dass es noch so viele Menschen gibt, die sowas gerne machen."

"Na, ja, eigentlich schreiben auch nur Harry, Cate und ich. Niall und Louis sind eher so die Naturwissenschaftler. Und Joe arbeitet in der Autowerkstatt ihres Vaters."

"Hab mich schon gewundert, wieso ich sie nie auf dem Campus gesehen habe." 

"Ja, Joe hält nicht so viel von Schule. Für sie steht ihr Plan schon fest: Sie übernimmt später die Werkstatt ihres Vaters." 

Ich will gerade etwa sagen, werde aber von Professor Snow unterbrochen, der den Unterricht beginnt. 


Nach sechs weiteren Kursen, bin ich gerade wieder auf dem Weg in mein Zimmer, als mein Handy vibriert. 

Ich hab gestern beschlossen, meinen Geburtstag nächstes Wochenende schon zu feiern, weil es sonst einfach nicht gepasst hätte. Kannst du bitte, bitte schon nächstes Wochenende kommen? Ich vermisse dich so unheimlich und ich will meine beste Freundin an meinem Geburtstag dabei haben. Übrigens kannst du mich auch mal wieder anrufen. Scar. x 

Nächstes Wochenende schon? Seufzend tippe ich die Nummer von meinem Dad in mein Handy und rufe ihn an. Ich freue mich, dass ich ihn nächstes Wochenende schon sehen kann. 

"Jared Green", brummt er ins Telefon. 

"Dad, ich bins."

"Ach, hi Ravely!" 

"Ich will nur mal bescheid sagen, dass ich schon nächstes Wochenende vorbei komme. Scar hat mir gerade geschrieben, dass sie an dem Wochenende Geburtstag feiern will." Ich setze mich auf eine Bank neben einen großen Baum.

"Gar kein Problem, Schatz. Ich freue mich schon, dich endlich wieder zu sehen."

Ich lächle. "Ich mich auch, Dad. Ich muss aber jetzt wieder auflegen, ich fahr jetzt in die Stadt und kaufe noch schnell ein Geschenk für Scar."

"Okay, meld dich vorher nochmal. Bis dann!" 

"Tschau!" 

Ich lege auf und schreibe Scar, dass ich kommen werde. Ich frage mich, was Harry gerade macht. Wieso ist er heute nicht gekommen? Ist er krank? Gestern sah er eigentlich noch recht gesund aus. Kurz überlege ich, ihm einfach zu schreiben, entscheide mich aber dagegen. Ich will auf keinen Fall zu aufdringlich sein. 





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