Kapitel 71 - Du Held

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Ich kann nicht leugnen, dass ich mittlerweile ein klein wenig Mitleid für sie empfinde, während ich zusehe, wie sie die Scherben mit dem kaputten Bild aufhebt. Seufzend knie ich mich neben sie und helfe ihr die Scherben einzusammeln.

"Das musst du nicht tuen", schnieft sie und steht auf.

Ich packe mir eine letzte große Scherbe und folge ihr in die Küche. "Ist schon in Ordnung." Ich versuche nicht ganz zu barsch zu klingen, denn davon hat sie gerade schon genug abbekommen. Und außerdem habe ich nicht das Recht schlecht mit ihr umzugehen, denn immerhin hat sie Liam betrogen und nicht mich. Dennoch ist ihr Niveau auf der Skala der netten Mädchen deutlich gesunken.

"Doch. Ich hab deine Hilfe nicht verdient." Sie schmeißt die Scherben in den Mülleimer neben ihrem Herd und ich tue es ihr gleich.

"Da hast du Recht, die hast du normalerweise wirklich nicht verdient."

Sophia nickt und wischt sich eine weitere Träne von der Wange. Sie geht wieder ins Wohnzimmer und hebt das Bild auf. "Es ist nur... Ich kann doch nichts dafür, wen ich liebe, oder?"

Ich lehne mich an den Tisch. "Du liebst ihn also?", frage ich.

"Bruce ja", schluchzt sie und sieht auf das Bild. "Liam... nicht. Zumindest nicht mehr. Aber ich habe ihn wirklich geliebt."

"Wieso hast du dann nicht mit Liam Schluss gemacht? Das hätte uns und erst recht dir einigen Ärger erspart."

"Ich konnte es nicht. Ich konnte es einfach nicht. Liam hat sich ständig so um mich bemüht und hat alles getan, um mich glücklich zu machen... Ich konnte ihm nicht so das Herz brechen."

"Jetzt ist es wahrscheinlich noch mehr zerstört, als es gewesen wäre, hättest du ihm einfach die Wahrheit gesagt", sage ich.

Sie verzieht wieder ihr Gesicht und sofort fließen erneut Tränen ihre makellosen Wangen runter. "Ich weiß", flüstert sie. "Er hasst mich jetzt. Ich bin jetzt für ihn gestorben."

Ich stoße mich von dem Tisch ab und gehe zur Tür. "Liam ist ein Schreiber, Sophia. Wenn ein Schreiberling sich in dich verliebt, stirbst du nicht", zitiere ich Elizabeth und lasse sie schluchzend in ihrer Wohnung zurück.



Bei Harry's Auto angekommen, finde ich auch schon einen weinenden Liam auf dem Rücksitz vor.

Harry lehnt an den Auto und scheint auf mich zu warten. Oder er kann sich einfach Liam's Geheule nicht mehr anhören. "Er nimmt es besser auf, als ich dachte", lacht er, als mich zu ihm stelle und Liam durch die Scheibe betrachte.

Ich hebe die Braue. "Besser? Was hattest du denn erwartet?"

"Na ja, er hat mich nur zwei mal Wichser genannt und war sofort still, als ich ihn ins Auto gesetzt habe."

Ich schmunzle und gehe um das Auto herum. "Wenn es sonst nichts ist."

Im Auto erwartet uns auch schon lautes Männergejaule von Liam. Er heult tatsächlich so laut, dass es sich von außen wie ein angeschossenes Wildschwein anhört.

Während der Fahrt zu seiner Wohnung kommt ab und zu mal ein "Womit habe ich das verdient?" oder "So ein verdammtes Miststück", ansonsten heult er einfach weiter vor sich hin. Harry und ich haben es schon aufgegeben auf ihn einzureden, denn es scheint zwecklos zu sein. Entweder er beleidigt einen oder ignoriert uns komplett. Dann bin ich doch eher für das Zweite und schweige den Rest der fahrt über.

"Danke", schnieft Liam, als wir vor seinem Apartment parken und er aussteigt. Ohne eine Antwort von uns abzuwarten schmeißt er einfach die Tür zu und stampft davon.

"Wenigstens hat er die Kraftausdrücke weggelassen", lacht Harry und fährt wieder auf die Straße.

Seufzend lehne ich meinen Kopf an die Fensterscheibe. "Ich kann es immer noch nicht glauben, was sich gerade abgespielt hat. Ich dachte, dass Liam die ganze Wohnung zerlegen würde."

"Das dachte ich auch. Hätte er wahrscheinlich auch gemacht, wenn ich ihn nicht rausgebracht hätte."

"Du Held", grinse ich. "Ich bin aber froh, dass die Sache endlich aus der Welt geschafft ist. Das hat mich echt genervt, ihm nicht die Wahrheit sagen zu dürfen."

"Das hab ich gemerkt", lacht er. "Ich hatte kurz das Gefühl, du würdest Sophia um den Hals springen."

"Das hatte ich auch kurz. Ich dachte ernsthaft, ich komme vom Glauben ab, als sie angefangen hat alles zu leugnen. Aber lass uns jetzt nicht mehr darüber reden."

"Okay. Was machen wir jetzt noch? Oder willst du zum Campus? Ich kann mir vorstellen, dass du dich mal umziehen möchtest."

Harry hat Recht. Mit den Klamotten rumzulaufen, in denen man auch geschlafen hat, ist wirklich kein angenehmes Gefühl, aber ich will noch länger bei Harry bleiben. Wenn er mich jetzt zum Campus fährt, wird er wahrscheinlich nach Hause gehen und ich werde den restlichen Tag allein verbringen.

"Du kannst dich ja bei dir umziehen und wir fahren wieder zu mir, wenn du möchtest", scheint Harry meine Gedanken zu lesen. "Oder wir gehen etwas Essen oder so. Ich habe unheimlichen Hunger."

Ich muss lächeln. "Ja, so machen wir das."

"Okay", lächelt Harry und steuert die ZOS an.

-

"Wow, Rave, du lässt dich auch mal wieder blicken", sagt Cate, als ich ins Zimmer reinkomme. "Und Harry ist auch dabei. Welch Überraschung."

"Auch dir Hallo, Cate", sagt Harry.

Ich verdrehe die Augen und schließe die Tür hinter uns. "Wie gehts deinen abgestorbenen Samenzellen?"

"Ach halt die Klappe", lacht sie. "Ich hoffe, du hast mein Auto mitgebracht."

Ich klatsche mir mit der Hand an die Stirn und lasse mich auf mein Bett fallen.

"O Rave, das ist jetzt nicht dein Ernst. Ich brauch das! Ich will zu Andy."

"Sorry", sage ich kleinlaut und gehe zu meinem Schrank, während Harry sich auf mein Bett setzt. "Spätestens morgen bekommst du es sicher."

"Wieso erst morgen? Harry kann dich doch gleich einfach mitnehmen und du fährst damit zurück." Sie scheint kurz zu überlegen und bildet dann ein O mit ihrem Mund. "Ich verstehe schon. Du hast nicht vor heute nochmal zurück zu kommen, huh?" Sie wackelt mit ihren Augenbrauen.

Ich werde knallrot. Muss sie das so vor Harry sagen?

Harry scheint die ganze Situation aber reichlich zu amüsieren, denn er grinst breit.

"Weiß ich noch nicht", sage ich kleinlaut und ziehe ein T-Shirt mit Sweatshirtjacke aus meinem Schrank.

"Alles klar", lacht Cate und wendet sich wieder ihrem Laptop zu. "Dann muss Andy mich eben abholen."

"Liam hat eben auch mit Sophia Schluss gemacht", lässt Harry sie wissen.

Cate's Reaktion fällt dennoch resignierter aus, als ich dachte. Ich hatte eher erwartet, dass sie kreischend vom Bett fällt und sich entsetzt die Haare rausreißt.

"Gott sei Dank. Ich mochte Sophia kein Stück", sagt sie aber nur und gluckst.

Ich hebe die Brauen. "Tatsächlich?"

"Ja, würde mich nicht wundern, wenn sie ihm fremd gegangen ist."

Harry und ich sehen uns baff an.

"Ist sie", sage ich.

"Wusste ich es doch. Sie ist dafür bekannt, ihre Freunde zu betrügen. So hat sie schon einigen Typen das Herz gebrochen, jetzt ist es eben unser Liam."


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