Kapitel 52 - Ely?

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Es tutet lange. Ich kaue mir nervös an den Fingernägeln. Vielleicht schläft er ja schon. Unwahrscheinlich, es ist Freitag und gerade mal halb elf.

"Abendservice, Harry Styles. Wie kann ich ihnen behilflich sein?", sagt er ins Telefon.

Sofort habe ich wieder ein breites Grinsen im Gesicht. Allein der Klang seiner Stimme hebt meine Laune. "Ich brauche jemanden, der meinen nach Hause Weg interessanter gestaltet."

"Stet's zu Diensten. Wir haben gerade mal halb elf, was ist das denn für eine megacoole Party gewesen?" Er lacht.

Ich seufze. "Eine richtig megacoole. Scar war schon von Anfang an total betrunken."

"Und deshalb wurde die Feier abgebrochen?"

"Nein, sie läuft noch. Ich habe sie ins Bett gebracht und habe mich dann aus dem Staub gemacht, nachdem sich ihr Freund wie ein komplettes Arschloch verhalten hat."

"Wow, er muss ein ganz schönes Arschloch gewesen sein, dass du sowas wie Arschloch sagst."

"Er ist wirklich ein ganz schönes Arschloch."

"Was hat er gemacht?"

"Er hat sich einfach erlaubt mich auf ekligste Art und Weise anzumachen, als Scar den Raum verlassen hat. Ich meine, - mal davon abgesehen, dass er ihr Freund ist - kann er doch nicht von mir erwarten, dass ich auf so Sprüche wie 'Du bist Schriftstellerin, das macht dich so heiß.' oder 'Du kommst so privilegiert rüber', anspringe, oder? Das ist einfach - "

"Absolut lustig", lacht Harry laut.

Ich runzle verärgert die Stirn. "Was ist daran lustig? Das ist Scar's Freund."

"Das Lustige daran ist, dass privilegiert ein Synonym für etwas ist, wenn jemand besondere Rechte hat, die sonst niemand hat. Was wollte er also damit ausdrücken? Hm - ich nehme an, er wollte dir anbieten mal eine Runde mit seinem teuren Sportwagen zu fahren."

Kurz denke ich darüber nach, lache dann aber laut. "O man, ist das bescheuert."

"Sowas von bescheuert. Und hat Scarlett ihm wenigstens danach die Leviten gezeigt?"

"Sie hat es nicht mitbekommen. Danny hat sie angelogen und ich habe einfach mitgespielt, weil ich keinen Aufstand machen wollte."

"Bei so einem Idioten wird sie wahrscheinlich sowieso früh genug merken, dass er keine helle Leuchte ist und von alleine Schluss machen."

Ich muss grinsen, weil ich genau das gleiche auch zu Danny vorhin gesagt habe. "Denke ich auch. Was hast du heute so gemacht?"

"Nachdem du gegangen bist, bin ich ins Krankenhaus zu Tammy gefahren und habe noch meine Schwester besucht. Dann bin ich Heim und habe bis eben - bevor du angerufen hast - geschrieben."

Ich schmunzle. "Worüber schreibst du?"

"Das erfährst du nächste Woche, wenn wir in der Kirche sind."

"Stimmt, ich wurde ja eingeladen mitzukommen."

"Tammy fährt echt total auf dich ab. Ich kann mir echt nicht erklären, was du mit ihr gemacht hast, als ich mich um Elizabeth gekümmert habe."

"Das weiß ich auch nicht", lache ich und laufe in den Hof meines Hauses.

"Wie war dein Freitag sonst so im guten Aldbury?"

Ich schließe die Tür leise auf und schließe sie genau so leise hinter mir. "Warte mal, ich muss mich kurz in mein Zimmer schleichen."

Harry lacht leise. "Okay."

Ich streife mir die Schuhe ab, halte mir aber immer noch das Handy an mein Ohr, um Harry's Atem hören zu können. Leise gehe ich die Treppen hoch und hoffe, dass ich Margret und Dad nicht aufwecke. Obwohl es mir bei Margret egal wäre, ich will ihr nur nicht begegnen. Ich will gerade meine Zimmertür öffnen, da höre ich eine leise Stimme hinter mir.

"Ely?"

Ich drehe mich nach rechts und sehe Margret, wie sie ihren Kopf durch die Tür steckt und mich ansieht. Na, toll, das hat mir gerade noch gefehlt. Ich beachte sie nicht und öffne meine Tür.

"Ely, bitte warte kurz."

Ich versteife mich und halte die Luft an. Ich will nicht, dass sie Dad aufweckt, deshalb sehe ich sie an und warte bis sie etwas sagt.

Sie kommt zu mir getappt und mir fällt auf, wie verschlafen sie aussieht. Ihre Haare sind total durcheinander und sie hat weite Augenringe. "Können wir bitte reden?", flüstert sie durch die Dunkelheit und mit einem Sicherheitsabstand von ungefähr zwei Metern. Ihre Stimme ist flehend und kratzig.

"Nein", sage ich reichlich unfreundlich.

Margrets Gesicht verfällt noch mehr als vorher und sie lässt ihre Schultern hängen. "Ely, bitte nur noch einmal. Ich möchte dir so viele Dinge erklären."

Ich ziehe meine Brauen zusammen und sehe sie abschätzend an. "Hör auf mich so zu nennen", sage ich leise durch zusammengepresste Zähne. Ich hoffe, dass Harry das alles nicht hören kann. "Und nein, ich werde nicht mit dir reden."

"Es tut mir Leid..."

"War's das? Ich würde gerne schlafen gehen."

Margret nickt betroffen und schleift wieder langsam zu ihrer Zimmertür. "Schlaf gut... Ravely." Zum Ende hin hat sie sich angehört, als würde sie weinen. Soll sie doch weinen. Ich habe jahrelang geweint.

Ich atme tief ein und gehe in mein Zimmer. "Da bin ich wieder", sage ich in mein Handy.

"Raven, wer war das denn?" Harry klingt absolut nicht mehr belustigt.

Ich schalte Harry auf Lautsprecher und ziehe mich aus. "Niemand von Bedeutung."

"Niemand von Bedeutung? Das klang aber anders. Sie klang sehr... traurig."

"Der Schein trügt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Satan sowas wie Trauer empfinden kann."

Kurz herrscht Stille in der Leitung. "War das deine Mum?"

Ich gehe zu meinem Schrank und ziehe ein Shirt meines Vaters heraus. "Das war die Frau, die mir das Leben schenkte, ja."

Ich höre Harry tief einatmen und er sagt dann: "Möchtest du darüber reden?"

Nachdem ich mir das Shirt übergezogen habe, halte ich mir das Handy wieder an das Ohr und schalte das Licht aus und lege mich ins Bett. "Ich weiß nicht. Ich glaube nicht."

"Hast du denn mit Scar darüber geredet?"

"Nein, wie denn auch?"

"Dann rede jetzt mit mir darüber."

Ich decke mich zu und starre an die Decke. "Wieso? Was würde das bringen?"

"Du kannst nicht ständig alles in dich reinfressen. Ich bin hier und du kannst mit mir darüber reden. Glaub mir, danach fühlst du dich befreiter."

Ich seufze und beiße mir auf die Wange. Ich denke, er hat Recht. Vielleicht kann er mir ja sagen, wie ich damit umgehen soll, dass sie wieder da ist und mein Vater sich so gut mit ihr versteht.

Also erzähle ich ihm davon, wie ich nach Hause gekommen bin und meine Mutter am Esstisch saß und mich angrinste. Wie sie sich bei mir entschuldigt hat und geweint hat. Ich erzähle, wie mein Vater sie in Schutz genommen hat und ich am Ende nur noch für mich allein kämpfte. Davon, dass sie ein Zimmer bei uns hat und ich sie vorhin mit meinem Vater kichern hören habe, bevor ich zu Scars Party gegangen bin.

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