4. Kapitel

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"Wie war dein Tag Ave?", fragte meine Tante mich beim Abendessen. Immer wieder strich sie sich ihre schulterlangen braunen Haare hinters Ohr. Vergebens, sie fielen immer wieder nach vorne. Schmunzelnd zog ich eine Augenbraue nach oben. Sie sollte aufgeben, es immer wieder zu tun war sinnlos. Anstatt, dass sie sich mal eine Haarspange kaufte.

"Gut", antwortete ich ihr knapp, während ich in dem Stück Fleisch vor mir rumstocherte. Es gab eine Zeit, da konnte ich Essen nicht ausstehen. Einfach aus dem Grund, weil es mir Kraft gab und die wollte ich nicht. Ich hatte schon längst aufgegeben und brauchte nichts was mich am Leben hielt.

"Hast du dich schon ein wenig eingelebt?", versuchte sie weiter ein Gespräch aufzubauen. "Mhm, ich bin mit dem Longboard ein wenig herumgefahren und habe mich umgesehen. Das Armenviertel ist ganz schön heruntergekommen.", erwiderte ich, während ich ein paar Bohnen aufspießte.

"Ja, ist schlimm ich weiß. Aber was soll man machen. In gewisser Maßen sind sie ja selbst daran Schuld." Fassungslos sah ich sie an, während sich Wut in mir ansammelte. Ich sags euch, ich war kurz vor dem Explodieren.

"Sie sind SELBST daran Schuld!? Ist das dein Ernst!? Was kann man denn dafür wenn man dort reingeboren wird. Ohne medizinische Versorgung, ein zu Hause oder sogar genügend Essen!? Was kann man dafür, wenn man krank ist und nicht arbeiten kann. Erklärs mir, ich verstehe es nämlich nicht!" Mein Körper war energiegeladen, Adrenalin pumpte durch meine Adern und meine Augen strahlten vermutlich eine unheimlich starke Wut aus.

"Avery, schrei mich nicht so an. DU hast keine Ahnung von dem Leben und was es heißt hart arbeiten zu müssen.  Dir wurde Jahrelang alles nur hintergetragen, ohne auch nur einen Cent verdienen zu müssen. Aber meine Liebe, solange du unter meinem Dach wohnst, werden andere Seiten aufgezogen. Ich werde dafür sorgen, dass deine 'Freiheit' und deine Streiche ein Ende haben. Es mag sein, dass du das Erziehungslose Leben meiner Schwester genossen hast, aber nicht mit mir. Und jetzt geh nach oben in dein Zimmer. Morgen geht die Schule los und ich will, dass du dich benimmst. Wenn nicht, sieh dich vor."

"Drohst du mir?", provozierte ich sie. Sie konnte mir soviel sagen, wie sie will. Ich würde mich niemals daran halten. Sie konnte mich nicht einsperren, das konnte niemand. Lieber würde ich sterben.

"Leg es nicht drauf an Avery.", sagte sie ruhig, bevor sie auf die Tür deutete. Langsam stand ich auf, mein Blick provozierend. Bevor ich das Zimmer verließ drehte ich mich noch mal um und sah sie an. "Du hast mir gar nichts zu sagen Lissy. Du bist weder meine Mutter, noch gehörst du zu meiner Familie. Ich hab mich immer gefragt, warum Mum und Dad dich mieden, aber jetzt weiß ich es. Komisch wie anders ein Kind die Welt sieht, nicht wahr?" Mit diesen Worten verließ ich endgültig den Raum und knallte die Tür hinter mir zu.

Verkorkste Welt!

Morgen war mein erster Schultag auf der neuen Schule und ich war ungefähr so motiviert wie ein Faultier beim Klettern. Ein Blick aus meinem Fenster, zeigte mir, dass die Sonne gerade unterging. Perfekt!

Ich zog mir einen schwarzen Hoodie sowie eine schwarze Leggins an, schnappte mir mein Longboard, setzte meine Sonnenbrille auf den Kopf und kletterte dann durch das Fenster aus dem Haus. Jetzt fragt man sich bestimmt: Warum nimmt sie nicht wie jeder normale Mensch die Tür? Tja, warum einfach, wenn es auch schwer geht. Wenn ich es immer so machen würde, wäre mein Leben doch langweilig. Außerdem hatte ich wenig Lust, dass meine Tante mich unten im Keller einsperrt und mich dann für immer dort verrotten lässt. RIP an meine Freiheit.

Der Weg bis zum Strand war kurz. Ein paar Hundert Meter und ich konnte, das in der untergehenden Sonne, sich spiegelnde Meer erkennen. Ein Lagerfeuer knisterte am Strand und mehrere Jugendliche feierten mit Bierflaschen und Musikbox eine kleine Party. Süß, und morgen früh würden sie es bereuen stockbesoffen ins Bett gefallen zu sein. Lustig, dass ich eine von ihnen sein werde.

"Hey Süüüüße, Lust auf ein Bierchen?", lallte mich irgend so ein randvoller Typ an. "Hey Süüüüßer, Lust auf ein Arschtritt?", rief ich, verpasste ihm einen Schnipser gegen die Nase und ließ ihn dann heulend am Strand liegen. Warum der Typ jetzt flennte, wusste ich auch nicht. Manche Leute waren besoffen einfach viel zu sensibel.

Eine Gruppe Jungs saß auf ein paar Holzbalken am Lagerfeuer und rauchte. Ich pflanzte mich neben einen von ihnen, klaute mir einen Joint und zog einmal kräftig daran. "Hey Kleines, das ist nichts für kleine Mädchen.", sprach mich der Typ neben mir an. Zugegebener Maßen, schlecht sah er nicht aus. Dennoch war er nicht mein Typ. "Na man gut, dass ich kein kleines Mädchen mehr bin! Aber ist nicht für kleine Jungs wie dich schon längst Schlafenszeit?", erwiderte ich frech und gab ihm seinen Joint zurück. Langsam trat die Wirkung auch bei mir ein und ich wurde lockerer.

"Wie heißt du?", fragte mich ein braunhaariger, gut gebauter Junge, der mir gegenüber saß. "Ave und ihr?" "Schön dich kennenzulernen Ave. Ich bin Max, das ist Ashton, Jack, Dylan und Dakota.", erklärte er mir und zeigte auf die jeweilige Person.

Ashton hatte dunkelblonde Haare und blaue Augen, Jack schwarze Haare und grüne Augen, Dylan braune Haare und blaue Augen und Dakota, der neben mir saß ebenfalls braune Haare mit blauen Augen.

"Gib mal die Vodkaflasche her.", befahl ich Ashton, der sie mir zögerlich gab. Ich trank einige Schlucke und sofort brannte der Vodka in meinem Hals und ließ eine angenehme Wärme in mir zurück. Hach, Alkohol war wirklich was feines. So schädlich er auch sein mag.

"Woher kommst du Ave?" Fragend schaute Dakota mich an. "Malibu" "Die Stadt der Reichen, sieh mal einer an. Und, lebst du auch in einer dieser Protzvillen direkt am Strand?" Machte er sich etwa über mich lustig? "Nicht direkt am Strand, aber ja."

"Muss toll sein dort zu Leben.", träumte Dylan vor sich hin. "So toll ist es nicht, glaub mir. Reich sein wird überbewertet." Ich setzte die Vodkaflasche erneut an und gab sie dann wieder Ashton zurück, der mich musterte. 

"Du musst wissen, Dylan träumt schon seit er klein ist davon einmal als Star in Malibu zu leben.", klärte er seine kleinen Schwärmereien auf. Ich nickte verstehend. Viele träumten davon, sahen nur das viele Geld und die schönen Abende am Pool der Villa, während die Sonne untergeht. Aber niemand sah, wie sehr ein dieser Weg zerstörte. und zerstören wird. Wer reich und Erfolgreich sein will, muss meist mehr aufgeben, als er bekommt. 

Während die Sterne über uns um die Wette glitzerten und das Feuer vor sich hinknisterte, rauschte das Meer hinter mir in meinen Ohren. Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf. Schlechte Idee, denn jetzt waren die Sterne nicht nur am Himmel, sondern auch vor meinen Augen. Halleluja, schade, dass es keine Sternschnuppen waren.

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt