Tränen flossen aus meinen brennende Augen und tropften auf meine Hände und den Brief. Schluchzer erfüllten die Stille und ich legte verzweifelt eine Hand über meinen Mund. All das Eis in mir war niedergebrochen und drückte schmerzhaft in jeden Teil meines Körpers.
Der unerträgliche Schmerz schnürte mir die Luft zum Atmen ab. Jeder Atemzug tat mehr weh. Jedes Mal drückte sich das Eis stärker in meine Lunge. Jedes Mal nahm mir der Schmerz ein wenig mehr Raum zum Atmen.
Ich sah nur noch verschwommen und konnte nicht glauben, was ich eben gelesen hatte. Mum hatte mir einen Brief geschrieben, als hätte sie geahnt, dass sie einmal sterben würde, bevor ich 18 Jahre alt werde. Sie hatte ihn in einer Kiste versteckt in der Hoffnung, dass ich sie genau heute finden würde. Ich konnte es einfach nicht glauben.
Der Raum um mich herum schien immer enger zu werden. Die Wände kamen immer näher. Sie nahmen mir immer mehr Luft. Ich bekam immer weniger Sauerstoff. - Fing an schwer zu Atmen und mir vor Panik eine Hand auf den Brustkorb zu legen. Doch es wurde nicht besser. Nur noch schlimmer.
Mum hatte mich und die Jungs Jahre lang angelogen. Nur weil sie nicht wollte, dass ich wieder meine rosa-rote Brille trug? Nur um auszugleichen, was von Anfang an falsch gemacht wurde? Und hat deshalb in Kauf genommen, dass ich täglich mehr zerbrochen bin und immer weniger Kraft zum Leben hatte? Sie hatte riskiert, dass ich daran sterben würde in der Hoffnung mich stärker, selbstständiger und mutiger für die Welt dort draußen zu machen.
Doch so sehr ich sie dafür verurteilte, ich konnte sie weder hassen, noch die schlechteste Mutter der Welt nennen. Auch wenn ich niemals den selben Fehler machen würde, mein Kind jahrelang hinter einem Spiegel zu verstecken, nur um diesen von einen auf die anderen Tag abzureißen.
Die Wände kamen immer näher - sorgten dafür, dass sich die Kristalle immer stärker in mein Herz und in meinen gesamten Körper drückten. Sorgten dafür, dass der Schmerz von Sekunde zu Sekunde unerträglicher wurde.
Immer mehr Tränen traten aus meinen Augen, während die Panik in mir immer größer wurde. Ebenso das Zittern meiner Hände oder das immer größer werdende Verlangen, all meine Gefühle zu ertränken und nichts mehr zu fühlen.
Gesichter traten vor mich. Lissy, die mir sagte, ich solle endlich verzeihen, solle einfach vergessen was in der Vergangenheit geschehen war, solle einfach so tun, als wäre nichts gewesen und den Jungs fröhlich in die Arme fallen.
Ryan, wie er mich für Tracy stehen lies. Wie er mir Dinge zuschob, mich beschuldigte und mich schlecht machte, weil sie ihn blind gemacht hatte.
Selbst Alli, die mir erzählte wie gut die Jungs mich ersetzt haben. Alli, die so glücklich mit meinem Bruder war. So fröhlich.
Maci, wie sie vor mir stand und mir sagte, ich solle abschließen, vergessen und einfach neu anfangen. Ich solle weglaufen, auf niemanden hören und für sie weiterleben.
Mace, wie er so unendlich enttäuscht war. Mit diesem Ekel in den Augen, dieser Entgeisterung, diesem Schmerz, als würde er mich gar nicht kennen. Als wäre ich eine Fremde. Als wäre ich die schlimmste Person auf der Erde. Jemand, mit dem er nie wieder was zu tun haben wollte.
Kyle und Tyler, wie sie taten, als wäre nichts geschehen. Wie sie mich umarmten, als käme ich von einer langen Reise wieder, die nun zu Ende war.
Jace, wie er mir in die Augen sah und mich beängstigend gut verstand. Wie er mir Briefe und Nachrichten schrieb, wie er aus dem Fenster sah und an mich dachte. Wie er mich vermisste, sich aber doch nie traute in Kontakt mit mir zu treten.
Mum und Dad, wie sie glücklich bei den Jungs waren und mit ihnen feierten. Wie sie eine Familie waren, ohne mich zu sehen.
Mum wie sie den Brief schrieb.
Dad wie er das Lenkrad herumriss, als der LKW von vorne kam und es doch zu spät war. Wie er Mum ein letztes Mal in die Augen sah, bevor ihn die Schwärze in den Tod zog.Aber ich sah auch mich. Wie ich zusammengekauert in Jace seinem Zimmer saß und weinte. Wie ich schrie und mir wünschte ich könnte ihn wieder sehen. Wie ich mich fragte warum. Wie ich nichts verstand und an all dem Schmerz zerbrach. Wie ich auf der Brücke stand und zusammengebrochen bin. Wie ich mich und mein Leben nicht mehr ertragen konnte.
Ich schloss die Augen, doch sie verschwanden nicht. Ihre Stimmen in meinem Kopf wurden immer lauter, immer mehr und sie alle schrien völlig durcheinander. Kreuz und quer. Stimmen von allen Personen, die mir je etwas bedeutet haben. Erschöpft hielt ich mir die Hände auf die Ohren. - Wollte, dass die Stimmen aufhörten, doch sie wurden immer schlimmer. Immer lauter. Immer unerträglicher.
"GEHT WEG!", schrie ich, doch sie verschwanden nicht. "VERPISST EUCH!" Ich warf einen Gegenstand gegen die Wand, doch nichts passierte. Weitere, doch sie blieben. Ich schrie in der Hoffnung die Stimmen sie zu übertönen, doch nichts brachte etwas. Meine Schluchzer erfüllten die Stille, als ich mein Gesicht in meinen Händen vergrub und völlig zusammenbrach.
Ich war ihnen hilflos ausgesetzt. Niemand war da, der mir helfen konnte. Der mich befreien konnte. Denn ich war allein. Und ich war selber Schuld daran.
Tränen liefen aus meinen Augen, meine Sicht war verschwommen und ich sah keine andere Möglichkeit mehr als nach der Flasche neben mir zu greifen. Ich wollte doch nur, dass sie still sind! Wollte nur, dass diese Schmerzen endlich aufhörten. Endlich ein Ende fanden. Doch auch das Brennen des Alkohols konnte die Stimmen in meinen Kopf nicht lindern. Vielmehr hatte ich das Gefühl es wurde nur noch stärker. Dennoch trank ich weiter, hoffte, dass der aufkommende Nebel in mir so viel wie möglich verdeckte. Doch das tat er nicht. Der Alkohol war nicht stark genug.
Mein verschwommener Blick fiel auf die Schublade neben mir. Ich öffnete sie und holte den kleinen Beutel mit Joints heraus. Meine Hände zitterten so stark, dass ich es kaum schaffte die kleine durchsichtige Tüte zu öffnen und mir eine der kleinen Papierröhrchen hervorzuholen. Zittrig zündete ich sie mir an und hoffte, dass mich der Nebel endlich besser fühlen lies.
Doch kein Alkohol dieser Welt und keine Drogen konnten mich besser fühlen lassen, konnten den Schmerz in mir verschwinden lassen. Er saß zu tief. Tief in meiner Seele verankert.
Und er zerstörte mich.
Stück für Stück.
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Hold me - Heart of Ice
Novela Juvenil(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...