39. Kapitel

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Genervt von dem Geschrei der anderen legte ich meinen Kopf an das kühle Fenster des Busses. Ratet mal wessen Lehrer entschieden hat einen Kurztrip nach Malibu zu machen. Richtig meiner. Jetzt musste ich drei Tage mit den Vollidioten und Mädchen aus meiner Klassenstufe, sowie der über uns verbringen. 

Dagegen hatte ich nichts, nur die Tatsache, dass ich jetzt schon wusste wohin Jace, Kyle und Tyler gehen würden, machte mir zu schaffen. Wenn sie es auch nur wagen würden das Grundstück zu betreten, ich sag's euch, dann würden sie sich wünschen nicht auch nur mit dem Gedanken gespielt zu haben.

Die Musik dröhnte in meinen Ohren und ich ignorierte die unangenehmen Blicke auf mir. Das einzige worauf ich mich freute, war wieder Abends kämpfen zu können. Zwar ohne Mace, aber mit meinen gewohnten Feinden und meinem hart erarbeiteten Respekt. 

Apropos Respekt, ihr wollt nicht wissen wie der Direktor ausgerastet ist, als er meine kleinen Kunstwerke entdeckt hatte. Ich glaube ich habe eine Person noch nie so schreien gehört und einen so roten Kopf haben sehen. Eigentlich hätte man das Filmen müssen. Leider, wirklich leider konnte er nichts gegen mich machen, denn er hatte keinerlei Beweise mir gegenüber. Und als ich seine Frau und seine kleine Affäre erwähnt hatte war er dann auch wieder ganz still und schmiss mich wütend aus seinem Büro raus. 

Ruckartig hielt der Bus an und ich schaute auf. Scheinbar waren wir da, denn unsere Lehrerin faselte irgendetwas durch das Mikrofon, was ich aber recht herzlich ignorierte. Als dann alle ihre Sachen zusammenpackten und nach draußen gingen, tat es ihnen gleich und stellte mich etwas abseits von den anderen hin. 

Mrs. Cave kam auf mich zu und drückte mir einen weißen Zettel in die Hand. "Also Ave, hier hast du den Ablaufplan wann und wo wir uns treffen. Da du hier wohnst und deine Tante alles mit der Schule abgeklärt hat, darfst du bei dir zu Hause schlafen, aber das weißt du ja sicherlich schon. Aber ich warne dich, solltest du irgendetwas anstellen, dann bist du die erste die nach Hause fährt. Haben wir uns verstanden?" Ich nickte und schnappte mir meine Tasche und mein Board. Wie auch immer Lizzy es hinbekommen hatte, dass ich nicht wie die anderen in einem kleinen Hotel schlafen musste, sondern in meinem Haus, wusste ich nicht, aber ich dankte ihr dafür. Wer bezahlte auch für eine Wohnung, wenn man ein ganzes Haus hatte?

Die anderen sahen mir neidisch hinterher, während ich schwung nahm und zu meiner Villa fuhr. Ich genoss es durch die bekannten Straßen, welche ich vor einiger Zeit noch jeden Tag entlang gelaufen bin, zu fahren. Es gab mir ein Gefühl von zu Hause. 

Seufzend knallte ich die Tür hinter mir zu und lies mich erschöpft auf das große Sofa fallen. Der gewohnte Duft stieg mir in die Nase und ich kuschelte mich zufrieden in die vielen Kissen. Wie sehr hatte ich das nur vermisst. Mit geschlossenen Augen, genoss ich für einen Moment die gewohnte Stille.

Früher hatte dieses Haus vor Kindergelächter nur so gestrahlt. Es gab keinen Tag, an dem es Still hier drin war. Ich erinnerte mich noch an jenen, an dem ich realisiert hatte, dass keine der Stimmen je wieder in diesem Haus klingen würden. Es war, als wäre es erst gestern gewesen und doch war es schon einige Jahre her. 

Flashback

Das Haus, mit dem ich so viele schöne Erinnerungen verband, wirkte plötzlich so still - fast schon gespenstig. Nur meine leisen Schluchzer waren zu hören, sie schienen durch jedes Zimmer, durch jeden Flur und jede Ecke zu hallen und doppelt so laut zurückzukommen. Es schien kaum realisierbar, dass nun nie wieder etwas sein würde wie es war. Wie ein Albtraum, der nun nicht nur in meinen Träumen erschien, sondern jedes Jahr, jede Stunde, jede Minute und sogar Sekunde mein Leben begleiten würde. 

Ich wollte aufwachen, doch ich konnte es nicht. 

Ich sollte realisieren, doch ich wollte es nicht. 

Ich musste loslassen, doch ich weigerte mich. 

Mein Herz, mein Kopf, jede Faser meines Körpers. Alles hielt an ihnen fest. An meiner Familie, die mir soviel Schmerz und Tränen eingebracht hatten. Soviel Enttäuschung, so viel negatives. 

Ich sollte hassen und wütend sein, doch konnte ich nur eins. 

Lieben und Verzeihen. 

Flashback Ende 

Ich schloss kurz meine Augen, bevor ich mich erhob und über die sündhaft teure Glastreppe nach oben in mein Zimmer lief. Früher haben meine Eltern uns immer angemeckert, weil wir darauf hoch und runter gerannt sind, aber mal ehrlich. Wer kommt bitte auf die Idee eine Glastreppe in ein Haus mit vier Kindern zu bauen?

Zugegeben es war schon manchmal komisch eine dreistöckige Villa mit unzählig vielen leeren Zimmern zu haben, aber was sollte ich schon dagegen tun. Es war nun mal wie es war. Verkaufen konnte ich sie nicht. Niemals. Zu viele Erinnerungen hingen an ihr. Erinnerungen, die ich nie wagen würde aufzugeben. Nicht mal in meinen schlimmsten Albträumen. 

Der Weg in mein Zimmer erschien mir länger denn je. Seitdem ich in LA war und Jace und die anderen widergetroffen hatte erschien mir jede Bewegung, jeder Gegenstand, jedes Wort und jeder Ort wie ein erneutes Flashback. Jedes dieser Dinge schleuderte mich erneut in meine Vergangenheit zurück. 

Tief atmete ich ein und aus und versuchte die aufkommenden Erinnerungen zu unterdrücken, als ich in unserer Etage ankam. Früher gehörte dieser ganze dritte Stock uns Kindern alleine. Zwar mussten wir ihn auch selber putzen, aber dass war die Gegenleistung dafür, dass diesen Ort nie jemand betrat. Er war unser eigener Ort. Ein persönlicher Platz, der nur uns gehörte, etwas besonderes, das nur wir hatten, etwas das wir "Unser" nennen konnten.   

Heute gab es nur noch zwei Zimmer die ich betrat. Das eine davon nur, wenn ich Freunde hier hatte. Der andere Raum war mein Zimmer. Ich schloss die schwarze bemalte Tür auf und drückte die Kalte Türklinke runter, um den Raum zu öffnen. Noch vor sieben Jahren, war dieses Zimmer genau das Gegenteil von heute. 

Pink, Pink und nochmal Pink. Ein großes rosanes Himmelbett mit Plüschtieren und rosa Bettwäsche. Ein Prinzessinen Teppich auf dem Boden und eine Sammlung von glitzernden Kronen und Kleidern. Ein Puppenhaus mit jeder Barbiepuppe die es gibt und einer Filmsammlung voller Kinderfilme. 

Jetzt herrschte hier genau das Gegenteil. Die rosanen Vorhänge wurden durch schwarze ausgetauscht, das rosane Himmelbett durch ein schwarzes Boxspringbett  und die weißgestrichenen Wände waren mit Graffiti vollgesprüht worden. Statt Barbiepuppen stand nun ein riesiges Regal mit Sprühfarbe in einer Ecke inklusive eines Alkoholvorrats. Bilder von mir, Maci und Mace waren überall verteilt und die Boxhandschuhe, die mir mehr bedeuteten als mein Leben hingen in einer abgeschlossenen und feuerfesten Vitrine an der Ecke. Pokale meiner ersten legalen Boxkämpfe standen auf einem Regal über meinem Schreibtisch. 

Das Zimmer war die meiste Zeit dunkel, nur in der Nacht öffnete ich die riesigen und schweren Vorhänge, um nach draußen auf den Balkon zu treten. Meine Fenster waren riesig und ließen mich manchmal wie in einem Glaskasten fühlen. 

Mit ausgestreckten Armen und Beinen schmiss ich mich auf mein allerliebstes Bett und starrte mit einem undefinierten Blick auf meinen Schreibtisch, wo das Bild von mir und Maci im Tattoo Studio stand. Wir beide strahlten in die Kamera und zeigte stolz unsere Tattoos, die zusammen ein ganzes ergaben. 

Schwestern heute. Schwestern morgen. Schwestern für immer. 

Ich verdrängte den aufkommenden Schmerz und schloss meine Augen. Tausende Bilder schossen vor meinen Augen vorbei, bevor ein schrilles Geräusch ertönte, was mich verwirrt aufsehen lies. 

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt