Die Sporthalle war schon gut gefüllt mit Schülern. Jace saß mit Freunden auf einer der Bänke, während ich mich abseits der anderen auf den Boden setzte.
"Guten Morgen", rief unsere Sportlehrerin fröhlich, kam mit ihrer Kaffeetasse in die Halle spaziert und trug einen schwarzen Adidas Sportanzug. Ich schmunzelte, noch nie hatte ich solch eine Lehrerin gesehen. Sie war mir irgendwie jetzt schon sympathisch.
Sie schaute auf eine Bank und musterte die drei Mädchen und zwei Jungs darauf, die ohne Sportsachen da saßen. "Schon wieder Paralympics oder was.", gab sie frustriert von sich und sah dann in ein kleines Heft.
"So na dann bringen wir mal die Anwesenheit hinter uns." Sie blätterte eine Seite auf. "Devran Anderson?", rief sie den Namen auf und ein "Anwesend" kam von ihm zurück.
"Ryan Briant?" "Bin da", meldete er sich und so ging es weiter bis ein: "Jace Collin?", ertönte. Es blieb still und ich schaut verwirrt auf die Stelle mir gegenüber. Gedankenverloren starrte er auf den Boden und kaute dabei nervös auf seiner Unterlippe herum.
Devran der neben ihm saß stieß ihn an und riss ihn scheinbar aus seinen Gedanken. "Mhm?", fragte er sichtlich neben de Spur und war dabei anscheinend in einer anderen Welt. "Guten Morgen Jace, schön dass du auch einmal wach bist."
Sein Blick fiel auf mich und ich starrte ihm nur monoton und kalt in die Augen. Noch einige viele Namen wurden aufgerufen und ich war schon seit der Hälfte abgedriftet.
"Ohh, der Name ist mir ja ganz neu. Avery Collin?", sie schaute sich um und ich gab ein "Hier" von mir. Scheinbar hatte sie meinen Namen ganz ans Ende der Liste gesetzt, weil ich mitten im Schuljahr hierher kam. Verwundert blickte sie mich an und musterte mich. Dann lächelte sie. "Du bist also Avery.", meinte sie. "Ave", murmelte ich knapp.
"Na gut Ave. Herzlich Willkommen hier. Dein Nachname kommt mir bekannt vor. Sind du und Jace verwandt?" Ich starrte kurz hasserfüllt in die Richtung des Angesprochenen. "Nein", kam es eiskalt von mir und ich sah wie sehr ihn das verletzte. Aber er war nun mal nicht mehr mein Bruder und würde es auch nie mehr sein.
"Okey. So, während ich meinen Kaffee trinke dürft ihr euch jetzt 10 Minuten warmlaufen." Die Hälfte der Klasse stöhnte genervt auf, während ich mich ohne Worte in Bewegung versetzte und mein Tempo lief. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, während ich eine kleine Gruppe Mädchen überholte. Jeder der vier trug eine kurze, knappe und hautenge Hotpants inklusive BH ähnliches Spagetti top, was nur knapp ihre Oberweite bedeckte. Derweil bewegte sich deren Busen gefährlich beim Joggen, oder was auch immer die dort taten, auf und ab. Da musste man schon Angst haben, dass die Träger reißen würden und jeder in der Klasse einen Schock fürs Lebe bekam.
Ich dachte nicht länger drüber nach, sondern lief weiter die Zeit ab, darauf bedacht mein Tempo so gut wie möglich oben zu behalten.
Joggen war wie Freiheit für mich. Es tat nicht nur meinem Körper gut, sondern war ein guter Ausgleich zu allem anderen.
"Noch zwei Minuten, dann habt ihr es geschafft!" , rief unsere Sportlehrerin motivierend. Während alle anderen schon schnaufend aufstöhnten, holte ich nochmal alles raus und versuchte die letzten beiden Minuten durchzurennen. Kurz vor Ende ertönte plötzlich dann ein schrillen Schrei und ich drehte mich erschrocken um.
Ich konnte mich nicht mehr halten vor Lachen, als ich das Szenario vor mir betrachtete. Eines der Mädchen, ich glaube das welches mich letztens im Gang abgefangen hatte, starrte geschockt auf ihr kurzes Top, welches nun viel mehr einem Stofffetzten ähnelte.
Tatsächlich waren doch wirklich die Träger gerissen und nun hatte jeder, wirklich jeder freies Sichtfeld auf ihren knallpinken, mit Strasssteinchen besetzten Push-Up BH.
Mein Lachen schallte durch die plötzlich totenstille Halle und immer mehr stiegen mit ein, während das Mädchen nur knallrot anlief. "Ist doch nicht so schlimm haha. Ist ja nicht so, dass die halbe Schule dich noch nicht nackt gesehen hat.", lachte ich und sie starrte mich böse an. "Ave, schluss jetzt. Tiffany geh dich bitte umziehen und ihr anderen setzt euch an die Seite."
Ich verdrehte die Augen und Tiffany rannte knallrot und heulend aus der Turnhalle. Ihre Freundinnen schauten ihr nur geschockt hinter her und die anderen lachten vor sich hin. Unsere Sportlehrerin konnte scheinbar noch nicht so richtig realisieren was gerade passiert war und schüttelte dann ungläubig den Kopf.
"So, nach diesem kleinen... Vorfall. Baut bitte die Hochsprunganlagen auf. Es wird Zeit, dass ihr alle mal ein paar Note bekommt.", ein paar stöhnten genervt auf und erhoben sich dann um die Stangen aufzubauen. Während die Mitte 40 alte Frau zu mir kam.
"Okey Ave, da du mitten im Jahr zu uns gekommen bist und noch nicht so viel Übung wie die anderen hattest, ist es dir freigestellt, ob du heute gleich auf Note springen oder lieber erst noch üben möchtest." Unbeeindruckt sah ich sie an. "Ich probiere es gleich auf Note. Die 1.30 m zu springen ist jetzt ja nicht sonderlich schwer.", meinte ich schulterzuckend und sie nickte anerkennend.
Eine ganze Weile später lief ich mit zwei Einsen und schnellklopfendem Herzen aus der Sporthalle, um mich umzuziehen. Keine Sekunde später stand ein mir sehr bekanntes Mädchen neben mir und sah mich mit großen Augen an. Ich blieb mit hochgezogenen Augenbrauen stehen und sah sie fragend an.
"Kann ich dir helfen Ally?", fragte ich sie und sie nickte zögerlich. "Du und Jace seit doch Geschwister oder?", meinte sie zögerlich und traute sich scheinbar nicht mich anzuschauen. "Nein sind wir nicht.", erwiderte ich kalt und wollte weiter zu den Umkleiden gehen. Ich hoffte einfach, dass sie es dabei beließ, doch sie ignorierte meine abweisenden Worte.
"A-Aber ihr habt doch den selben Nachnamen, die selben Augen und das selbe Gesicht und Alter.", gab sie schüchtern und unsicher von sich. Mit einem undefinierbaren aber trotzdem durchdringenden Blick sah ich sie an und gab ihr somit zu verstehen wie ernst mir die folgenden Worte waren. Denn sie waren alles andere als nur ein bisschen hin - und hergerede ohne tiefere Bedeutung.
"Muss es wirklich Blut sein, das Familie ausmacht Ally?"
Diese wenigen Worte hatten soviel an sich, einen so starken und tieferen Hintergrund, eine Kraft, die die Sichtweise eines Menschen komplett verändern konnten, wenn man lange genug darüber nachdachte und akzeptierte, dass sie eines waren.
Die pure Wahrheit.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...