Erschöpft schlug ich die Tür hinter mir zu und lies mich an ihr runtersinken. Der Regen schlug heftig gegen die Fensterscheiben und ich glaub in diesem Moment überdachte ich nochmal mein ganzes Leben.
Ich war von Kopf bis Fuß klitschnass. Meine Haare klebten mir im Gesicht, meine Kleidung war wie eine zweite Haut und ich zitterte wie ein Aal. "Was ist denn mit dir passiert?" Jace kam plötzlich um die Ecke und sah mich verstört und entgeistert an. "Nichts!", erwiderte ich leicht aggressiv, worauf er abwehrend die Arme in die Luft hob. "Verpisst euch doch einfach meine Fresse!" Meine plötzliche Wut konnte ich selbst nicht richtig erklären. Wahrscheinlich war ich gerade einfach etwas überfordert mit der ganzen Situation.
Müde und leicht schwankend vor Erschöpfung und Müdigkeit erhob ich mich, um mich nach oben zu schleppen. Meine klitschnassen Schuhe schmiss ich achtlos in irgendeine Ecke und meine Schlüssel flogen gleich noch hinterher. Es war sicherlich schon drei Uhr nachts und ich wollte gar nicht erst daran denken, dass ich um sieben Uhr wieder aufstehen musste.
Wo ich war?
Zuerst wollte ich nur das Grab meiner Eltern besuchen, Blumen dort hin bringen und ihnen von meinem Leben erzählen. Ich wollte einen Moment nur mal etwas wie Gefühle an mein Herz lassen doch wie es nicht anders hätte passieren können, überkam mich plötzlich eine solch starke Wut, dass ich hätte Bäume ausreißen können. Verdammt, ich hätte mich selbst gegen eine Mauer aus Steinen schlagen können, nur um dieses erdrückend Gefühl loszuwerden.
Die Folge dieser Wut war, dass ich spontan und völlig unerwartet bei einem Straßenkampf war. Ohne jegliche Vorbereitung und einer Erschöpfung des Todes.
Was ich davon hatte?
Nun, ich hatte scheinbar so viel Wut und Enttäuschung in mir, dass ich meinem Gegner die Nase gebrochen hatte, er zahlreiche blaue Flecken und eine aufgeplatzte Lippe hatte, sowie Ohnmächtig wurde. Die Gegenleistung dafür war der blaue Fleck an meinem Wangenknochen und die dünne Schnittwunde an meiner Schulter. Woher sollte ich auch wissen, dass der Idiot plötzlich ein Messer zugeworfen bekam.
Gehabt hatte ich sowas bisher nur einmal, doch da war ich auch wesentlich ausgeruhter und aufmerksamer, sodass mir nichts passieren konnte.
- - -
Genervt stöhnte ich auf und schlug auf meinen Wecker ein. "Geh doch aus du blödes Ding.", grummelte ich mit Kopfschmerzen und seufzte erleichtert auf als er endlich aufhörte. Zufrieden kuschelte ich mich zurück in die weiche Decke und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
Nur noch 5 min, dachte ich mir.
Ja, 5 min. Das dachte ich mir zumindest denn keine Sekunde später ging mein Wecker wieder los und ich hielt mir mit einem frustrierten kleinen Schrei die Ohren zu.
Todmüde rollte ich mich aus meinem Bett, machte meinen Wecker aus und schleppte mich ins Bad. Ein Blick in den Spiegel genügte, um mir zu sagen, dass ich aussah wie eine Leiche und nicht mehr unter den Lebenden verweilte.
Unter meinen Augen waren dunkle, schwarze Schatten und tiefe Riefen, meine Wange schimmerte blau und an meiner Schulter klebte getrocknetes Blut. Wahrscheinlich hatte die Wunde über Nacht wieder angefangen zu bluten.
Schnell streifte ich mir die Sachen ab und stellte mich dann unter die heiße Dusche. Das Wasser brannte leicht auf meiner Haut, doch stören tat es mich nicht. Ganz im Gegenteil, es half mir dabei mich zu entspannen.
Eine viertel Stunde später trampelte ich die Treppen hinunter direkt in die Küche, um mir einen Kaffee zu holen. Doch sobald ich aufsah hätte ich mich am liebsten wieder umgedreht.
Stimmt ja, da war ja noch was.
Verzweifelt kniff ich meine Augen zusammen und massierte ich mir meine Schläfen. In meiner Küche standen drei halbnackte Jungs, die Pancakes machten und dabei die ganze Küche eingesaut hatten.
Genervt verdrehte ich die Augen und drängelte mich an ihnen vorbei zur Kaffeemaschine. "Guten Morgen Ave." Ich schenkte den Jungs einen vernichtendem Blick, worauf diese leicht erschrocken blickten, als sie bemerkten wie ich aussah. Ich trug nur eine kurze Stoffhose und ein Spaghettitop, wodurch man die Schnittwunde sehen konnte. "Was ist denn mit dir passiert?" Ich zuckte auf Tyler seine Frage hin mit den Schultern und nahm dann einen Schluck von dem flüssigen Gold.
Das tut gut.
"Avery, wir reden mit dir.", Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn an und lachte dann kühl auf. "Das juckt mich doch nicht. Es geht euch nichts an, was ich mache, geschweige denn wo ich mich rumtreibe. Die letzte fünf Jahre hat es euch doch auch nicht interessiert." Ich drehte mich um und nahm mir eine Schüssel sowie mein Müsli und Milch aus dem Schrank.
"Wir sind deine Brüder, wir machen uns Sorgen um dich.", Ich verschluckte mich an meinem Kaffee und fing an zu Husten. "War das grade ernst gemeint?", sagte ich mit kratziger Stimme und sah sie mit aufgerissenen Augen an. "Ich hab keine Brüder, vielleicht das kleine naive Mädchen von früher, aber nicht ich."
"Wie lange willst du uns denn noch hassen?" Verachtend schnaubte ich auf und sah sie ungläubig an. "Hassen? Ich verachte euch, ich verabscheue euch. Nicht nur dafür, dass ihr gegangen seit, dass ihr euch einfach verpisst habt, als wäre ich nie Existent oder von Bedeutung gewesen, dass ihr euch nie gemeldet habt, dass ich einfach nicht mehr wichtig war. Wisst ihr eigentlich wie beschissen es sich anfühlt, wenn man weiß, dass man nie geliebt wurde? Nein, ich hasse euch auch dafür, dass ihr mir diese verdammte rosa rote Brille aufgesetzt habt, dass ihr mich Jahrelang hinter diesem beschissenen Spiegel habt Leben lassen, dass ihr mich schwach gemacht habt! Das einzige was euch scheinbar wichtig gewesen ist, ist ein kleines unschuldiges Mädchen jahrelang zu belügen und es verletzlich und schwach in einer verdammten Welt aus Schmerz und Hass zurück zulassen. Sie hatte nichts, nichts woran sie sich hätte festhalten können.
Nichts!
Deswegen ist sie ertrunken, und gefroren. Niemand hat an mich gedacht und jetzt fragt ihr euch wie lange ich euch noch hassen will? Tja, die Antwort ist einfach. Nämlich für immer. Denn ich werde eins mein Leben lang tun.
Hassen statt Lieben.
Weil ihr es so gewollt habt."
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...