Eine unerträgliche Kälte breitete sich in mir aus. Das Glück und die Energie, die ich noch vor wenigen Minuten empfunden hatte, waren mit einem Mal verschwunden. Die ganze Last, schien mit einem Mal zurückzukommen. - Unerträglich schwer.
Ich stand unter Schock. Ich konnte kein Wort sagen. Mein Gehirn war wie leer gefegt und gleichzeitig waren da noch nie so viele Stimmen.
Von dem Leuchten in seinen Augen war nichts mehr übrig. Stattdessen war dort pure Wut und Enttäuschung.
"Sag mal geht es dir eigentlich noch gut? Spinnst du jetzt völlig?", schrie er mich wütend an. Ich konnte ihm nichtmal in die Augen sehen, ohne diesen angeekelten Blick zu sehen. Und das schlimmste, ich konnte es ihm nicht mal verübeln.
"Mace, bitte, lass es mich erklären.", sagte ich leise, nicht wissend was ich sagen sollte und wie er darauf reagieren würde.
"Was gibt es denn da noch zu erklären? Wie rechtfertigt du bitte, dass du dich scheinbar jedes Wochenende mit Alkohol zudröhnst und dich dabei durch die ganze Stadt fickst? Und neben bei rauchst du. Hast du vergessen, wie es Maci ging? Bist du scharf darauf auch irgendwann mal so krank wie sie zu werden?", erschrocken zuckte ich zusammen, als er mir die Schachtel vor die Füße warf. "Was ist aus dir geworden Avery. Wo ist das Mädchen, das ich mal kannte? Was passiert hier mit dir." Er war ruhiger geworden, dennoch kochte die Wut in ihm.
"Du hast doch keine Ahnung wie sich das alles für mich anfühlt Mace! Ich kann einfach nicht mehr! Diese ganzen Partys, der Alkohol und alles andere - Das hat mir irgendwie das Gefühl gegeben noch lebendig zu sein. Noch irgendwas zu fühlen.", sagte ich verzweifelt.
"Und du denkst, dass rechtfertigt dein Verhalten? Wie lange geht das schon so?" Mein Mund öffnete sich, doch es kam kein Ton daraus. Stattdessen fiel mein Blick nach unten auf die Erde. Ich schwieg.
"Verdammt, wie lange Avery!?" schrie er mich plötzlich an, als er mein zögern bemerkte. Erschrocken zuckte ich zusammen.
"Seit Maci's Tod.", meine Stimme war leise, aber dennoch hatte er es gehört. Erschrocken wich er mit einem ungläubigen, fassungslosen Blick ein Stück zurück. In seinen Augen lag dieser merkwürdige Blick. Als würde er mich nicht kennen. Als würde eine Fremde vor ihm stehen.
"Das hast du also das letzte Jahr gemacht. Ich fass es nicht!" Ungläubig schüttelte er den Kopf.
"Ich dachte, damit würde es besser werden. Ich dachte der Schmerz würde erträglicher werden. Aber das wurde er nicht.", sagte ich ehrlich und merkte wie sehr ich mich eigentlich selbst belogen hatte.
"Du hättest mich anrufen können! Ich wäre zu dir gekommen. Denkst du, es ging mir besser? Denkst du, ich habe gelernt damit klarzukommen? Denkst du es ist leicht für mich frühmorgens aufzuwachen und erneut zu realisieren, dass sie nicht mehr da ist?"
Schweigend traute ich mich meinen Blick zu heben. Ein flaues Gefühl breitete sich in mir aus. Das Kribbeln in meiner Nase stieg nach oben in meine Augen und das erste Mal seit Jahren spürte ich, wie sich aus dem Brennen in meinen Augen Tränen entwickelten. Das erste Mal seit einer Ewigkeit. Das Gefühl war genauso ungewohnt und überwältigend wie das, was ich noch vor einigen Minuten empfunden hatte.
Genauso beängstigend.
Genauso schmerzhaft.
Genauso schön.Ich versuchte erst gar nicht sie zu unterdrücken. So viel Hass und Verachtung lag in seinen Augen. Soviel, was mir bewusst machte, dass ich es selbst zu verantworten hatte. Dass ich all seine Wut und all den Schmerz verdient hatte. Soviel, dass mich mich selbst hassen ließ.
Ich wollte auf ihn zugehen, ihm zeigen, dass es mir unendlich leid tat, doch er hielt mich schon bei dem kleinsten Schritt auf.
"Fass mich nicht an Avery! Ich hab keine Lust mehr auf deine ganzen Erklärungen, auf deine ewigen Lügen und deine leeren Versprechen dich zu ändern. Weißt du was? Verpiss dich einfach! Ich will dich nie wieder sehen!" Jedes seiner Worte schmerzten mehr als tausend Messerstiche tief in meinem Herz.
"Bitte Mace, ich brauche dich!" flehte ich ihn an, meine Augen verschwommen von Tränen, die sich langsam bildeten.
"Immer nur du! Du hast alles verloren, dir geht es schlecht, du kannst nicht mehr! Es geht immer nur um dich. Weißt du eigentlich wie es mir geht? Ich habe auch nichts mehr, keine Eltern und nicht mal mehr meine Schwester! Und trotzdem interessiert dich das doch einen Scheiß. Ich hab versucht dir zu helfen, hab deine Probleme über meine gestellt. Aber ich kann nicht mehr, ich hab das alles satt. Ich kann das nicht mehr ertragen, dass alles umsonst ist, dass du dich nur für dich interessierst! Dass du immer nur an dich denkst."
Das Eis in mir brach, all mein Schutz, alles was ich mir aufgebaut habe, wurde zerstört und es war alles meine Schuld. Er hatte Recht. Er sagte die pure, schmerzhafte Wahrheit. Ich wollte immer für ihn da sein, aber ich wusste nicht wie.
"Und weißt du was? An deiner Stelle wäre ich froh meine Geschwister wieder zu haben, wäre froh meinen Zwilling bei mir zu haben, aber nur du hast diese Chance. Und du nutzt sie nicht, weil du dir selbst im Weg stehst, weil deine verdammte eisige Kälte und dein scheiß Ego dir im Weg stehen! Mag sein, dass du all das nicht verdient hast, aber genauso wenig hast du deine Geschwister verdient." Ich hatte aufgehört zu atmen. Seine Worte wiederholten sich immer und immer wieder in meinem Kopf.
"- genauso wenig hast du deine Geschwister verdient"
Eine unangenehme Stille hatte sich zwischen uns ausgebreitet. Mit glänzenden Augen starrte ich wie erstarrt auf eine Stelle, während sich alles zu drehen begann. Seine Stimme wiederholte sich immer und immer wieder. Ohne Ende. Und sie machte mich verrückt.
"Ich denke es ist besser, wenn du jetzt gehst Avery." , sagte er leise. Die erste Träne verließ mein Auge, als er den Blick abwand, sich umdrehte und in seinem Zimmer verschwand.
Ich unterdrückte mein schluchzen und die anderen Tränen, die meine Augen verlassen wollten, drehte mich um und verließ mit zitternden Körper Mace seine Wohnung. Ohne zurückzublicken, rannte ich so schnell ich konnte die Treppen nach unten zu meinem Auto.
Adrenalin rann durch meinen Adern, als ich meinen Kopf verzweifelt auf das Lenkrad fallen ließ und meine ganzen Gefühle aus mir herausschrie.
"Fuck, Fuck, Fuck!!!", wütend auf mich selbst schlug ich mit der flachen Hand auf das Lenkrad ein und legte dann verzweifelt und erschöpft meinen Kopf auf dem schwarzen Lenkrad ab.
Und dann geschah es.
Die ersten Tränen flossen aus meinen Augen, über meine Wangen und Lippen bis zu meinem Kinn, gefolgt von einem unaufhaltsamen Schleier, der mein Gesicht bedeckte. Schluchzer durchzuckten meinen Körper, die nur einen Teil des Schmerzes ausdrückten, den ich gerade empfand. Ich konnte einfach nicht mehr.
Mace hatte recht, ich war egoistisch. Ich dachte nur an mich und hatte nie gemerkt, wie schlecht es ihm ging. Ich war immer nur auf mich fokussiert, nie auf ihn - meinen besten Freund. Und nun hatte ich ihn verloren, den einzigen Menschen, den ich noch hatte.
Und alles war meine Schuld.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...