Schweißgebadet schreckte ich hoch und blickte mich erschrocken um. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und jeder Schlag schnürte mir die Luft ein wenig mehr ab. Tief atmete ich durch, als ich merkte, dass ich mich in meinem Zimmer befand. Ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht und war froh Mace nicht geweckt zu haben.
Leise stand ich auf, holte mir einen Hoodie aus dem Schrank, schnappte mir meine Zigaretten und ein Feuerzeug und trat dann auf meinen Balkon nach draußen in die kühle Nachtluft. Abgesehen von dem Mond und den Sternen war da nur Schwärze und ich liebte es. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht als ich mich auf das Geländer vor mir stützte und tief ein- und ausatmete.
Doch selbst die klare Luft konnte die Last des Traumes nicht von meiner Schulter nehmen. Sie saß viel zu sehr in meinen Knochen verankert, hatte sich an mich geklammert und wollte mich so schnell nicht mehr loslassen. Meine Hände begannen wieder einmal unkontrolliert zu zittern und ich ließ mich verzweifelt auf dem kalten, harten Boden nieder, lehnte mich an die Wand neben dem Fenster und legte meinen Kopf auf meine Knie. Ich hoffte, dass die Kälte mir half, dass sie mich befreite, doch das tat sie nicht. Selbst sie konnte mir nicht mehr helfen.
Eine ganze Weile verging, bis ich es nicht mehr aushielt.
Zitternd griff ich nach der Schachtel und dem Feuerzeug in meiner Bauchtasche und zog mir eine Zigarette heraus. Gerade als ich sie mir in den Mund steckte und sie anzünden wollte, kam eine Hand in mein Sichtfeld und entzog mir das kleine Röhrchen. "Reden Avery, nicht rauchen", hörte ich seine tiefe Stimme neben mir. Ich traute mich nicht ihn anzusehen, machte keine Regung und starrte nur weiter auf das Geländer vor mir. Im Augenwinkel sah ich, wie er sich neben mir nieder ließ und meine zitternden Hände in seine nahm. "Was hast du geträumt?"
Eine Träne stahl sich aus meinem Auge und ich schüttelte verzweifelt den Kopf, während meine trüben Augen die endlose Leere der Nacht fokussierten. "Ich kann nicht darüber reden." Meine Stimme brach und ich fing hemmungslos an zu weinen. Wortlos nahm er mich in den Arm und drückte mich fest an sich. "Doch Avery, du kannst." Ich drückte meinen Kopf in sein T-Shirt, während leise Schluchzer meinen Körper erschütterten.
"Da war so viel Blut." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern - viel zu hoch, viel zu abgehackt, viel zu schwach und gebrochen. Der Erinnerung an den Albtraum war so unfassbar real, dass es mich von innen auffraß und alle meine Gedanken in Anspruch nahm. Es fühlte sich an, als wäre es wirklich passiert. Schauer durchzogen meinen Körper und selbst die Sicherheit, die Mace mir gab, konnte das furchtbare Gefühl nicht lindern. "Wieso?"
"Wir...Wir saßen im Auto, ich bin gefahren, du neben mir, die Jungs hinten. Und....und plötzlich war da dieses Licht und das nächste was ich sah, war Blut. Überall war Blut. Euer Blut. An meinen Händen, an meinen Beinen, einfach überall." Es auszusprechen machte es nur noch realer - realer und immer schlimmer. "Ich....Ich hatte euch umgebracht.", schluchzte ich leise. "Das war nur ein Traum Avery.", versuchte er mich zu beruhigen, doch ich konnte seine Erschütterung förmlich fühlen.
"Aber was ist wenn es wahr wird, wenn ich Schuld bin an deinem oder eurem Tod. Das war doch schonmal so."
"Du hast keine Schuld an dem Tod deiner Eltern Avery, das weißt du."
"Doch, ohne mich wären sie noch am Leben.", fest kniff ich meine Augen zusammen, um die Stimmen in meinem Kopf zu verdrängen. "Ohne mich wären sie soviel glücklicher gewesen.", murmelte ich leise. Er zuckte leicht zusammen und rückte mich ein Stück von sich weg. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich so, ihn anzusehen.
"Hör auf sowas zu denken Avery. Du bist das Beste was deinen Eltern je passieren konnte und was uns jemals passieren konnte. Es gibt Menschen, die einfach weggerannt wären. Aber das bist du nicht, du bist geblieben und hast mit uns gekämpft. Du hast so viel für uns getan, du hast Erinnerungen und Zeit geschaffen, die kein Geld dieser Welt wert sind, du hast Hoffnung geschaffen, wo es keine mehr gab. Das weiß ich, das weiß Maci, das wissen deine Eltern. Du musst aufhören so zu denken.", ernst sah er mich an und strich mir ein paar nasse Strähnen aus dem Gesicht.
"Das hab ich versucht, aber ich schaffe es einfach nicht.", sagte ich. "Das braucht Zeit Avery, du hast jahrelang in dem Glauben gelebt, dass deine Brüder wegen dir gegangen sind, weil du irgendwas falsch gemacht hast. Du hast immer die Fehler an dir gesucht, weil alles andere keinen Sinn ergab. Es ist ganz normal, dass du das nicht von einem auf den anderen Tag ändern kannst."
"Ich wünschte, diese Träume würden aufhören. Es wäre so viel leichter.", flüsterte ich und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab. "Deine Träume spiegeln wieder, was dich tief im Inneren beschäftigt. Deine Ängste, deine Wünsche - sie greifen das auf, was du tagsüber verdrängst."
"Meine größte Angst ist es, dich zu verlieren." Ich schlang meine Arme um seinen Bauch. "Meine auch.", erwiderte er leise und drückte seine Lippen auf meinen Kopf. "Und dennoch dürfen wir nicht zulassen, dass diese Angst unser Leben bestimmt Avery, sie wird immer ein Teil von uns sein, aber wir müssen sie akzeptieren und lernen, dass sie keine unserer Entscheidungen beeinflusst.", murmelte er und zog mich fester an sich.
"Ich wünschte, es wäre so einfach, wie du es sagst." Ich starrte in die Leere. "Ich auch. Lass uns dieser Angst einfach gemeinsam in den Arsch treten. Was meinst du? Das kannst du doch so gut." Meine Mundwinkel zuckten. "Okay"
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...