32. Kapitel

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In der Pause saß ich wieder mal auf dem Dach, während ich durch die Gegend schaute und etwas aß. Die Sonne schien wie so oft hell vom Himmel und verursachte eine angenehme Wärme auf meiner Haut. 

Es war schlau von mir, mich heute früh für eine kurze Hose entschieden zu haben, denn mit einer langen wäre diese Wärme sicherlich nicht so angenehm. Ich atmete tief durch und schloss kurz die Augen, bevor ich plötzlich eine Stimme fluchen hörte. 

Ich schaute mich um und sah einen schwarzen Haarschopf in Richtung der Leiter, wegen der ich vor ein paar Tagen noch einen halben Herzinfarkt hatte. Mal wieder verdrehte ich die Augen, als ich das Gesicht des Übeltäters sah, der sich umsah und dann mich ins Visier nahm. 

"Jetzt hab ich nicht einmal hier mehr Ruhe vor dir.", murmelte ich genervt und drehte mich dann wieder um. "Uff, wie bist du nur hier hochgekommen?", ächzte er und lies sich schnaufend neben mir fallen. "Bist du doch auch.", erwiderte ich und zündete mir eine Zigarette an. 

"Krieg ich auch eine?", fragte er und ich schnaufte auf, hielt ihm dann aber die Schachtel hin. "Warum rauchst du?" Er blies den weißen Rauch in die Luft und ich zuckte mit den Schultern. "Tust du doch auf." Er schnaubte. "Ja, aber ich sehe nicht oft Mädchen mit einer Zigarette im Mund." 

"Tja, ich bin ja auch nicht wie jedes andere Mädchen." leicht belustigt sah ich auf mein Handy, wo die Nachricht, die mir Mace gerade geschickt hatte aufblinkte. Dieser Idiot.

"Das ist wohl war. Aber im Ernst machst du es einfach weil du es cool findest, oder warum?" Verächtlich lachte ich auf. "Ich rauche, weil es mich beruhigt und mich daran hindert jede fünf Minuten wegen euch Vollpfosten einen Wutanfall zu bekommen. Außerdem hab ich eh nichts mehr zu verlieren, also who cares."

Ich machte ein Foto von mir auf dem Dach, zog eine Grimasse und schickte es dann Mace. Schmunzelnd betrachtete ich wie er den Snap öffnete und ein neuer von ihm erschien. 

"Das mit deinen Eltern tut mir leid.", sagte er und ich unterdrückte das aufkommende Gefühl in mir, was mich vermutlich von diesem Dach springen lassen würde. "Ist halt so.", ich versuchte mein Stimme so gleichgültig wie möglich klingen zu lassen. "Meine sind auch Tod. Autounfall.", fügte er noch hinzu und ich sah ihn leicht überrascht an. 

"Bei mir auch. Nur mit dem Unterschied, dass ich dran Schuld bin.", meinte ich und hätte mir den letzten Satz am liebsten verkniffen. Ich kannte ihn nicht einmal und erzählte ihm sowas. Doch irgendwie schien ich keine Kontrolle über meine Worte mehr zu haben, sie verließen einfach meinen Mund. 

"Bist du gefahren?", fragte er mich und ich schüttelte den Kopf. "Quatsch, da war ich doch noch viel zu jung. Es hat andere Gründe." ich packte mein Handy wieder in die Tasche und verstaute auch mein Essen wieder.

"Welche?" Ließ der Typ eigentlich irgendwann mal locker? "Das verstehst du nicht." Meine Stimme war wieder so kalt wie immer und ich ignorierte die leichte Gänsehaut auf meiner Haut. 

"Woher willst du das wissen? Ich glaube ich verstehe dich besser als du denkst." Er schaute mich an und ich kniff hinter meiner Brille die Augen zusammen. "Glauben ist nicht Wissen. Niemand versteht mich, vor allem wenn man mich nicht kennt." 

"Und warum hab ich dann das Gefühl, dass ich dich schon mein ganzes Leben lang kenne Ave? Warum bist du erst seit ein paar Tagen hier und von Minute zu Minute hab ich mehr das Gefühl, die Person, die ich einst verloren habe in dir wieder zu finden?" Geschockt sah ich ihn an. 

"Ich hab keine Ahnung wo von du sprichst.", sauer stand ich auf und wollte gehen, doch er hielt mich am Handgelenk fest. "Oh, ich glaub das weist du ganz genau, aber du willst es dir nicht eingestehen. Weil du Angst hast und dich lieber versteckst, als dich der Wahrheit zu stellen." Wut staute sich in mir auf und eine Welle von Kälte breitete sich in mir aus. 

"Du weist nicht wie das ist, wenn auf einmal alles was du liebst in Flammen auf geht. Wenn die Welt in der du aufgewachsen bist plötzlich in tausend Teile zerspringt. Wenn das Leben, dass du so sehr geliebt hast nur noch eine Erinnerung voller Schmerz und Sehnsucht ist. 

Ich hatte alles. Eine Familie, Freunde, Hoffnung und ein perfektes Leben. Es war wie eines dieser Märchen. Nur dass es bei mir scheinbar kein Happy End geben sollte. Du weißt nicht wie es sich anfühlt, wenn von der einen Sekunde auf die andere plötzlich alles weg ist. Puff, wie eine Wolke, die sich aufgelöst hat oder ein Stück Papier, dass im Feuer verbrannt ist. Alles was bleibt ist Asche, Asche die nie mehr zu diesem Blatt werden würde. Erinnerung, die nie mehr Realität sein würde. Du kennst mich nicht, niemand tut das."

Ich riss meine Hand aus der Seinen, schnappte meinen Rucksack und setzte an zu gehen, doch wieder hielt er mich auf. "Nicht nur du hast deine Geschwister verloren Avery.", rief er mir hinterher und ich blieb wie festgefroren stehen. 

"Ugh, ich bring dieses Arschloch um!", fluchte ich laut und erst jetzt bemerkte ich meine zitternden Hände. Ich versuchte es zu unterdrücken, doch es wurde nur noch schlimmer. Fuck!

Tief atmete ich durch und drehte mich dann um. "Ach ja? Tja, dann wird das einen Grund haben. Denn ich habe nie einen gefunden." Er zog seinen Stirn in Falten und erst jetzt bemerkte ich die kleine weiße Strähne in seinen Haaren.

Nein

Bitte nicht

Bitte, lass es nur Zufall sein

Bitte, Bitte, Bitte

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt