Mace P.O.V
Erleichterung breitete sich in mir aus und gleichzeitig wurde ich immer nervöser, als ich das Schild sah auf dem Malibu stand. Hoffen wir, dass sie wirklich zu Hause war. Und hoffen wir, dass es ihr gut ging.
Wir bogen ab in eine Straße, in denen immer mehr und immer größere Villen standen. Darunter das große weiße Gebäude mit den riesigen Fenstern. Wir fuhren durch das Tor und schon konnte man Averys Auto sehen, das komplett schief in der Einfahrt stand. Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht einzuparken.
Noch bevor das Auto überhaupt richtig aus war, hatte ich meinen Gurt gelöst, die Tür geöffnet und rannte auf die Haustür zu. Tatsächlich hatte ich noch immer einen Schlüssel von damals. Ich sperrte die Haustür auf und rannte dichtgefolgt von den Jungs die Glastreppen hinauf.
Ich war völlig außer Atem, als ich oben ankam und vor der schwarzen Tür mit dem "Betreten Verboten" Schild stand. "Hoffen wir mal, dass sie den Code nicht geändert hat.", sagte ich und gab Macis und meinen Geburtstag in das kleine Codeschloss an der Tür ein. Sofort leuchtete es grün auf und die Tür öffnete sich.
"Verdammt, ich war ewig nicht mehr hier.", sagte Kyle hinter mir und sah sich erstaunt um. Avery hatte nicht viel verändert. Der Familienstammbaum war immer noch an einer der Wände, nur die Bilder waren alle abgenommen worden. Und ihre schwarze Tür stach ins Auge, die früher einmal in einem zarten rosa leuchtete.
"Los kommt mit", rief ich und lief ganz nach hinten zu ihrem Zimmer und riss die Tür auf. Sofort empfing mich Dunkelheit und der unverkennbare Geruch von Gras und Zigarettenrauch. "Verdammt.", fluchte ich und schaltete das Licht an.
"Scheiße, was ist hier denn passiert.", hörte ich Tyler hinter mir. Ich konnte ihn verstehen, Averys Zimmer hatte sich komplett verändert. Irgendwas knirschte unter meinen Füßen und ich bemerkte erst jetzt die ganzen Trümmer und Scherben, die auf dem gesamten Boden rumlagen. Der große Spiegel war komplett zersprungen und man konnte getrocknetes Blut an dem Glas erkennen, das überall verteilt war. Ihre gesamten Sprühdosen waren vom Regal geschmissen, eine Vase lag neben einer Wand in Einzelteilen, genauso wie ihr Wecker.
"Schaut im Bad nach!", sagte ich und lief auf das Bett zu, auf dem eine blaue Box stand, dessen Inhalt überall auf dem Bett verteilt war. "Im Bad ist nichts!", rief Jace und kam auf mich zu. Neben verschiedenen Gegenständen und Bildern lag ein Brief auf der dunklen Decke. Daneben eine leere Vodkaflasche. "Scheiße hat sie die ganze Flasche ausgetrunken?", sagte er sichtlich entgeistert. "Ich fürchte ja.", erwiderte ich nickend und schaute mich um.
Hinter dem Bett lagen noch mehr Scherben verteilt, aber nirgendswo war Avery. "Fuck, wo ist sie.", fluchte ich und rannte dann zurück in den Flur und öffnete die Tür zu ihrem anderen Zimmer, doch auch das war leer. Zwei der Türen waren abgeschlossen, doch die Dritte stand einen Spalt offen, was mir Hoffnung gab. "Das ist mein Zimmer.", sagte Jace und lief neben mir in den Raum. Ich öffnete die Tür und der Anblick zerriss mir fast das Herz und lies gleichzeitig heiße und kalte Schauer durch meinen Körper jagen.
Avery lag zitternd auf dem Bett und hatte sich in die Decke gekrallt. Man konnte ihre leisen Schluchzer hören und ihr stoßartiges Atmen. "Avery!", rief ich und lief schnell auf sie zu. Ich fasste sie vorsichtig an der Schulter an und erschrocken zuckte sie zusammen, rührte sich jedoch nicht. Ich hockte mich neben sie. "Hey Avery, kannst du mich hören?", fragte ich sanft und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Entsetzt zuckte meine Hand leicht zurück.
Ihre Augen waren knallrot und angeschwollen von den ganzen Tränen, die ihr in Strömen aus den Augen liefen. Ihr Gesicht war leichenblass und hatte jede Farbe verloren. Auf der dunkelgrauen Bettdecke hatte sich ein großer fast schon schwarzer, nasser Fleck gebildet. Ihre Schluchzer brachen mein Herz immer ein Stück mehr auseinander. Ich hatte sie seit Jahren nicht mehr weinen sehen. Ich berührte sie, wollte, dass sie mich ansah, aber ihr Blick war völlig leer. Sie schaute mich an, aber sah mich nicht. Sie schien durch mich hindurch zu blicken. Als wäre ich unsichtbar. Als wäre da nur unendliche Leere.
"Avery Hey! Sieh mich an.", sagte ich und rüttelte vorsichtig an ihrer Schulter, doch sie reagierte nicht auf mich und drehte ihr Gesicht zurück in die Bettdecke. Ihre Handknöchel waren aufgeplatzt und blutverschmiert. Ihre Arme übersäht mit blauen Flecken. "Das wird so nichts.", fluchte ich, stand auf und hob sie hoch. Sie wehrte sich nicht, rührte sich nicht, sondern weinte einfach weiter, als ich sie vorsichtig in meinen Armen ins Bad trug.
"Ich brauche hier mal Hilfe!", rief ich und setzte Avery vor der Toilette ab. Kyle, Tyler und Jace, die bisher völlig unter Schock mitten im Raum standen, eilten sofort zu mir. "Halt sie fest und pass auf, dass sie nicht umkippt. Und halt ihr die Haare zurück.", erklärte ich Jace. "Das tut mir jetzt furchtbar leid Ave, aber der ganze Alkohol muss wirklich aus dir raus.", meinte ich und steckte ihr einen Finger in den Hals, sodass sie zu würgen begann. Keine Sekunde später kam die ganze durchsichtige Flüssigkeit aus ihr raus. Ich hatte keine Ahnung ob sie das ganze überhaupt noch mitbekam, aber je schneller das Zeug draußen war, desto besser. Auf keinen Fall durfte sie das Bewusstsein verlieren.
Ich strich ihr beruhigend über den Rücken und hielt ihren Kopf fest, als sie den Arm auf dem Klo ablegte und gequälte Geräusche machte. "Einer von euch muss mir ein Glas Wasser holen und gebt mir ein Handtuch. Und ein paar dickere Sachen. Und ein Haargummi, wenn ihr eins findet.", sagte ich und wandte keine Sekunde den Blick von ihr ab. Kyle hielt mir das Glas hin und als Avery den Anschein machte alles ausgekotzt zu haben, lehnte ich sie ein Stück zurück und hielt ihr das Glas an den Mund. Sie wollte ihren Kopf wegdrehen, doch ich hielt ihn fest. "Ich weiß du willst nicht, aber du musst das trinken Ave.", sagte ich. Wiederwillig schluckte sie die Hälfte und übergab sich dann wieder. "Ich weiß, aber es wird gleich besser.", sprach ich ihr leise ins Ohr und strich ihr beruhigend über den Kopf.
Fünfzehn Minuten und 4 Wassergläser dauerte es, bis es einigermaßen ging und wirklich alles aus ihr raus war. "Wir stehen jetzt ganz langsam auf. Ok?", erklärte ich ihr, immer noch nicht wissend, ob sie es überhaupt verstand. Aber ich hoffte es. "Hast du sie?", fragte ich Jace, der leichenblass war, aber dennoch nickte. Ihre Beine waren wackelig. "Wir setzten sie da drüben auf den Hocker", sagte ich und hob sie wieder hoch.
In der Zeit kamen Kyle und Tyler mit den anderen Sachen wieder. "Danke." Ich machte einen Teil des Handtuches nass und wischte ihr vorsichtig das Gesicht ab. Ihre Haare band ich zu einem Zopf zusammen, sodass sie ihr nicht im Gesicht rumhingen. Dann zog ich ihr das von ihren Tränen nasse Shirt aus und den Pullover über. Auch wenn sie sicherlich nicht wegen der Kälte zitterte, wusste ich, dass sie auf Grund der fehlenden Flüssigkeit ziemlich frieren musste.
"Mace.", murmelte sie schwach, während immer noch Tränen aus ihren Augen liefen. "Ja, ich bin hier. Alles wird gut.", sagte ich und hob sie hoch, um sie nach unten in eines der Gästezimmer zu tragen. Ich wollte gar nicht wissen wie lang die staubige Bettwäsche von Jace schon drauf war. Und da ihr Zimmer komplett verwüstet war, musste sie eben unten schlafen. "Tut mir so leid.", gab sie von sich und wirkte dabei noch immer wie in Trance. "Ich weiß." Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Bleibst du bei mir?", flüsterte sie schwach und kaum verständlich.
"Immer Avery. Immer." Dann schloss sie die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...