9. Kapitel

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Allein schon an den Tischen, konnte ich erkennen, dass ich jetzt Chemie hatte. Chemie, ich liebte dieses Fach. Also nicht die Theorie, die war für langweilige Leute wie unseren Lehrer, der sich wahrscheinlich wünschte den nächsten Nobelpreis zu gewinnen, aber die Praxis, die konnte dann doch schon spannend sein.

Ein paar Chemikalien hier, ein paar da und BUMM, Prinzessin hatte ein oder zwei Extensions weniger.

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Die Cafeteria war gefüllt, überall saßen Leute in Gruppen an den Tischen, erzählten oder aßen. Einzelne von ihnen waren alleine und manche Mädchen knutschen mit Jungs um die Wette. Ob das alles Paare waren, konnte ich nur bezweifeln.

Da es mir zu voll war und mein Appetit sich sowieso in Grenzen hielt, verließ ich das Schulgebäude und suchte mir eine ruhige Ecke wo ich ungestört entspannen konnte.

Eine kleine durch Pflanzen verwachsene Treppe am hinteren Teil des Schulgebäudes fiel mir ins Auge und ich fragte mich wohin sie führte. Sie war nicht groß, es gab keinerlei Sicherheit, doch trotzdem wurde ich von ihr wie ein Magnet angezogen.

Meine Finger griffen an das alte rostige Metall, ich schob ein paar Äste zur Seite und setzte meinen Fuß auf die verrostete Stufe. Hier war sicher schon seit Jahren niemand mehr und ich bezweifelte, dass irgendjemand hiervon noch wusste.

Auch wenn es mit meinen Schuhen ziemlich schwer war, schaffte ich es tatsächlich die Treppe oder eher die Art Leiter fast bis zum Ende zu erklimmen. Ungefähr beim dreiviertel blieb ich stehen und sah mich um. Meine Arme brannten leicht und ich befand mich sicher in 10 Metern Höhe.

Ich hatte noch nie irgendwelche Höhenangst gehabt. War es nicht toll das Adrenalin zu spüren, welches durch unsere Adern floss, unseren Bauch kribbeln ließ und unseren Kopf von allen Problemen der Welt befreite? War es nicht toll die scheinbar unendliche Kraft zu spüren, die uns in diesem Moment alles zu ermöglichen schien?

Ich setzte einen weiteren Schritt auf die Stufe, verlagerte mein Gewicht auf diese um meinen anderen Fuß auf die nächste zu Setzen, als ein Knacken ertönte. Und plötzlich, mit einem Mal brach die Stufe ab, auf der ich mich mit einem Bein stützte und ich schien für einen kurzen Moment zu fallen.

Flashback

Eine Welle von Trauer, Wut, Enttäuschung und Verzweiflung brachte die ohnehin schon labil Eisplatte auf der ich stand zum brechen. Ich fiel in den See aus meinen Tränen und drohte zu ertrinken. Ich müsste nur noch loslassen und dann war alles vorbei. Vorbei mit all dem Schmerz, den ich immer ertragen musste. Vorbei mit der Angst nochmal verletzt zu werden. Ich könnte endlich frei sein, ich könnte vielleicht endlich wieder glücklich sein. Bei ihnen.

Flashback Ende

Ich müsste nur Loslassen.

Meine Hand brannte wie Feuer, als mein gesamtes Gewicht an ihr hing. Ich fing an zu schwitzen und drohte abzurutschen. "Fuck", fluchte ich und schwang mich vorsichtig zur Leiter um meine andere Hand an eine der Stufen zu klammern.

Mit meiner gesamten Kraft zog ich mich soweit nach oben, bis meine Füße eine mehr oder weniger stabile Stufe erreichten. Schnell kletterte ich bis ganz nach oben und setzte mich auf die Betonkante. Jetzt wo das Adrenalin nachließ, schien die Blase in der ich mich befand zu platzen und sich eine Neue zu bilden.

Ich hörte plötzlich nur noch mein Herz, welches schmerzhaft gegen meine Brust klopfte. Ich sah für einen kurzen Moment nur schwarze Bereiche und meine Außenwelt schien wie ausgeblendet. In diesem Moment gab es nur noch mich.

Meine Hände Zitterten wie verrückt und waren schweißnass. Vorsichtig stand ich auf, verlor kurz das Gleichgewicht weil meine Beine weich wie Wackelpudding waren. Ich atmete tief durch und sah mich dann um.

Ich befand mich auf dem Dach der Schule. Anscheinend war schon seit mehreren Jahren niemand mehr hier oben gewesen, denn eine alte zerbrochene Bank stand in der Ecke, Moos war überall und sogar ein Baum wuchs vor sich hin. Ich hatte einen Ausblick über das gesamte Schulgelände. Die Sportplätze, das Schwimmbecken und vieles mehr.

Ich setzte mich an den Rand des Daches, lies meine Beine baumeln und holte meine Zigaretten aus der Tasche. Kurz betrachtete ich die Flamme meines Feuerzeuges, bevor ich die Kippe in meinem Mund anzündete und den Rauch durch meine Lunge ziehen ließ.

Strong as ice, dangerous as fire schoss es mir durch den Kopf und ich lehnte mich entspannt zurück, dabei nach oben in den Himmel blickend.

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt