Irgendwann, als die Sonne schon fast vollständig aufgegangen war, hörte ich ein leises Schnarchen hinter mir. Mit einem leichten Lächeln beobachtete ich den schlafenden Mace. Ein paar Strähnen seiner braunen Haare waren ihm ins Gesicht gerutscht. Auf seinem Gesicht hatte sich der leichte Schatten eines Bartes gebildet.
Er sah so friedlich aus wie er da lag, obwohl ich wusste, dass es ihm alles andere als gut ging. Ich wusste, dass er Macis Tod noch lange nicht überwunden hatte und ich schätze ein Teil von ihm wird es auch niemals.
Als Maci noch lebte, war mir nie bewusst, was ich für ihn empfand. Ich hatte dieses Kribbeln in mir einfach ignoriert. Aber seit einigen Wochen war es so stark, dass ich meine Gefühle nicht mehr leugnen konnte. Und das machte mir verdammt Angst. Ich war ehrlich, ich hatte Angst davor zu lieben, Angst davor zu vertrauen, Angst davor ihm weh zutun. Ich war viel zu kaputt.
Leise stand ich auf, legte die Decke zurück auf den Sessel, zog die Vorhänge des Fensters zu und verließ das Gästezimmer. Ich wollte, dass er noch ein bisschen Schlaf bekam. Ich hatte gesehen, wie fertig und müde er war.
Im Wohnzimmer lagen Kyle und Tyler auf der Couch und schliefen unruhig. Seufzend griff ich nach zwei flauschigen Decken und legte sie vorsichtig über sie. Wenn sie schon extra wegen mir hier waren, sollten sie wenigstens schlafen können. Kyle zuckte leicht zusammen und gab undefinierbare Geräusche von sich, doch wachte nicht auf.
Ich musterte ihn und erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie sehr er sich verändert hatte. Sein Gesicht war viel definierter, seine Wangenknochen stachen mehr hervor, die kindlichen Rundungen waren völlig verschwunden. Auf seiner gebräunten Haut waren leichte Bartstoppeln zu sehen. Seine braunen Haare waren an den Seiten völlig kurz geschnitten, während sie nach oben immer länger wurden und ihm über die Stirn fielen. Seine Haarfarbe hatte er von Dad, die grünen Augen ebenfalls. Von Mum hatte er die Wangenknochen bekommen, die ich auch hatte und die kleine Vertiefung über seiner Oberlippe. Kein Wunder, dass ich ihn nicht sofort wieder erkannt hatte. Er war viel Erwachsener geworden.
Auch Tyler hatte sich wahnsinnig verändert. Er war ein Jahr älter als Kyle, aber Mum und Dad haben die beiden zusammen einschulen lassen, sodass sie in einer Klasse sind. Normalerweise wäre er schon längst auf dem College. Er hatte die selben hohen Wangenknochen, die selbe Gesichtsform und die selbe Nase wie wir alle. Auch sein Gesicht war viel definierter geworden. Seine schwarzen Haare waren genauso geschnitten wie die von Kyle. Auch er hatte seine grünen Augen von Dad.
Ich schüttelte den Kopf und lief dann leise nach oben. Verschwommen erinnerte ich mich an das Chaos in meinem Zimmer. Ich konnte sowieso nicht mehr schlafen, also konnte ich genauso gut aufräumen.
Meine Zimmertür stand offen und Licht fiel in den Flur. Verwundert trat ich näher und erstarrte als mein Blick auf Jace fiel, der schlafend in meinem Bett lag und sich unruhig hin und her drehte.
Tief atmete ich ein und lief dann über den Boden zum Bett. Dabei trat ich auf irgendein Plastikstück. "Fuck", fluchte ich lautlos und hielt mir meinen Fuß. Kennt ihr das, wenn ihr auf einen Legostein tretet? Genauso fühlte sich das gerade an.
So leise wie möglich nahm ich den Brief, der neben Jace lag und packte ihn zusammen mit den Bildern und Gegenständen in die blaue Kiste und holte eine Weitere aus einem der Schränke in meinem Zimmer.
Auch über Jace legte ich eine Decke, dann schloss ich die Tür zum Balkon, zog die Vorhänge zu, nahm mir ein paar frische Sachen aus dem Schrank, schaltete das Licht aus und ging dann leise ins Bad.
Die beiden Kartons stellte ich auf einen Hocker. Ich lies heißes Wasser in die Badewanne laufen und machte irgendein gut riechendes Schaumbad dazu. Dann zog ich mich aus und stieg in das angenehme Bad. Sofort entspannte sich mein gesamter Körper. Nachdem ich einige Minuten einfach nur mit geschlossenen Augen da lag und die Wärme genossen hatte, wusch ich mir das getrocknete Blut von meinen Knöcheln. Die Wunden waren kaum abgeheilt und brannten leicht.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...