"Was ist denn hier draußen los?", ertönte die Stimme eines Lehrers, dessen Schuhe wie dumpfe Hammerschläge durch den totenstillen Flur hallten. Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gefangen, gefangen in der Welt vor der ich mich immer gefürchtet hatte.
"Nichts!", rief ich ihm gereizt entgegen und verschwand in einer der vielen Ecken der Schule, Richtung Toiletten. Meine vor Wut zitternden Hände krallten sich um eines der weißen Waschbecken und mein Blick begegnete sich im Spiegel. Ich wusste nicht, was mit mir geschah. Es war wie ein kleines Deja-vu, das mich zu verschlingen versuchte.
Meine Lunge fühlte sich an als wollte sie explodieren, meine Atmung war schnell und unregelmäßig - ich hatte das Gefühl zu ersticken. Es war, als würde man mir meine Lunge zuschnüren, mir den Sauerstoff nehmen und den letzten Hauch Luft aus mir herauspressen wollen.
Der Druck auf meiner Brust war stark, zu stark und er stieg. Er stieg immer weiter und ich hatte keine Ahnung wie ich ihn aufhalten konnte. Alles in mir rief nach Hilfe, doch die würde nicht kommen. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht in hundert Jahren.
"Sei stark, lass die Angst nicht gewinnen, trage die Kontrolle über dich und deine Gefühle. Alles was passiert geschieht in deinem Kopf, lass es nicht zu.", hallte die Stimme durch meinen Kopf. Nur schwer konnte ich, die sich in mir anbahnende Panikattacke im letzten Moment noch aufhalten. Sie war wie ein Tsunami, der mir erst jegliche Kraft nahm, um mich dann mit voller Wucht damit umzuhauen und mir den Boden unter den Füßen wegzureißen.
Immer wenn ich Abends auf unserem Dach gelegen hatte, die Sterne, die am Himmel wie Diamanten in der Ferne glitzerten, beobachtete und mir ausmalte wie es wohl sein würde sie wieder zutreffen, hätte ich mir niemals auch nur ansatzweise vorstellen können, welcher Tornado an Gefühlen mich einfangen würde, wenn ich nur eine Person treffen würde. Ich dachte ich hätte mit meiner Vergangenheit abgeschlossen, ich dachte sie könnte mir nichts mehr anhaben, doch sie schien mich nach all den Jahren noch stärker zu berühren als sie es früher getan hatte.
Mein Blick begegnete sich im Spiegel und ich sah in meinen Augen einen Wirbelsturm von Gefühlen. Ich konnte erkennen, wie meine Augen immer trüber und matter wurden. Es war, als würde sich ein dichter Nebel vor meine Augen ziehen, der die Sicht in mein Inneres versperrte. Ich sah wieder diese Kälte und Leere, die sich in meine Haut und die jeder anderer brannte.
Ich war eine Meisterin darin meine Gefühle zu unterdrücken, naja zu mindest in den meisten Fällen. Ich sah die Tür hinter mir im Spiegel aufgehen. Maddie stand im Türrahmen und sah mich ängstlich aber irgendwie auch erleichtert an. "Ich sollte dich suchen. Mrs. Borrow dachte du hast dich verlaufen, weil du nicht zum Unterricht erschienen bist." Empört schnaufte ich auf. "So ein Quatsch. Wenn ich nicht komme, dann entweder weil ich kein Bock habe oder weil ich, wie gerade eben, durch etwas oder jemanden verhindert wurde." Mit einem letzten Blick in den Spiegel, drehte ich mich um und sah wie der Schrecken kurz in Maddis Augen aufleuchtete.
"Lass uns gehen, bevor Mrs. Borrow noch eine vermissten Anzeige wegen zwei Schülern rausschickt." Ich quetschte mich an ihr vorbei und lief den Gang entlang. "Wir müssen in die andere Richtung Ave!", rief sie mir hinterher und ich blieb ruckartig stehen. Fuck, wie peinlich. "Weiß ich doch, ich wollte nur was nachschauen.", versuchte ich mich rauszureden und lief Maddi hinterher zu unserem Unterricht.
Bevor sie am Raum anklopfen konnte, ergriff ich die Klinke und lies die Tür mit einem kräftigen Zug aufschwingen. Vielleicht keine so gute Idee von mir gewesen, denn sie knallte Lautstark wie ein Bombenschlag gegen eine Wand und lenkte so die gesamte Aufmerksamkeit auf mich. Eine Anfang 50 Jahre alte Frau stand am Lehrerpult und wollte grade den Mund auf machen. Leider, aber auch wirklich zu Schade, kam sie nicht dazu auch nur einen Ton zu sagen, denn ich unterbrach sie, so nett wie ich nun mal war.
"Ave, 17 Jahre alt, umgezogen und neu auf der Schule. Wer mehr über mich wissen will, fragt mich, oder lieber auch nicht." Ich setzte mich auf meinen Platz, vor dem schwarzhaarigen Typen, ohne ihn auch nur anzusehen, während Mrs. Borrow vorne an der Tafel perplex an Ort und Stelle stand. Wow, die konnte man aber leicht aus dem Konzept bringen.
"Ähm ja, wie auch immer, ich bin Mrs. Borrow und unterrichte Geographie. Bei Fragen, frag einfach jeden außer mich.", sagte sie, drehte sich um und fuhr so als wäre nichts gewesen mit ihrem Unterricht fort. Verwundert schaute ich sie an. Irgendwie war diese Frau mir sehr sympathisch.
Ich spürte mehrere Blicke auf mir. Nicht gerade sehr unauffällig schaute ich durch den Raum und begegnete verschiedenen Augenpaaren. Mädchen die blondgefärbte Haare und einen meterfetten Eyeliner Strich hinter ihren falschen Wimpern hatten schienen die Lästerschwestern zu spielen, indem sie nicht gerade sehr unauffällig und Leise über mich tuschelten.
Dann waren da noch verschiedene Jungs, die nicht aufhören konnten bestimmte Partien meines Körpers anzustarren und andere Mädchen, die mich abfällig oder neugierig musterten. Für die Meisten war ich doch sowieso nur eine Person, die solange interessant erschien, bis sie etwas tat, was nicht in ihr Bild passte oder Probleme bereiten würde. 50% dieser Menschen hier waren Oberflächlich und interessierten sich nur für den neusten Kleidertrend.
Und dann war da dieser eine Blick, den ich nicht sah aber dennoch spürte. Der, der sich wie Feuer in meine Haut brannte, mich durchdringen wollte aber abprallte wie ein Ball an der Wand.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...