Jace P.O.V.
Je länger ich in der Tür stand und immer noch völlig entsetzt auf Avery und Mace blickte, die beide unruhig schliefen, desto tiefer kroch die Kälte in meine Knochen. Immer mehr kalte Schauer durchzogen meinen Körper, hinterließen kleine feine Risse in meiner Seele, die höllisch weh taten und mein völlig zerschmettertes Herz bluten ließen.
Seit ich heute früh aufgewacht war, wusste ich, dass dieser Tag beschissen sein würde. Doch dass er so endete, hätte ich nicht mal in meinen schlimmsten Albträumen erwartet. Es fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube, der jede Sekunde stärker wieder kam. Immer wieder auf die selbe Stelle. Immer wieder auf den selben blauen Fleck, der immer dunkler wurde.
Wir wussten seit einigen Wochen, was wir angerichtet hatten, aber es nun real zu sehen...Zu sehen wie sehr Avery darunter litt, hat mich zum ersten Mal wirklich realisieren lassen, welche Auswirkung die letzten Jahre auf sie gehabt hatten. Heute hatte ich zum ersten Mal gesehen, wie sehr sie verletzt war. Wie sehr diese dämliche Maske ihren Schmerz verbarg, der so unendlich groß war. Diese verfickte Maske aus Kälte, Wut und dem Drang nach Adrenalin und Gefahr.
"Komm, lassen wir sie schlafen Jace.", hörte ich Kyle neben mir flüstern. Erschrocken zuckte ich zusammen. Ich warf Ave und Mace nochmal einen kurzen Blick zu, bevor ich leise die Tür zum Gästezimmer schloss und an Kyle vorbei zur Treppe nach oben ging. Tyler saß kreidebleich auf dem schicken beigefarbenen Designersofa im Wohnzimmer und starrte mit leeren Blicken auf den Boden vor sich. Ich kannte noch immer alles an diesem Haus, obwohl es mittlerweile sechs Jahre her war, seitdem ich das letzte Mal hier war. Der Geruch nach Vanille hing noch immer in der Luft und schickte mich zurück in die Vergangenheit, in der unser Lachen täglich durch die hohen Räume hallte.
Vorsichtig betrat ich Aves Zimmer, in dem es noch immer nach Zigarettenrauch und Gras roch. Die Scherben knirschten unter meinen Füßen, als ich durch das Zimmer auf die große Fensterfront zulief. Früher waren die rosanen Vorhänge nur selten zu gewesen und hatten freien Blick auf die großen bunten Fensterbilder auf dem Glas gegeben, die die zehn-jährige Avery voller Stolz gebastelt hatte. Auf jedem Fenster war eine andere Disneyprinzessin gewesen, selbst Olaf hatte einen Platz bekommen und auch Ohnezahn aus einem dieser Kinderserien, den sie mit acht Jahren jeden Abend geschaut hatte. Ein kleines, trauriges Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich vermisste meine Kindheit.
Leicht berührte ich den schwarzen, weichen Stoff, bevor ich die schweren langen Vorhänge zur Seite schob und den Nachthimmel zum Vorschein brachte. Die Sterne funkelten wie kleine Diamanten am schwarzen Himmel und der volle Mond warf Licht auf mich. Ich machte die Tür zum Balkon auf und sofort strömte die kühle Nachtluft in das Zimmer und zog mich in ihren Bann der Klarheit. Tief atmete ich ein und genoss den angenehmen Moment. Doch je klarer alles wurde, desto mehr verschwand der Nebel und der Schock saß plötzlich noch stärker als zuvor in mir. Ich konnte ihn in jeder Zelle meines Körpers spüren. Schwindel überkam mich und ich musste mich am Balkongeländer abstützen und tief durchatmen.
Das eben war wirklich Avery gewesen verdammt. Meine Schwester, mein Zwilling. Das lebensfrohste Mädchen, das ich je gekannt hatte. Ungläubig schüttelte ich den Kopf und blinzelte das Brennen weg, das immer mehr in meine Augen trat.
Es war so als würde alles auf einmal auf mich einfallen. Alles was ich - nein was wir- verdrängt hatten. Avery, meine immer lächelnde, fröhliche Schwester war wirklich Vergangenheit. Es gab sie nicht mehr. Meine Schwester - das Mädchen mit dem ich die ersten 12 Jahre meines Lebens verbracht hatte - war mir verdammt nochmal fremd geworden. Ich kannte sie nicht mehr. Ich wusste wirklich nichts mehr von ihr.
Das eben war nicht Avery, das eben war eine völlig andere Person. Eine Person, die wir aus ihr gemacht hatten. Ohne Freude, nur mit Schmerz. Ohne geflochtene Zöpfe und rosa Schleifen im Haar, nur mit schwarzer Tinte auf ihrer Haut. Ohne rosa Kleider, nur mit Jeans und Lederjacke. Ohne Strahlen, nur mit unendlicher Kälte und Leere.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...