50. Kapitel

318 16 2
                                    

"Komm mit, Zeit den Kopf freizubekommen." Mace hielt mir seine Hand hin. Es war irgendwie gruselig. Konnte er meine Gedanken lesen, dass er wusste was ich brauchte?

Zittrig ergriff ich mit meiner eiskalten Hand seine Warme. Sie passte perfekt in seine, als wären sie füreinander gemacht. Ohne ein Wort zog er mich auf meine Beine und nahm mich in den Arm. Fest drückte ich mich an ihn und genoss die beruhigende Wärme. Sein Herz klopfte in regelmäßigen Abständen. Er war wie ein Beruhigungsmittel. Irgendwann hörte das Zittern auf und ich löste mich dankbar von ihm. "Danke", flüsterte ich und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

"Nichts zu danken." Er lächelte mir ermutigend zu, wobei seine kleinen Grüppchen zum Vorschein kamen. Seine Augen blitzten mir glasklar entgegen und ich zwang mich dazu nicht in ihnen zu versinken.

Verdammt, was war nur los mit mir?

"Wo willst du hin?" Fragend schaute ich zu ihm hoch. Ich war nicht klein, keine Frage, er war einfach nur zu groß. Mit einem schiefen Grinsen sah er zu mir runter. "Überraschung" Ich verdrehte die Augen und musste mir dennoch ein kleines Lächeln verkneifen. Er wusste wie sehr ich Überraschungen hasste und dennoch freute ich mich irgendwie.

Er gab mir meinen Helm und schnappte sich seine Schlüssel. Dann führte er mich aus seiner Wohnung und machte eine einladende Handbewegung auf sein Motorrad. "Steig auf, aber ich fahre." Böse funkelte ich ihn an. Ich hasste es nicht fahren zu dürfen und das wusste er besser als ich.

Also nahm ich widerwillig hinter ihm Platz und ließ mich von ihm durch die Gegend kutschieren. Ich schloss die Augen und lehnte mich an seinen Rücken. Die Welt zog, ohne dass ich überhaupt die Chance dazu hatte sie wahrzunehmen, an mir vorbei. Alles war verschwommen, doch genau das war es, was ich so liebte. Einfach alles zu vergessen und nur den kalten Fahrtwind zu spüren. Einfach frei zu sein.

Oft bin ich durch die Gegend gefahren, wenn mir alles zu viel wurde und ich das Gefühl hatte eingeengt zu werden. Wenn die Erinnerungen zurückkamen und mich mit voller Wucht unter Wasser drückten. Ich nicht wusste wo oben und unten war und alles ausweglos erschien. Wenn ich nicht die Kraft zum atmen hatte und dachte zu ersticken, dann war mein Motorrad meine letzter Ausweg. Nur das Fahren hatte mich aus dem Wasser gezogen und mir Freiraum zum Atmen gegeben. Und das tat es auch jetzt.

Ich wusste nicht was ich nun tun sollte. Lizzy hatte recht, ich konnte nicht ewig bei Mace wohnen. Ich glaube nicht, dass es ihn störte, aber ich hatte Angst ihn mit in den Abgrund zu reißen. Ihn nur umso öfter zu verletzten, weil ich ihn wegstieß. Ich wollte nicht, dass er sich jedes Mal Sorgen um mich machte, dass er jedes Mal mitbekam, wenn ich unter der schweren Last zusammenzubrechen drohte. Er war mir viel zu wichtig dafür und er hatte das alles nicht verdient.

Doch konnte ich zu Lizzy zurückkehren? Nach allem was passiert war. Nachdem sie mir das alles verschwiegen und mich belogen hatte? Ich könnte ihr niemals verzeihen. Und es würde mir unglaublich schwer fallen mit ihr weiterhin unter einem Dach zu leben. Es würde ja nicht nur ein paar Wochen sein, sondern Monate. Bis ich meinen Abschluss hatte dauerte es noch etwas und ich wollte mir nicht extra eine Wohnung mieten.

Nächste Woche wurde ich 18. Allein bei dem Gedanken wurde mir schon schlecht. Mace wusste nicht, was ich an diesem Tag mit mir machte. Niemand wusste das. Alle akzeptierten, dass ich dann einfach nur alleine sein wollte, wenngleich sie mich nicht verstanden. Aber sie ließen mich in Ruhe und das war alles was zählte.

Stumm fuhr Mace immer weiter, während ich weiter in meinen Gedanken versunken war. Es war nicht selbstverständlich, dass er einfach für mich alles stehen und liegen ließ. Nicht jeder würde das machen. Er hatte sich ohne nachzufragen dazu entschieden mit mir raus zu fahren, mich aufzumuntern. Er wusste sofort, dass es mir schlecht ging und ich völlig fertig mit den Nerven war. Und trotz dessen, dass ich ihn immer von mir stieß, blieb er bei mir und unterstützte mich.

Oh mann, ich hatte ihn einfach nicht verdient.

Irgendwann kamen wir an einem Diner an und ich schaute ihn erstaunt an. "Woh-" "Tja ich kenn dich eben besser als du denkst. Außerdem waren wir früher immer hier du Pappnase.", schief lächelte er zu mir runter und ich verpasste ihm einen kleinen Schlag gegen den Oberarm.

"Aua", er rieb sich die Stelle und hatte einen schmerzerfüllten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Lachend zeigte ich ihm den Vogel.

"Hast du mich gerade als bekloppt bezeichnet?" Empört kam er mir gefährlich nah. "Ich doch nicht haha", lachte ich und streckte ihm die Zunge raus. "Na warte."

Mit einem kleinen erschrockenen Schrei nahm ich meine Beine in die Hand und lief vor ihm weg. Für andere musste das sicherlich total bescheuert aussehen wie zwei Jugendliche, fast erwachsen, quer über den Parkplatz eines Diners liefen.

Lachend flüchtete ich so schnell ich konnte vor ihm weg, nur leider hatte ich die Rechnung ohne ihn gemacht. Denn er war leider um einiges schneller als ich.

Ein hoher, spitzer Schrei, gemischt mit meinem Lachen, kam aus meiner Kehle, als er mich zu fassen bekam und mich hochhob. Er drehte mich einmal im Kreis, bevor er mich abstellte und mich gnadenlos anfing zu kitzeln.

"H-Hör auf Mace, b-bitte haha", lachte ich erstickt und versuchte seine Hände abzuwehren. "Nur wenn du dich bei mir entschuldigst." Grinste er. "Niemals", brachte ich atemlos hervor. Das würde viel zu sehr an meinem viel zu großem Ego kratzen.

"Wenn das so ist, kann ich leider nicht aufhören." "Nein haha" Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten, geschweige denn, dass ich noch einigermaßen Luft bekam. Und trotzdem machte er immer weiter. Alle meine Versuche mich zu befreien scheiterten und ich gab verzweifelt auf.

"Okay okay. Hiermit entschuldige ich mich zutiefst bei dir aller liebster Mace.", sagte ich widerwillig und voller Ironie. Doch das ignorierte er gekonnt. "Na geht doch" Stolz auf sich selbst und mit einer Selbstverliebtheit in seinem Blick, die so manchem Konkurrenz machte, sah er mich an. Schmollend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust. "Du bist und bleibst trotzdem ein Idiot."

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt