72. Kapitel

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"So ungern ich das auch sage, aber ich fürchte wir müssen zurück nach LA. Lizzy reißt uns den Kopf ab, wenn wir noch länger schwänzen.", sagte Jace und ich stöhnte frustriert auf. "Wer braucht schon diese blöde Schule."

Keine Sekunde später stahl sich ein kleines Grinsen auf meine Lippen, als mir etwas in den Sinn kam. "Apropos Schule, was sagt ihr eigentlich zu den Verschönerungen im Kunstraum?" Mein Grinsen wurde größer, als sie mich verwirrt ansahen. "Keine Ahnung, ist ganz cool, aber ich würde gerne mal wissen, wer das war.", meinte Kyle und mein Grinsen wurde noch breiter. "Sie sitzt vor euch.", lachte ich und wackelte mit den Augenbrauen.

"Du?", riefen sie alle drei gleichzeitig und Mace sah mich mit einem Das-ist-nicht dein-Ernst-Blick an. "Höchstpersönlich"

"Ach du scheiße. Hat der Direktor das nicht mitbekommen?", fragte Tyler entsetzt. Ich zuckte mit den Schultern. "Er weiß, dass ich es war. Ich glaube, ich habe noch niemals so einen roten Kopf gesehen.", lachte ich und die anderen sahen mich verständnislos an.

"Und du hast keinen Ärger bekommen?", fragte Jace verwirrt. "Nö." "Wie das, der verteilt doch schon Strafarbeiten, wenn jemand Kaugummi kaut." Ich zuckte die Schultern. "Vielleicht traut er sich ja nicht.", meinte ich und sie runzelten alle drei die Stirn.

"Der Direktor und nicht Trauen dir Strafen zu geben? Das passt nicht zusammen. Der Mann hat vor nichts und niemanden Angst.", schüttelte Kyle den Kopf.

"Möglicherweise hat er ja vor dem Angst, was ich weiß und was ich mit diesen Erkenntnissen machen kann. Möglicherweise habe ich die Macht seine Familie und seinen Ruf zu zerstören.", Herausfordernd sah ich sie an, während sich Fassungslosigkeit in ihre Gesichter schlich und all ihre Gesichtszüge entgleisen ließ.

"Bist du verrückt, du kannst doch keinem Lehrer drohen. Und schon gar nicht der Schulleitung.", rief Tyler entsetzt und ich zog meine Augenbraue hoch. "Ich kann alles Tyler. Ob es mir Probleme macht, ist meine Sache."

"Dafür kannst du von der Schule fliegen.", meinte nun auch Kyle. Gerade wollte ich etwas erwidern, als ich unterbrochen wurde. "Wäre ja nicht das erste Mal.", hustete Mace plötzlich und ich verdrehte die Augen. Vernichtend sah ich ihn an, was er mit einem unschuldigen Grinsen quittierte.

"Wie bitte?", fragten sie alle drei entsetzt. "War doch nur drei oder vier mal.", ich zuckte gleichgültig mit den Schultern und trank aus meiner Tasse. Ungläubig starrten sie mich an. Ich schätze jetzt waren alle ihre Hoffnungen zerstört, dass noch etwas von dem lieben Mädchen in mir übrig geblieben war. "Wie schafft man sowas?", fragte Jace. Ich fixierte ihn und grinste hinterhältig auf.

"In dem man Streiche spielt.", erwiderte ich. "Was für Streiche.", hakte er ernst nach.

"Alles mögliche. Eiskaltes Wasser in den Umkleiden der Jungs, ein Stinktier im Büro der Sekretärin - glaubt mir, die Frau war eine blöde Kuh, die hatte es sowas von verdient- eine Farbbombe im Kunstraum, das "versehentliche" Schreddern der Englisch-Arbeiten durch den Mathe Lehrer.  Die Anmeldung einer falschen Schülerin. Und so weiter.", grinsend sah ich in die entsetzten Gesichter der Jungs, während Mace nur den Kopf schüttelte, doch das kleine Grinsen entging mir nicht.

"Warum?", fragte Tyler fassungslos. Das Lächeln verschwand aus meinem Gesicht. "Weil ich es wollte." "Wieso?" Ich lehnte mich zurück, und sah ihm ernst in die Augen. "Weil ich Leben wollte, weil ich Adrenalin, Spaß und Freiheit wollte. Weil ich es satt war, mich von Allen herumkommandieren zu lassen. Weil mir die Konsequenzen einfach scheißegal waren." Meine stechenden Augen bohrten sich in seine, während sich Kälte in ihnen ausbreitete.

"Und jetzt? Ist es dir immer noch egal?", fragte Kyle und ich richtete meinen Blick auf ihn. Ich überlegte kurz, aber die Antwort war klar. "Ja."

Ich ließ ihnen keine Zeit zu antworten. "Es gibt Dinge, die werde ich niemals aufgeben. Dinge, die zu einem Teil von mir geworden sind. Das werdet ihr akzeptieren müssen. Ihr dürft niemals versuchen mich zu ändern, mich zu bestimmen oder mir etwas vorzuschreiben, denn das endet nur damit, dass sich Kälte in mir ausbreitet und ich alles in meinem Umfeld niederreiße.", sagte ich und fixierte den Tisch vor mir. Schweigen breitete sich aus, während die Jungs mich nachdenklich ansahen.

"Womit drohst du dem Direktor.", fragte Jace auf einmal, und die Spannung, die in der Luft lag, lockerte sich etwas. Das Grinsen kam zurück - vermischt mit einem angewidertem Gesichtsausdruck. "Ich hab ihn und die Sekretärin knutschend auf dem Schreibtisch im Sekretariat erwischt. Und glaubt mir, dieses ekelhafte Bild verfolgt mich in meinen Albträumen. Ich hab ihm gedroht es seiner Frau zu sagen. Er hat mich sowieso schon gehasst, also was soll's." Ich zuckte mit den Schultern. "Von dem Brief, den seine Frau bald erhalten wird, weiß er noch nichts." 

"Du bist verrückt Avery." Leicht lachte ich und sah Kyle an. "Ich weiß, dankt mir später, wenn ihr einmal Mist gebaut habt und meine Hilfe braucht.", zwinkerte ich und stellte meine leere Tasse in die Spüle.

"Was wirst du jetzt machen?", fragte Mace plötzlich. "Gehst du zu Lizzy zurück?" Ahnungslos sah ich ihn an. "Keine Ahnung. Ich schätze mal. Was anderes bleibt mir nicht übrig.", meinte ich.

"Du kannst zu uns kommen, wenn du willst.", sagte plötzlich Tyler und mein Blick schoss zu ihm. "Wir haben noch ein Zimmer frei. Du müsstest zwar damit leben, dass du in einer Jungs WG lebst und alle paar Wochen eine Party geschmissen wird, aber du hättest deinen Freiraum."

"Ich weiß nicht, ob das eine so gut Idee ist.", meinte ich etwas überfordert und spielte nervös mit meinem Armband. In meinem ganzen Körper breitete sich ein unangenehmes, einengendes Gefühl aus.

"Überleg's dir. Niemand zwingt dich dazu, aber wenn du willst, kannst du immer zu uns kommen." Kyle sah mich mit einem beruhigenden Lächeln an. "Okay.", erwiderte ich immer noch unsicher und etwas hilflos, nicht wissend was ich davon halten sollte.

"Wenn ihr wollt, könnt ihr schon zurück nach LA fahren. Ich komme später nach, muss noch was erledigen.", meinte ich dann, in dem Versuch der Situation zu entfliehen. "Was willst du denn machen?", meinte Mace und ich lächelte ihm schief zu. "Geheimnis." Ich zwinkerte, dann ging ich an ihnen vorbei aus der Küche und rief ihnen ein "Bis später." zu, bevor ich nach oben lief und mir ein paar Sachen zusammensuchte. Der Gedanke bei ihnen einzuziehen.... 

Er verursachte kein schönes Gefühl. Er brachte den Druck zurück - das Gefühl keine Luft zubekommen. 

Und gleichzeitig wollte ein Teil von mir diese Chance ergreifen, gleichzeitig schrie ein Teil von mir Mach es.

"Ich kenne ein Mädchen, das mir einst sagte, dass man nie etwas erreichen könne, wenn man kein Risiko eingehe." Erschrocken zuckte ich zusammen, doch drehte mich nicht um.

"Das sagt sich einfacher, als es in der Realität ist Mace.", erwiderte ich und zog mir einen schwarzen Oversized Hoodie über. "Also schenkst du deinen eigenen Worten keinen Glauben?" Ich seufzte und starrte regungslos in meinen Kleiderschrank. 

"Doch, aber ich kann es halt einfach nicht immer umsetzen. Das ist nicht so einfach.", meinte ich und ballte meine Hände zu Fäusten, sodass meine Knöchel weiß wurden. "Ich liebe das Risiko Mace, aber nur wenn es um Adrenalin geht. Das andere ist weitaus komplizierter." Wenn ich von einer Klippe sprang, hatte ich nichts zu verlieren. Wenn ich Streiche spielte und von der Schule flog auch nicht. Aber wenn ich zu früh anfing zu vertrauen, dann könnte es mich und alle Menschen in meinem Umfeld zerstören. 

"Was hast du zu verlieren Avery. Was macht es für einen Unterschied, ob du heute bei ihnen einziehst oder in einem Jahr? Das Ergebnis wäre doch das Selbe. Du wärst bei deiner Familie. Was ist, wenn morgen etwas passiert und du plötzlich bereust die Chance nicht genutzt zu haben. Wenn du bereust, dass du das Risiko nicht eingegangen bist. Wenn dir bewusst wird, dass du nie wissen wirst, was gewesen wäre, wenn du es getan hättest?" Seine Worte trafen etwas tief in meinem Inneren, weil ich wusste, dass er recht hatte. Mit. Jedem. Verdammten. Wort. "Du weißt wie unberechenbar das Leben sein kann Avery. Vermutlich besser als viele andere auf dieser Welt. Lass es nicht so weit kommen. Lass dich nicht von deiner Angst bestimmen. Irgendwann wirst du es bereuen."

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt