Schneller als er und vor allem mein Gehirn hätte reagieren können, riss ich ihm die Sonnenbrille von den Augen und sah dann geschockt in diese. "Nein", hauchte ich fast schon lautlos und die Brille glitt mir aus der Hand und prallte dann mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden.
Die Zeit schien still zu stehen. Ich sah in die blau-grünen Augen der Vergangenheit und konnte so viel in ihnen sehen. Verwirrung, Schmerz, Kälte und noch mehr. Es schien mir, als würden die letzten 17 Jahre noch einmal an mir vorbeiziehen und es fühlte sich so an, als würde alles auf mich einstürzen.
"Jace", flüsterte ich fast schon lautlos und befand mich in einer Art Trance. "Woher kennst du meinen Namen?" Seine Stimme riss mich aus meiner Starre und erschrocken zuckte Ich zusammen.
Mein Gehirn setzte wieder ein und fast schon fluchtartig rannte ich zur Leiter. Mit einem letzten erschrockenen Blick zu ihm, stieg ich diese so schnell ich konnte runter. Meine Hände zitterten wie verrückt und ich versuchte die Rufe des schwarzhaarigen Jungen zu ignorieren.
"Hey, warte doch!", rief er mir hinterher, doch ich blendete ihn aus und konzentrierte mich darauf nicht von dem glatten Metall abzurutschen.
Ich musste hier weg. Alles woran ich dachte, war hier wegzukommen. Weg von ihm, weg von diesem Ort, weg von dieser Vergangenheit.
Sobald meine Füße den Boden berührten, nahm ich meine Beine in die Hand und rannte so schnell es ging zu meinem Auto. Schneller als eh und jeh, hatte ich es aufgeschlossen und Sekunden später konnte er nur noch eine Staubwolke bewundern.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, schnürte mir die Luft ab und förderte den Schwindel, der mich umgab. Schauer durchliefen meinen Körper. Dunkelheit, die ich schon seit einer langen Zeit nicht mehr gespürt hatte.
Ich fuhr und fuhr, bis ich an einem kleinen verlassenen Ort ankam, den ich noch von früher aus meiner Kindheit kannte. Damals war ich oft hier gewesen. Und heute kam ich zurück. An den Ort, der ein Teil meiner Vergangenheit war und den ich seit Jahren nicht betreten hatte.
Das Gebüsch, durch das ich mich kämpfte, hatte einige Dornen, sodass meine Sachen und vielmehr noch meine Beine nicht ganz so heil wie vorgesehen blieben, aber in diesem Moment war es mir sowas von egal.
Den Schmerz spürte ich nur, wenn ich ihn zu lies und mich auf ihn konzentrierte. Und das tat ich in diesem Moment definitiv nicht. Ich schlängelte mich durch einige Bäume und kam dann an einem kleinen Felsvorsprung an.
Das Meer erstreckte sich vor mir und ich schloss kurz meine Augen und dachte an früher, bevor ich mich auf den Rand setzte und meine Beine in der Luft baumeln lies.
Erst jetzt wurde mir wirklich klar, was gerade passiert war. Die Blase in der ich mich die ganze Zeit befand schien zu platzen und die ganzen verdrängten Gedanken prasselten wie Hagel auf mich ein.
Er war hier. Hier an meiner Schule. Hier in meiner Klasse. Hier in meinem Leben.
Wie sehr ich mich noch vor wenigen Jahren darüber gefreut hätte. Wie schnell ich ihm verziehen hätte und ihm weinend in die Arme gefallen wäre. Mein altes naives Ich hätte alles dafür gegeben sie wiederzuhaben. Es hätte alles aufgegeben und jeden ihrer Fehler verziehen.
Und mein heutiges Ich wollte sie nicht mehr bei sich haben. Ich würde vermutlich alles mögliche in die Wege setzten sie nicht mehr sehen zu müssen, aber das konnte ich nicht. Ich musste noch einige Zeit warten biss ich endlich 18 war und alleine Leben durfte. Eine für mich viel zu lange Zeit.
Eine Welle voller Emotionen überkam mich und ich wurde zurückgeschleudert in Erinnerungen voller Tränen und Hoffnung.
Flashback
Schweratmend und mit einem Herzschlag der jegliche Rekorde brechen würde, schreckte ich hoch und saß kerzengerade in meinem Bett. Mir war heiß und gleichzeitig kalt. Alles an mir zitterte und die Gänsehaut auf meinem gesamten Körper tat schon fast weh.
Meine Füße berührten den kalten Boden und wie von alleine tapsten sie in Richtung Flur und blieben vor einer Tür stehen, deren dunkle Farbe in der Dunkelheit schon fast schwarz wirkte. Meine Finger strichen sanft über die Konturen der Eingravierung und ich lehnte meine Stirn gegen das Kühle Holz.
Meine Hände umgriffen die kalte Türklinke und mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür. Doch kaum sah ich in den Raum traf mich erneut der Schlag und ein leises Schluchzten entfuhr mir, dass sich in der Stille unglaublich laut anhörte.
Einzelne Tränen rannen mir über das Kinn und wurden innerhalb weniger Augenblicke zu einem Strom ohne Ende. Meine Beine gaben nach und ich landete mit einem dumpfen Knall auf dem Holzboden. Ich zog meine Beine an meinen Körper und bettete meinen Kopf auf meinen Knien.
Alles was ich spürte war Schmerz, während meine Schluchzer die Stille durchbrachen. Tausende von kleinen Messern bohrten sich in mein Herz und ein Druck, der mich einsperrte und mir die Luft zum Atmen nahm breitete sich in mir aus.
Ich versteckte mein Gesicht in meinen Händen und wieder einmal konnte ich nicht realisieren was passiert war.
"Warum?", flüsterte ich kaum hörbar. Eine betäuben Stille umgab mich, eine eisige Kälte, ein Meer aus Nichts. "Warum, Warum, WARUM!?", schrie ich mir unter unvorstellbaren Schmerzen frustriert die Seele aus dem Leib. Ich schrie und schrie. Niemand würde davon wissen oder jemals etwas davon bemerken, denn niemand war da. Niemand konnte mich hören.
Ich weinte und weinte ohne Halt und ohne sichtbares Ende. Der See in dem ich schwamm wurde immer größer und die Kraft, die mich ertrinken lies immer stärker. Mit zittrigen Beinen stand ich auf und legte mich dann in das Bett des Zimmers. Ich kuschelte mich in die Decke und das Kissen in der Hoffnung, die Wärme darin zu finden, die ich verloren hatte.
Sein gewohnter Geruch umgab mich und augenblicklich schienen noch mehr Tränen meine Augen zu verlassen. Ich vermisste ihn mehr, mehr als alles andere und die Erkenntnis, dass ich ihn vermutlich nie wieder sehen würde lies mich innerlich sterben.
Ich hoffte, doch war diese Hoffnung sinnlos.
Ich vermisse dich so sehr Jace.
Flashback Ende
Doch leider kamst du zu spät.
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Hold me - Heart of Ice
Teen Fiction(Deutsch) 》Trotzt dieser Leere, die mich in diesem Moment und seit Jahren beschrieb, konnte man die Spannung und die Gefühle in der Luft spüren. Sie hingen wie Blitze um uns und bildeten eine Gitter voller Schmerz, Hass und Erinnerungen. Ich war gef...