38.Kapitel

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Mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht lief ich durch die stockdunklen Gänge. Neben dem Schein des Mondes spendete mir nur meine Taschenlampe etwas Licht. Meine Schritte erschienen ungewöhnlich laut, jede meiner Bewegungen schien am anderen Ende des Gebäudes zu hören sein.

Die Schule wirkte in dieser Nacht wie ein Gespensterhaus - gruselig, eiskalt und totenstill. Früher wäre ich schreiend vor der Dunkelheit weggerannt, doch heute war sie wie mein zu Hause. Sie bat mir Schutz, gab mir Sicherheit. Ich hatte keine Angst mehr vor ihr, warum auch. Ich wusste dass ich nie alleine war - Meine Eltern und Maci waren doch bei mir. Vielleicht konnte ich sie nie sehen, aber ich wusste dass sie mich auf all meinen Wegen begleiten, mir die Kraft gaben zu kämpfen und zu Leben.

Auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte erneut zu ertrinken.

Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Tasche auf den Boden und ich kramte eine der Sprühflaschen heraus. Die Vorlage meines Bildes hatte ich im Kopf - schon viele Male hatte ich es gesprayt. Eine Rose aus Feuer und Eis. Sie war an jedem meiner Spinde. Mir war es egal wie viel Ärger ich dafür bekam, ich tat es einfach, viel würde eh nicht passieren. 

Ich wusste nicht genau warum eine Rose. Von außen sieht sie wunderschön aus, duftet und hat eine eigenartig starke Ausstrahlung. Sie sieht so...majestätisch aus, so verletzlich und doch stark wie Eis. Und gleichseitig ist sie durch ihre Dornen gefährlich. Eine Schutzmauer, die sie schützt, sie behütet und unverletzlich macht. 

Feuer und Eis, weil es mich irgendwie beschrieb.  Gefährlich, unberechenbar, stark und eiskalt. 

Nach einiger Zeit war ich fertig und betrachtete stolz mein Kunstwerk. Dann packte ich meine Sachen zusammen und verschwand im Schutz der Dunkelheit Richtung Kunsträume. Die Räume waren zu meinem Vorteil über Nacht nicht abgeschlossen, sodass ich sie ohne Probleme betreten konnte. Schon seit meiner ersten Stunde hier drin kotzen mich die weißen Wände mit den Farb- und Wasserflecken an. Was war so schwer daran, die Wände zu bemalen? Es ist doch ein Kunstraum, warum musste der dann so hässlich und unkreativ sein. 

Leise schloss ich die Tür hinter mir und packte dann meine Sachen aus, die ich benötigte. Ich hatte viel vor, zu viele Ideen waren in meinem Kopf. Und die Wände waren groß, sodass ich mich ordentlich austoben konnte. 

Vor meinen Augen erschien ein klares Bild was ich als erstes machen wollte. Es war das Gesicht einer Frau mit gelben Haaren und einem bunten Gesicht. Es war in blau, rot und Gelbtönen gehalten mit weißen und schwarzen Details. Ich mochte es, weil es so stark und mutig wirkte, weil es keinerlei Angst zeigte. 

Ich brauchte relativ lange, immer wieder besserte ich etwas aus, weil es mir nicht gefiel, weil ich wollte dass es perfekt wurde. Auch wenn es kein perfekt gab. 

Stolz auf mich selbst betrachtete ich mein Bild einen Moment lang und widmete mich dann dem nächsten Kunstwerk. Eine See mitten in einem Wald erschien vor meinen Augen, mit einem leuchtendem Sternenhimmel und einem riesigen Mond. Auch hierfür brauchte ich sonderlich lange. Es waren Unmengen von Details, die ich einfügte. Es sollte nicht nur ein Graffiti werden, sondern etwas besonderes, was niemand je zuvor gesehen hat und nie mehr sehen wird. Es sollte einzigartig sein. 

Immer wieder versank ich beim sprühen in Gedanken, erinnerte mich an früher. Ich war versunken, versunken in meinen Gedanken, versunken in einer Welt, in der Zeit keine Rolle spielte. 

Flashback

Vor mir erstreckte sich eine riesige Wiese. Hunderte von Menschen liefen zwischen Ständen und Fahrgeschäften herum, lachten und konnten für einen Moment alles vergessen. Glücklich sah ich Ryan an und zog ihn mit einem riesigen Lächeln zu einem Stand.

Hold me - Heart of IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt