Kapitel 23

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Träge lag ich im Bett und starrte an die Decke. Mein Spiegelbild schaute zurück. Doch sein Ausdruck war hart. Egal wie schön der gestrige Abend war. Wie viel Aufmerksamkeit Hisoka mir geschenkt hatte. Wie geliebt ich mich gestern gefühlt hatte. Der Morgen hatte alle positiven Gefühle weggewaschen. Verständnislos wanderte mein Blick nach rechts. Die gähnende Leere der anderen Bettseite machte mich wütend. Und traurig. Seufzend fixierte ich mich wieder an. Das war doch kein Leben. Ich will nicht tagelang hier herumsitzen und darauf warten, dass Hisoka endlich zurückkommt. Nicht nur die Langeweile frisst mich auf, sondern auch das ständige Nichtstun. Auch wenn ich einen Job hatte, so wirklich erfüllte er mich nicht. Dazu vermisste ich meine Freunde, einfach mit ihnen über Dinge zu scherzen oder das Trainieren mit Jin. Hier war ich so alleine. Das Klingeln meines Telefons riss mich aus den trüben Gedanken. Zuerst wollte ich es einfach ausklingeln lassen, als ich Hisokas Namen auf dem Sperrbildschirm erblickte. Schliesslich rang ich mich aber dazu durch abzunehmen. Trotzdem sagte ich kein Wort.
"Tut mir leid Darling, dass ich wieder weg bin. Chrollo braucht uns..." Wortlos fixierte ich die Decke. Ich wusste nicht einmal mehr, ob ich ihm das glauben sollte.
"Mhm", brummte ich teilnahmslos.
"Bitte nicht böse sein", flüsterte er. Wahrscheinlich waren die anderen Spinnen in der Nähe.
"Ich bin nicht böse", setzte ich eine gute Laune auf, räusperte mich aber. Denn seine Stimme zu hören, schnürte mir den Hals zu.
"Ich liebe dich", flüsterte er nun noch leiser und legte auf, bevor ich es zurück sagen konnte. Mit Tränen in den Augen rollte ich mich in der Decke ein. Es frustrierte mich, so abhängig von ihm zu sein.

Der Dezember überrannte uns ohne Vorwarnung. Ehe ich mich versah, waren es noch zwei Tage bis Weihnachten. Dem Radio lauschend packte ich all meine Habseligkeiten in meinen Koffer. Ich hatte mich für mein weiteres Vorgehen entschieden und wollte mich nicht mehr davon abbringen lassen.
"Ich bin wieder Zuhause!", rief ein gut gelaunter Rothaariger, während ich gerade den Reissverschluss meiner Tasche zuzog. Ich atmete nochmals tief durch, dann trat ich mitsamt meines Eigentumes in den Gang. Pfeifend hängte der Magier seine Jacke auf.
"Ich habe Essen mitgebracht-" Er stockte sofort, als er mich mit dem Koffer erblickte. Seine gute Laune fiel augenblicklich unter den Gefrierpunkt. Versteift richtete er sich auf und sah mich kalt an.
"Wo gehst du hin?" Seine dominante Stimme schickte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich wollte selbstsicher antworten. Die Kraft verliess mich dennoch.
"Zu meinen Freunden. Ich werde Weihnachten mit ihnen feiern", antwortete ich fahl und traute mich nicht, ihm in die Augen zu sehen.
"Und dafür brauchst du zwei Koffer und einen Rucksack!", zischte Hisoka und verschränkte die Arme vor der Brust. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Was dachte ich denn, wie er reagiert!?
"Ich werde zu ihnen zurück gehen", hauchte ich stimmlos. Mit zwei grossen Schritten stand der Zauberer vor mir. Sein Gesicht nah an meinem musterte er mich.
"Du verlässt mich!" Ich widerstand dem Drang aufzuheulen. Meinen Mut zusammengenommen, schaute ich ihm in die Augen. Den Schmerz in seinen wundervollen Iriden konnte ich kaum übersehen.
"Ich ziehe zurück-"
"Du verlässt mich!", wiederholte er sich hysterischer. Die Augen in schrecklicher Realisation aufgerissen, verzog sich sein Mund in ein abartiges Grinsen. Ein geisteskranker Ausdruck fand sich auf seinem sonst so attraktiven Gesicht wieder. Zitternd blinzelte ich die Flüssigekeit aus meinen Augen.

"Wir haben es versucht! ICH habe es versucht... Es funktioniert nicht... Ich kann nicht tagelang hier auf dich warten in der Hoffnung, dass du irgendwann wieder auftauchst. Und wenn du- wenn du das von mir-... von mir verlangst-, ist-ist das grausam", schluchzte ich auf. Hemmungslos nässten die Tränen meine Wangen ein. Tropften vom Kinn auf den Boden.
"Ich liebe dich, Hisoka! Aber ich kann nicht mit dir zusammenwohnen..." Nun konnte ich die Schluchzer nicht mehr aufhalten. Laut trafen meine Taschen auf dem Boden auf, als ich sie fallen liess, um mein Gesicht in den Händen zu vergraben. Ich weinte. Wegen mir. Weil ich nicht stark genug war, auf ihn zu warten. Und wegen ihm. Weil ich ihm zweitrangig war. In diesem Moment war mir absolut egal, was Hisoka von mir hielt. Er wusste sowieso schon alles über mich. Ich spürte, wie er seine Arme um mich legte. Ihm alles zutrauend ging ich vom schlimmsten aus. Wollte mich auf seine Bewegungen fokussieren. Aber das war in meinem Zustand gerade unglaublich schwer. Ich zuckte zusammen, als er seine Hand an meinen Hinterkopf legte und diesen nach vorne drückte, bis meine Stirn auf seiner Schulter auftraf. Heulend presste ich mich an ihn. Weinte, bis ich keine Tränen mehr übrig hatte. Aber selbst dann hielt er mich weiter.
"Es tut mir leid. Ich will dich nicht verlassen! Ich kann nur nicht mit dir wohnen!", hauchte ich mit rauer Stimme. Hisoka seufzte laut.
"Ich sollte mich entschuldigen... Es macht mich einfach wütend, wenn du so etwas sagst."
"Warum?", fragte ich leise. Seine Hand streichelte sanft meine Seite. Erschöpft lehnte ich mich in seine Berührung.
"Ich bin alles andere als ein einfacher Liebhaber und schon gar nicht ein guter Freund-" Er stockte kurz und haderte mit sich, ob er weiterreden sollte. Ich liess ihm Zeit. Wenn er es wollte, könnte er es tun.
"Ich habe Angst, dich zu verlieren..." Mein Herz machte einen Satz. Vorsichtig löste ich mich von ihm. Aber nur so viel, dass ich ihm in die Augen sehen konnte. Obwohl mein Anblick schrecklich aussehen musste, erkannte ich in seinem Gesicht keine Anzeichen von Belustigung. Behutsam legte ich eine Hand an seine Wange, achtete darauf, dass er mir in die Augen schaute.

Forever him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt