Kapitel 5

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"Schön euch alle zu sehen", lächelte ich spannungsgeladen. Unser letztes Treffen war nicht ansatzweise so gut verlaufen, wie ich es mir gewünscht hatte. Meine Freunde murmelten eine Begrüssung. Nur Riku erhob sich, um mir richtig Hallo zu sagen.
"Nimm es nicht persönlich. Du kennst die Miesepeter ja", flüsterte er ein paar aufmunternde Worte in mein Ohr. Nickend gab ich ihm recht. Nur hätte ich nie erwartet, der Grund ihrer schlechten Laune zu sein.
"Die Runde geht auf mich, was wollt ihr?", versuchte ich die Stimmung etwas aufzulockern. Ein wenig zögerlich antworteten sie. Seufzend machte ich mich auf den Weg an die Bar. Lange würde ihr Groll nicht anhalten. Trotzdem war es mehr als unangenehm.
"Ich helfe dir", stellte der Zwilling seine Hilfe zur Verfügung. Gemeinsam überbrachten wir die Bestellung und warteten auf die Getränke.
"Sind sie wirklich so wütend, weil ich weg war?" Der Kurzhaarige drehte einen Kartonuntersetzer zwischen seinen Fingern.
"Nicht wirklich. Weniger dass du gegangen bist. Eher, dass du ohne Ankündigung verschwunden bist. Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht... Du hättest Jin sehen sollen. Nachdem was mit Suki schon los war- als du weg warst, war er ein nervliches Wrack. Was wenn dir etwas passiert ist? Wenn du entführt wurdest oder irgendwo halbtot im Graben liegst, und so weiter. Meine Schwester wollte er damit nicht belasten. Aber mir hat er ständig die Ohren vollgeheult." Seine violetten Augen von dem Bierdeckel abwendend, fing er meine ein.
"Dann ist er auf einmal verschwunden. Und als er zurückkehrte, wollte er kein Wort mehr über dich hören. Es hat ihn wirklich mitgenommen", seufzte er. Das war wohl, als er im Versteck der Phantom Troupe aufgetaucht war.
"Jin funktioniert nicht ohne dich!", lächelte Riku wehmütig, nahm eines der Tabletts an sich und bahnte seinen Weg zu den anderen zurück.

Mittlerweile waren auch Suki und Jin angekommen. Die herzliche Begrüssung die sie erhielten war das komplette Gegenteil derjenigen, die ich bekommen hatte. Aber wie sollte ich das meinen Freunden Übel nehmen. Die Drinks an alle verteilt, kehrte Stille ein. Diese musste ich nutzen.
"Leute, es tut mir Leid. Ich weiss, ich hätte euch Bescheid geben müssen." Ich schluckte, suchte nach Worten, mit denen es sich erklären liess, ohne eine Ausrede zu benutzen. Riku nickte mir ermutigend zu.
"Ich war selbst überrascht, als ich von dem Notfall erfahren hatte-"
"Was war es für ein Notfall! Was kann schlimmer sein, als die direkte Bedrohung deiner besten Freundin?", warf Hogai ein. Die Lippen aufeinandergepresst, suchte ich nach einer Begründung.
"Das kann ich euch nicht sagen...", murmelte ich schliesslich, meinen Blick auf das Glas vor mir gerichtet. Der Blonde schnaubte und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück.
"Es war nicht meine Absicht, jemanden damit zu verletzen."
"Und wer soll dir das glauben? Du hast uns im Stich gelassen! Du hast Suki im Stich gelassen!" Vergebens versuchte ich den Kloss in meinem Hals herunterzuschlucken.
"Ich wollte es nicht-" Meine Stimme war schwach. Mit tränenverschleierten Augen schaute ich zu der gefährdeten Zwillingsschwester. Ihr mitleidiger Gesichtsausdruck war aber fast noch schlimmer als der vorwurfsvolle, den Ryutaro mir stumm schenkte.
"Mein Meister hat mich am Mittag angerufen-", mischte sich Jin plötzlich ein. Sofort lag die ungeteilte Aufmerksamkeit auf dem Schwarzhaarigen.
"-und mir alles erklärt." Die Stirn ernst in Falten gezogen betrachtete er mich einige Sekunden lang.
"Angesichts der Umstände verstehe ich, warum du angefordert wurdest Yori, und nicht ich. Trotzdem hättest du wenigstens mir sagen können, wo du hingehst!"
"Und dein Meister ist vertrauenswürdig?", wollte Ryu wissen.
"Ich verdanke mein Leben meinem Meister!"
"Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?"
"Vor einer gefühlten Ewigkeit", anwortete der Uniformierte wahrheitsgetreu.
"Kann es sein, dass er sich verändert hat?", warf der Weisshaarige ein.
"Weiterentwickelt auf jeden Fall! Aber mein Meister würde niemals Hilfe anfordern, wenn es nicht dringend gewesen wäre. Ich vertraue vollstens darauf!", nahm mich Jin in Schutz. Daraufhin tauchten alle in ihre eigenen Gedanken ab.

Mit meinem besten Freund unterhielt ich mich durch Augenkontakt. Ich fühlte, dass er meine Aura lesen konnte, wodurch er ganz genau wusste, was ich dachte. Und bei mir war es ebenso. Das war etwas, was wir uns über die Jahre erarbeitet hatten. Fast unerschütterliches Vertrauen! Neuen Mut gefasst, setzte ich zu einer weiteren Diskussionsrunde an.
"Wie kann ich es wieder gut machen?" Dabei visierte ich einen nach dem anderen an, damit sich jeder eine Antwort überlegte. Hogai seufzte und redete zuerst.
"Bei mir musst du nichts wieder gut machen. Ich fand es eine scheiss Aktion von dir, aber sie ist Vergangenheit. Wir sollten es abhaken."
"Ganz deiner Meinung", brummte Hitoshi seinen ersten Input, seit ich bei ihnen war.
"Ich werde dir verzeihen, wenn Suki es auch tut!", meinte Ryutaro fest entschlossen.
"Ich ebenso..." Juzo blinzelte unruhig hin und her. Vor ihm stand nur ein Glas Wasser. Wahrscheinlich versuchte er sich gerade an eiskaltem Entzug. Suki griff über den Tisch nach meiner Hand.
"Ich verzeihe dir... Aber jage uns ja nie wieder einen solchen Schrecken ein!" Die Erleichterung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Dankbar lächelte ich ihr zu. Meine Augen wanderten jedoch schnell weiter zu dem Uniformierten, der neben ihr sass und einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte.
"Wir haben schon darüber geredet", meinte Jin bloss, schenkte mir aber trotzdem ein gequältes Lächeln. Nun fehlte nur noch Riku. Nachdenklich knabberte dieser an seinen Fingernägeln herum. Ihn schien noch etwas zu beschäftigen. Doch da er es nicht in Anwesenheit aller ansprach, nahm ich an, dass es sich um etwas spezifisches handelte.
"Du hättest dich schon melden können...", murmelte er schliesslich, noch immer in Gedanken. "Ich habe dich tausend Mal angerufen. Warum bist du nie rangegangen?"
"Ich-" Eine Ausrede kam mir nicht in den Sinn. Ich brauchte sie aber auch nicht.
"Das hat sie bei mir vergessen", ertönte Hisokas Stimme über mir. Eine Hand auf meiner Schulter platziert, legte er mein Telefon mit der anderen vor mich auf den Tisch. Mein Retter in Not! Ein wenig drehte ich mich so, dass ich ihn besser anschauen konnte. Und er sah mal wieder verdammt gut aus!
"Entschuldige, dass ich so spät komme. Ich hatte noch etwas... zu erledigen." Der Magier grinste einmal in die Runde.
"Ich gebe aus, was wollt ihr?" Sofort prasselten die Bestellungen auf ihn ein. Lachend versuchte er es sich zu merken. Von allen eine Antwort erhalten, blickte er auf mich herunter. Seine Augen strahlten Ruhe und Zufriedenheit aus.
"Und du?... Nein lass mich raten: Sex On The Beach?"
"Du hast es erfasst", lächelte ich zurück. Hisokas Grinsen wurde breiter. Langsam lehnte er sich zu mir herunter. Unsere Lippen berührten sich nur kurz. Trotzdem hatten es wohl alle gesehen.
"Dann bis gleich", verabschiedete sich der Magier schon wieder und tauchte in der Menschenmenge unter. Ich schaute ihm nach. Als ich mich wieder umdrehte, schoss die Röte in mein Gesicht. Hogai starrte mich mit halboffenem Mund an.
"Wann ist das denn passiert!?"
"Ehm... Bevor das mit Suki los war", nuschelte ich.
"Also seid ihr jetzt zusammen?", wollte Riku wissen. Schüchtern nickte ich. Ein Seitenblick auf Jin zeigte mir, dass er ein breites Lächeln unterdrückte. Der Kurzhaarige neben ihm versuchte nicht einmal, dieses zu verbergen. Hogai zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe.
"Habe ich dir gesagt", lachte Juzo und stupste Hitoshi an, welcher ihm grummelnd eine Banknote in die Hand drückte.
"Deine Geheimnisse sind bei mir sicher", zwinkerte der Kampfkünstler, während er das Geld in seiner Hosentasche verstaute. Kopfschüttelnd verdrehte ich die Augen. Vor ihnen könnte ich keine Geheimnisse haben. Jedenfalls fast keine...

Forever him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt