05 - Wer wohnt hier denn NOCH alles???

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Erst, als mir die Luft ausgeht, merke ich, dass ich den Atem angehalten habe. Ich hatte das noch nie. Aber jetzt spüre ich eine Welle von Panik auf mich zurollen.
Noch einer? Wie viele sind hier denn untergekrochen!?! Ich muss hier raus!

"Halten Sie sich gut fest. Sie fallen sonst noch rein. Kommen Sie erstmal hoch aus dem Gestank."
Na, der hat ja Nerven. Benimmt sich wie ein gönnerhafter Hausbesitzer gegenüber einer Einbrecherin.
Ich folge dennoch seinem Rat, denn so eingekreist von Wasser und zwei fremden Männern stecke ich echt in der Scheiße.
Mit klappernden Knien wackele ich die morsche Treppe hoch und leuchte wieder alles an.
"Kaputt ist nur die zweite von oben."

Ich beiße die Zähne zusammen und erreiche heile die Steinstufen. Der Bauarbeiter macht höflich zwei Schritte rückwärts und hält mir die Tür auf. Ich verstehe die Welt nicht mehr und eile verwirrt an ihm vorbei bis in die Halle. Erst hier atme ich ein paarmal tief durch. Wieder will mich mein Fluchtinstinkt nach draußen treiben, zu So-Ra, ins sichere Auto. Aber der Rest von Selbstachtung in meinem Oberstübchen bremst und fordert eindringlich, dass ich dieser Sache hier auf den Grund gehe. Wenn die Villa saniert wird, muss sie leer sein. Der Mann hier oben hat keine Waffe in der Hand. Und der Mann da unten braucht Hilfe.

Wie spreche ich einen obdachlosen Bauarbeiter an, der offensichtlich meine Ruine als sein Zuhause betrachtet?
Die Frage klärt sich schnell von allein. Der Typ hat echt das Heft in der Hand. Entspannt schlendert er an mir vorbei durch die Halle. Seine Bewegungen sind geschmeidig, elegant und präzise. Er ist sich seiner Wirkung absolut bewusst und fühlt sich sicher.
"Bin da vorne rechts, da ist die Küche."
Verblüfft von meiner eigenen Geistesgegenwart antworte ich wie auf Knopfdruck.
"Ich weiß."

Abrupt bleibt er stehen, dreht sich um und wirkt plötzlich ziemlich unentspannt. Sein Gesicht ist ausdruckslos, aber sein Blick liegt lauernd auf mir.
"Aha."
Stille.
"Und woher, wenn ich fragen darf?"
Auf einmal bin ich wieder ruhig. Der hat nämlich genau so viel Angst wie ich.
"Ich war heute noch nicht drin. In der Küche. Aber dafür vorher fünfzehn Jahre lang."
Stille. Seine Augen weiten sich, er hat verstanden.
"Ich habe meine Kindheit in diesem Haus verbracht."
Mehr verrate ich erstmal nicht.

Aber er fängt sich schnell wieder und stellt sich ziemlich geschickt an. Ich muss ganz schön aufpassen, was ich sage. Immerhin - seine Anspannung führt dazu, dass ich mich etwas entspanne.
"Und jetzt wollen Sie diesen verrotteten Steinhaufen wieder haben."
"Ich HABE den Steinhaufen. Mit allem, was drinnen und drumrum ist."
Der Mann macht einen Schritt rückwärts.

Doch bevor er antworten kann, höre ich von der Treppe eine weitere, junge, ebenfalls männliche Stimme, begleitet von müden, polternden Schritten. Aber der unterschwellig aggressive Tonfall lässt mich doch hellhörig werden.
"Oh Mann, Hobi. Das ist doch nicht dein Ernst! Wir waren uns doch einig, dass wir hier keine Weiber anschleppen. Schaff die weg! Echt jetzt. Und das vor dem Frühstück."
Der Bauarbeiter - offensichtlich ein Hobi - scheint nun gänzlich überfordert. Er rührt sich nicht von der Stelle und hat kaum Stimme, als er antwortet.
"Klappe, Jeongguk. Das ist keine Schlampe. Das ist die Besitzerin unseres Daches überm Kopf."

Das Poltern verstummt. Und ich verliere meine Angst nun völlig, denn ich habe es hier zwar offensichtlich mit einem ganzen Obdachlosenheim zu tun, aber bestimmt nicht mit einer bis an die Zähne bewaffneten Verbrecherbande. Die sind alle unausgeschlafen, verunsichert und sich gegenseitig nicht grün. Ich verkneife mir ein völlig unangepasstes Kichern und schaue lieber nach oben. Auf halber Treppe steht ein gar nicht mehr aggressiver Jugendlicher, zur Salzsäule erstarrt, und wedelt erst nach einer langen Schrecksekunde hilflos mit den Händen in Richtung Hobi Bauarbeiter. Was auch immer er ihm damit sagen will.

Um dem ganzen absurden Theater die Krone aufzusetzen, hört man in die Stille hinein kurz ein Schlurfen und dann ein Gähnen, das einem Löwen alle Ehre gemacht hätte, gefolgt von einer sehr tiefen Stimme irgendwo oben. Ich kann das Lachen kaum zurückhalten.
"Guckie, wenn du nicht sofort aufhörst, mitten in der Nacht so einen Lärm zu veranstalten, dann hetz ich meinen Mops auf dich."
In Jungkook kommt wieder Leben. Er muffelt zurück in Richtung der Stimme, ganz der typische, schmollende Teenager.
"Du hast keinen Mops."
"Das werde ich aber bald ändern, wenn du so weiter machst."
Das müde Schlurfen entfernt sich wieder, im ersten Stock klappert eine Tür. Erneut Stille.

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