Ich betrete meinen kleinen Flur und sehe sofort, wie langsam Joon sich bewegt. Er ist richtig grau im Gesicht vor Erschöpfung. Allmählich kommt auch er an seine Grenzen.
Es wird Zeit, dass er sich nicht mehr um mich Sorgen machen muss.
Ich nehme ihm seinen Mantel ab, hänge ihn auf einen Bügel und umarme meinen müden Freund.
"Du siehst furchtbar geschafft aus. Ist heute irgendwas passiert? Oder ist das einfach der Endspurt?"
"Danke, Schatz. Nein, es ist nichts passiert. Ein paar Pressefritzen vor dem Tor, ein paar Anfragen per Mail und Telefon. Und dazu tausend andere Sachen. Auch Yoongi versetzt täglich Berge. Ach ja - die beiden Damen lassen grüßen. Sie bedanken sich für deine umfangreiche und aussagekräftige Presseschau. "Namjoon steckt seine Nase in meine Haare und schnuppert spielerisch daran. Mit einem müden Lächeln taucht er wieder auf.
"Ich wüsste allerdings nicht, was ich ohne Jin, Tae und Jimin machen würde. Ich weiß, ob ich mich wohlfühle, wenn ich in einen Raum komme. Aber ich habe keine Ahnung, woher das kommt. Unsere drei Augen-, Ohren-, Nasen- und Gaumenkünstler schütteln das alles aus dem Ärmel, und ich stehe staunend daneben.""Komm erstmal rein. Und Kochen ist Quatsch, wir bestellen uns was."
"Ich hatte gehofft, dass du das vorschlägst. Ich hätte gerne ein irgendwas, du machst das schon."
Lachend drücke ich ihn aufs Sofa und bestelle zweimal Pizza 'irgendwas'."Was habt ihr denn heute gemacht?"
"Wir haben uns die Skizzen für Heilig Abend geschnappt und schon mal Möbel gerückt. Wo, wie, was. Jimin hat vor ein paar Tagen an der Stelle vom Park, wo nächstes Jahr der Meditationsgarten entstehen soll, einen sehr schönen Baum gefällt und ihn so lang zum Trocknen ... untergestellt. Den hat er heute reingeholt und aufgebaut. Dann haben die Jungs angefangen, Stühle, Tische, den Baum, das Buffet, das Rednerpult, die Technik hin und her zu schieben. Für mich war das nur Chaos und Stühlequietschen auf Parkett. Also bin ich in die Küche, um für alle Kaffee zu kochen. Als ich wieder reinkam, stand schon alles an seinem Platz, wirkte zweckmäßig, freundlich und einladend - die müssen gezaubert haben."
Ich schmunzele.
"Jaaa, das klingt nach Taehyung. Er ist wie eine Wundertüte bei sowas. Aber dann habt ihr doch heute viel geschafft. Wenn der Rohbau steht, kann jetzt jeder seinen Anteil unabhängig von den anderen erledigen."Mir kommt ein weiterer Gedanje.
"Vielleicht kannst du mir raten. Ich überlege immer noch, ob ich die Kekstütchen auf die Plätze, unter den Baum, am Eingang aufstellen, während meiner Rede oder sonstwie an Mann und Frau bringen soll. Was denkst du?"
"Erst müssen wir testen, ob die überhaupt noch gut sind!"
Mit breitem Grinsen und übertriebenem Schnuppern steht Joon auf und bewegt sich zielstrebig auf die Schachteln neben meinem Schreibtisch zu.
"Spinner. Finger weg!"
"Oooooch."
Mit einem Schmollmund lässt er sich zurück aufs Sofa plumpsen.Es klingelt. Ich fahre schnell runter und nehme die Pizza entgegen. Als ich wieder ins Wohnzimmer komme, ist Namjoon - eingeschlafen.
Mist! Er sollte heute nicht hier schlafen. Aber ihn jetzt zu wecken ist grausam.
Trotzdem wecke ich ihn auf, wir essen unsere 'Irgendwas' und albern ein bisschen rum. Dann schmeiße ich Namjoon wieder raus, bevor er noch müder wird. Sonst schläft er gleich hinterm Steuer ein.Über mein Mama-appa-Erlebnis von vorhin muss ich ein andermal berichten. Ich schreibe diese Woche einfach alles auf. Für die anderen muss mein inneres Erleben jetzt mal Pause machen.
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Freitag Morgen. Ich wache auf und sitze sofort senkrecht, als ein Gedanke mein Gehirn durchzuckt.
Morgen in einer Woche! In acht Tagen werden wir den 'wohltätigen Zweck meiner Wahl', werden wir die Stiftung gründen. Ich habe es geschafft, Harrys Testament getreu umzusetzen, habe schon jetzt ganz vielen Menschen Gutes getan.Namjoon ist bestimmt schon lange wieder auf den Beinen und bei der Arbeit. Aber ich lasse mir Zeit für den Start in den Tag. Nach dem Frühstück hocke ich mich mit einer Tasse Kaffee wieder an mein Laptop und besuche die selben Online-Zeitungen wie gestern. Ich will die Kommentare und Leserbriefe checken.
Das sieht ja alles ganz positiv aus. Die Pöbler scheinen sich bei der Regenbogenpresse zu tummeln.
Mal sehen, ob das bis in die sozialen Medien geschwappt ist.
Ist es. Die junge Journalistin, die ich an ihrem Profilbild erkennen kann, hat auf ihrer Facebookseite ganz persönlich von der Veranstaltung erzählt und dann Links zu unserer Homepage und dem Netzwerk auf all ihren Kanälen geteilt. Ihre Freunde haben darauf reagiert und das weiter geteilt.
Wie niedlich. So viel Wertschätzung!
Ich schicke ein paar Ausschnitte der Reaktionen ans Büro und fahre mein Laptop runter.
Von der Seite drohen uns keine bösen Überraschungen, denke ich.
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STAY GOLD
FanfictionEndstation. Sieben junge Männer stranden in einer alten Ruine, gefangen in Scham, Resignation, Schuld, Wut und Angst vor dem Morgen. Ein Teufelskreis. Spirale abwärts. Der Luxus ist verblasst, ihre Lebensträume sind vor die Wand gefahren - nichts ge...