73 - Volle Taschen, leichtes Herz

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Da wir schon um 20.00 Uhr ins Bett gegangen sind, wachen wir locker um 4.00 Uhr morgens wieder auf. Das ist für die Rückkehr nach Seoul immerhin die halbe Miete. Wir putzen uns wach, bringen Müll runter, frühstücken, machen uns reisefertig. Wir bringen Küche und Bad in Ordnung, reinigen den Kamin, ziehen die Bettwäsche ab, weil wir nicht wollen, dass das alles Frau Blumenthal machen muss.

Und dann versuchen wir, unsere Reisetaschen zuzubekommen ... Nicht ganz einfach - um es mal vorsichtig zu formulieren. Vor allem bei So-Ra wehrt sich die Tasche energisch. Also sortieren wir neu. Kekse dürfen nicht gequetscht werden, schmutzige Wäsche schon. Papiere MÜSSEN ins Handgepäck, je mehr wir anziehen, desto weniger muss in die Taschen passen. Mein zusammengelegtes Krippenhaus kommt in die Reisetasche, die Bildermappe in die Handtasche.

Schließlich hat So-Ra eine verrückte Idee. Sie schnappt sich eine große Petflasche und schneidet den Hals ab. Abwartend bleibe ich neben ihr stehen. Ich bin gespannt, was jetzt kommt.
Das Innere wird sehr sorgfältig trocken gerieben. Dann kommen die ganzen Kekse, Strohsterne und Co. in diese Flasche. Eine zweite schneidet sie weiter unten durch und stülpt sie über die erste, so ist die Flasche wieder stabil. Eine dritte muss noch dran glauben - die wird auch geköpft, dann aber längs aufgeschnitten und wie zwei Schalen um die kostbare Fracht geklappt.
"So. DAS wird ganz bestimmt nicht zerquetscht."
Ich staune. Fast null Gewicht, fast null Material, aber superstabil. Und der Zoll kann sehen, was drin ist.
"Perfekt! DU kommst vielleicht auf Ideen!"
So-Ra grinst.

Wir vergewissern uns auf den Seiten der Fluggesellschaften, dass unsere Flüge heute pünktlich starten. Draußen kündigt die Dämmerung den neuen Tag an. Wir haben zwar noch reichlich Zeit, aber wir machen uns trotzdem schon auf die Socken.
Kein Stress! Der holt uns in Seoul noch früh genug ein.

Am Flughafen gönnen wir uns ein zweites Frühstück, und ich verschlucke mich fast an meinem Kaffee vor Lachen, weil So-Ra, ohne mit der Wimper zu zucken, zum Tresen dieser Konditorei marschiert und für ihre Eltern einen "ekte, doitse Krisstolle" kauft. Wie auch immer sie den transportieren will, denn selbst die Taschen ihrer Winterjacke sind bis oben hin voll.
"Und das steckst du dir gleich in die Kapuze, oder was?"
"Hei, gute Idee! Siehst du, Schnucki, es geht doch alles rein. Du kannst endlich aufhören zu lästern."
"Vergiss es. Das schmiere ich dir noch in fünf Jahren aufs Brot. Oder auf den 'echten deutschen Christstollen'. So-Ra im Kaufrausch. Warts ab!"
So-Ra schmollt. Aber lange hält sie es nie aus im Schneckenhaus. Schnell albern wir wieder rum, während wir einchecken und dann durch die Shoppingmall zum Gate schlendern.

"Willst du eigentlich jetzt oder im Flieger noch ein paar Bilder aus der Mappe ansehen? Oder ist dir das zu heikel? Oder nicht privat genug? Wir haben ja eine Menge Zeit nachher."
Berechtigte Frage, die ich mir in der U-Bahn auch schon gestellt habe. Mit was für Reaktionen meinerseits muss ich rechnen? Wie viele Koreaner werden direkt in unserer Nähe sitzen? Andererseits - mit Joon und Naver und den Häuschen in Jinhyung Village und den bevorstehenden Events werde ich sowieso sofort wieder im Trubel versinken. Was eh schon nicht gut ist. Von meiner Work-Live-Survive-Sleep-Balance ist schon lange nicht mehr die Rede. Ich weiß es echt nicht.

"Hm. Da hab ich vorhin auch drüber nachgedacht. Was war denn gestern Abend noch übrig?"
"Du stellst Fragen! Moooment."
So-Ra kneift die Augen zu und konzentriert sich. Ich warte einfach ab, denn im Grunde ist ja egal, was wir uns heute ansehen. Dann macht es wohl klick, und ihre Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen.
"Dein Umzug von uns in die Villa - und zwei Bilder zur Einschulung."
"Lass uns das spontan entscheiden, wenn wir in Frankfurt im Flieger sitzen und unsere eventuell lauschende Umgebung kennen."
"Passt."

Wie will ich es überhaupt in Zukunft halten mit den Bildern? Das darf nicht untergehen. Manchmal ist es hart, manchmal tut es mir gut. Aber es ist immer ein Geschenk.
"Ganz andere Frage: du wirst sofort wieder wie wild losarbeiten müssen, ich eine Woche später für ein paar Tage auch. Zwischen Weihnachten und Silvester hab ich dann nochmal frei. Du bist bei dieser Bildermappe jetzt meine Begleiterin vom ersten Moment an. Joonie habe ich bisher nur davon erzählt. Und ich habe mich grade gefragt, wie es damit nun weiter geht. Lese ich weiter mit dir, wenn sich die Gelegenheit ergibt? Lese ich ab jetzt mit Joon, nachdem ich ihm alles bisher Bekannte gezeigt habe? Lese ich mit euch beiden zusammen? Oder ganz alleine? Ich kann mich in die verschiedenen Varianten noch überhaupt nicht reinfühlen."

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