46 - EINS zu ZWANZIGTAUSEND

59 11 4
                                    

Montag Nachmittag. Ich bin nach der Arbeit nicht sofort zum Bukhansan gefahren. Der Termin mit dem Architekten Lee fällt diese Woche aus, also habe ich Zeit für ein wichtiges Telefonat. Ich sitze angespannt und steif an meinem Esstisch zu Hause. Mit mulmigem Gefühl starre ich auf das Telefon, um das ich meine Hände geschlossen habe, als wäre es der allerletzte Halt in meinem Leben.
In meinem nicht. Aber für Sejin ist es die letzte Chance. Wenn er genug am Leben hängt, um mein Angebot anzunehmen.

Einzeln und offensichtlich auch ohne gemeinsame Absprache sind im Laufe des Tages zaghafte Fragen bei mir eingetroffen. Hoseok wird auf die Finanzierung einer Ausbildung verzichten, wenn ich dafür Sejins Behandlung bezahle. Jin will auf seine Therapie verzichten, Taehyung auf sein Gehalt von mir, Guk möchte etwas von seinem Ausbildungslohn abgeben, um Sejin zu unterstützen.
Taehyung meinte außerdem, dass Jimin das in seiner Panik wohl noch gar nicht richtig gekapiert hat. Aber irgendwann wird er weiterdenken, was das bedeutet, dass da sein Umzug ausgelöst hat. Er wird auch Hilfe brauchen.

Namjoon war noch direkter.

„Guten Morgen, Nelli!
Habe ich das gestern richtig verstanden, dass Sejin totkrank ist und grade sein Ende organisiert? Und dass du ihn darauf angesprochen hast? Ich hab gut
reden, ich könnte höchstens meinen letzten guten Anzug verkaufen. Das wird aber nicht reichen. Die Stimmung hier in der Pförtnerei ist eindeutig, auch wenn keiner etwas gesagt hat: Niemand will, dass Sejin stirbt. Der Mann ist goldig und hat mehr Leben verdient. Ich falle einfach mit der Tür ins Haus. Könntest Du seine Behandlung bezahlen?
Falls er das annimmt?
Dackelblick mit Grübchenalarm, Namjoon"

Ach, Joonie. Natürlich! Du rennst bei mir offene Türen ein. Deine letzte Frage ist die entscheidende ...
Ich gebe mir einen Ruck. Zaudern macht es nicht besser. Ich wähle Sejins Nummer. Meine Entschlossenheit wird auf eine harte Probe gestellt. Zweimal geht er gar nicht dran, einmal wimmelt er mich ab. Er muss noch arbeiten. Im Hintergrund kann ich Geräusche und Stimmen ausmachen. Der Schrottplatz hat auch noch offen.

Aber dann ruft er selbst mich zurück.

„Guten Tag, Cornelia. Entschuldige, ich hatte vorhin großen Andrang auf Ersatzteile. Was kann ich für dich tun?"
Jetzt oder nie!

„Du kannst mir bitte zu Ende zuhören und dann mein Angebot annehmen."

Was meinst du damit?"
„Warte, ich lese dir vor, was die Jungs mir heute geschrieben haben."

Ich öffne eine Nachricht nach den anderen und lege mein ganzes Herz in meinen Vorlesen hinein. Am anderen Ende ist es immer noch gespenstisch. Ich höre nicht mal seinen Atem.

Sejin? Bist du noch dran?"
Seine Stimme klingt schockiert – und nach unterdrückten Tränen.

Ist das euer Ernst? Ihr wollt mir alten Knacker das Leben retten?!?"

"Ganz genau das wollen wir. Ich definiere seit einem halben Jahr mein Leben neu. So ganz nebenbei sind mir dazu diese sieben Männer vom Schicksal anvertraut worden. Und jetzt eben auch noch du. Du bist wichtig! Es ist wie ein großes Puzzle. Du bist ein Teil davon. Jimin findet seinen Halt bei dir. Taehyung verdankt deiner Initiative seine Freiheit. Bitte nimm mein Angebot an!"


Wieder Stille. Dann höre ich Sejin schniefen. Er scheint sich beruhigen zu wollen.

STAY GOLDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt