49 - Zukunftsbilder

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Ende September wird das Wetter allmählich ungemütlich. Ein Temperatursturz läutet eine längere Periode ein, in der entweder Nebel an den Hängen des Bukhansan oder Regen über der ganzen Stadt hängt. Nur an manchen Tagen kann sich gegen Mittag die Sonne durch die dichte Wolkendecke kämpfen.
Um so größer ist meine Motivation, mich hinter den Schreibtisch zu klemmen. Alle meine 'Baustellen' könnten etwas mehr Zielstrebigkeit vertragen - die Villa, deren Einrichtung, der Park, die Stiftung, das Netzwerk. Die nötigen Ausbildungen und Therapien für manche der Jungs fallen auch nicht vom Himmel.
Und da sind noch Dr. Lee und Tae. Sie hatte gesagt, sie möchte Tae für länger ..., er hatte gesagt, er würde so gerne länger ...
Ob die beiden inzwischen miteinander geredet haben? Das hätte er mir doch erzählt! Hm. Ich sollte mal wieder umfassende Bilanz ziehen und das kommunizieren.
Ich sperre den verregneten Samstag aus, mache es mir mit Laptop, Tee und Unterlagen auf dem Sofa bequem und lege los.

Nach der ersten Konferenz in der Villa hat sich zügig ein kleines Team für Marketing, Webauftritt, PR und Co. gebildet. Bei intensiven Gesprächen machen sie sich nun daran, ein Logo, einen Briefkopf, Plakate für Veranstaltungen, Material für die Suche nach geeigneten Projekten und Werbebanner in der Stadt zu entwerfen. Sachlich informierende Flyer sollen Sponsoren anwerben, damit das Stiftungskapital schnell noch weiter anwächst.
Also lade ich zeitnah zu einem weiteren Termin ein. Da sich alle schon beim letzten Mal beschnuppert hatten, geht es diesmal sehr konzentriert und zielstrebig zur Sache.
Die Stiftung bekommt nun einen Namen. Ganz poetisch wird sie 'Netzwerk der Hoffnung e.V.' heißen und das Motto im Untertitel führen: 'Vertrauen wagen, Türen öffnen, Zukunft ermöglichen'. Die Villa selbst wird 'Haus des Lebens' heißen.

Jimins Gärtnerei ist in engem Gespräch mit Dr. Lee und ihrem Mann. Jimin und zwei Kollegen sind nach seinem ersten Besuch sofort mit Vermessungsgeräten angerückt, haben akribisch genau das gesamte Gelände erfasst und daraus eine 3D-Computeranimation erstellt, die wir nun nutzen können, um alles zu Ende zu planen.

Ein bisschen komplizierter ist es, die Richtlinien zu verstehen und Genehmigungen für den Transport der Waggons zu erhalten. Aber die Grundstücksmauer wurde inzwischen geöffnet, und die Firma, die das gesamte Schmiedewerk des Zauns wieder herrichten soll, hat den Vorschlag gemacht, aus den herausgenommenen Tor- und Zaunelementen ein elektrisch gesteuertes Rolltor herzustellen. Das macht alles angenehmer für das in Zukunft zu erwartende Rein und Raus und stört das Gesamtbild von der Straße her am wenigsten.

Lange habe ich nicht gewusst, wo ich die Schwellen für die Schienen herbekommen soll. Die können nämlich nicht aus Holz sein, weil das Gleisbett sozusagen in den Boden abgesenkt werden soll. Sobald die Wagen an ihrem Platz sind, werden sie vermutlich lange Zeit nicht mehr bewegt werden. Auf die Schienen kommen dann Schotter und ein Holzbohlenpfad drauf, von der Straße bis hoch zum obersten Waggon. Sonst würden nämlich die Jungs alle Nase lang über die Schienen stolpern. Aber dafür müssen die Schwellen aus ... ja, aus Beton sein, damit sie unter dem Kies und den Abdeckungen nicht verrotten.

Inzwischen ist uns aufgefallen, dass man weder den Bus noch die U-Bahn vernünftig einrichten und nutzen kann, wenn sie hangabwärts aufgestellt werden. Dann wäre der Fußboden genauso abschüssig wie der Hang. Wir müssen uns also noch was einfallen lassen, wie wir die drei riesigen Brummer an Ort und Stelle entweder mit der Nase bis zur Waagerechten absenken oder deren Hinterteile hochbocken können, ohne dass es völlig bescheuert aussieht.

Namjoon klemmt sich hinter die Verkehrsbetriebe von Seoul im Namen der noch gar nicht vorhandenen Stiftung, bettelt sie schamlos an und erreicht tatsächlich, dass wir die nötigen zwanzig bis dreißig Schwellen geschenkt bekommen. Außerdem hat er gleich Informationen eingeholt, wie wir all die großen Ungetüme legal quer durch den Norden von Seoul schaffen können.
Im Moment werden also die Stellplätze nahezu waagerecht ausgebaggert, die dadurch entstehenden steilen Seiten dieser Stellen mit Natursteinmauern befestigt und die Schienen wellenförmig den Hang rauf verlegt.
Anschließend soll sofort der Umzug über die Bühne gehen, denn Sejin geht es auf einmal deutlich schlechter. Die staatliche Organisation, die solche Stammzellenspenden organisiert, arbeitet auf Hochtouren, aber noch ist der passende Spender nicht gefunden.

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