88 - Glühwein im Mondschein

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Als Namjoon am Mittwoch Abend nach Hause kommt, bringt er schon wieder einen ganzen Sack voller Neuigkeiten mit. Aufgekratzt lässt er sich neben mir aufs Sofa fallen und erzählt mir von den Ereignissen des Tages.
"Boah - du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Hektik das ist. Wir haben so früh angefangen zu planen, und jetzt wird auf den letzten Metern doch alles umgeworfen."
"Armer Schatz. Erzähl!"

"Der ursprüngliche Plan bei der Gala war ja, dass ein Auto der Hauptpreis der Tombola ist. Das sollte draußen sehr präsent 'auf' dem noch unbepflanzten Rondell platziert werden. Nun sind es aber zwei Autos, die weder im Haus noch hinter dem Haus so richtig hinpassen. Statt nun den gesamten Lageplan über den Haufen zu werfen und die Tombola völlig neu zu organisieren, habe ich mit meinem Ansprechpartner von Hyundai beschlossen, dass das zweite Auto versteigert werden soll.
Also gab es sofort eine Telefonorgie mit denen, die für die Orga der Gala zuständig sind, um diese Versteigerung zusätzlich zu planen und zu promoten. Weil das in der Größenordnung aber noch nie einer vorher gemacht hat, wurde kurzerhand ein professioneller Auktionator gesucht. Nach zermürbenden Flirts mit Anrufbeantwortern und Vorzimmerdamen haben wir einen gefunden, der das so spontan macht. Also hat der sofort losgelegt. Geworben wird nun über Zeitungen und Internetportale, und wir hoffen jetzt einfach, dass unser Publikum an dem Abend noch zunehmen und Spendierhosen anhaben wird."

"Örks. Das ist ja alles ziemlich mit heißer Nadel gestrickt. Hoffentlich blamieren wir uns damit nicht."
"Das nicht. Das wird schon. Hyundai hat eben spontan zugesagt, dass das Auto ein paar normalerweise nicht käufliche Features haben wird. Das sollte locken. Es ist einfach kurz vor Toresschluss NOCH mehr Arbeit.
Das Netzwerken macht vor den Feiertagen und Festen auch nicht halt. Yoongi hat bei der Koordination der Betriebe, die bereit sind, auch schwierige Kids auszubilden, inzwischen so viele Anfragen, dass seine beiden noch verbliebenen Kollegen dafür angestellt werden können."
"Das ist eigentlich toll, aber es bindet Yoongi ganz stark an diese Aufgabe."

"Warts ab. Es kommt noch toller. Jin hatte heute ein Meeting mit dem Caterer für die Gala. Die wollten sich die Räumlichkeiten ansehen und weitere Absprachen treffen. Mit der stummen Unterstützung durch Yoongi konnte Jin -   nicht fertig ausgebildet wohlbemerkt! - fachkundig und auf Augenhöhe das Buffet für die Gala besprechen, unsere Vorstellungen und Wünsche anbringen und die endgültige Auswahl an Gerichten festlegen. Ihm wurde zugehört, und er wurde gebeten, während der gesamten Veranstaltung als ortskundiger Mitarbeiter zur Verfügung zu stehen. Er muss gestrahlt haben wie eine ganze Christbaumbeleuchtung."
Mir bleibt erstmal die Spucke weg.
Vorbei und davon der resignierte Jin, der durch den Keller gedümpelt ist. Ob das jetzt Zufall, geschäftsmännisches Kalkül oder echter Respekt vor dem Zweck der Veranstaltung und seiner Person ist, ist eigentlich egal.
"Das … ist außergewöhnlich. Und einfach wundervoll für Jin."

"Ich bin noch nicht durch."
Namjoon grinst. Und zieht einen dicken Umschlag aus seiner Aktentasche.
"Taehyung hat bereits das schriftliche Gutachten über die 'drei kleinen Häuser' von der Arbeit mitgebracht. Unser Experte hat sich gleich gestern Abend drangesetzt, so lange die Eindrücke noch frisch waren. Der Kostenvoranschlag besteht aus mehreren Rechenmodellen, je nachdem, ob der Hanok neu aufgerichtet oder Teil für Teil restauriert werden muss. Deshalb können wir da schon die nächsten Schritte planen.
Jimin hat beaufsichtigt, wo und wie die Podeste für die beiden Autos aufgestellt wurden - das Tombolaauto auf dem Rondell, das Auktionsauto hinten im Garten, direkt vor der Terrasse."
"Ich freu mich so. Über sie alle!"

"Uuuuund jetzt kommt der private Teil - damit es spannend bleibt. Jeongguks Bruder hat gefragt, ob er den Eltern an Weihnachten wenigstens verraten darf, dass er ihn gefunden hat. Aber die Antwort war ein klares Nein. Allein die Frage hat den Jungen fast in Panik versetzt.
Auch Jin ist in der Zeitung erkannt worden und hat nun einen Brief von seiner Mutter bekommen. Als ich ihm den gegeben habe, hat er gezittert und ihn ungeöffnet fallen lassen wie eine heiße Kartoffel."
"Hat er ihn später aufgemacht?"
"Weiß ich nicht. Vermutlich nicht."
"Sollte er aber. Sonst baut er zu viel Angst vor dem Unbekannten auf."
"Ich habe ihn gefragt, wann er seine nächste Therapiestunde hat. Die ist morgen. Da wird er dann den Brief wohl mitnehmen."
"Hm. Dann ist es aber vielleicht doch nicht gut, wenn wir ihn am Heilig Abend allein lassen."
"Ich denke, dass hängt vom Inhalt ab. Ich werde morgen nachhaken."

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