76 - Endspurt

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Namjoon steht so leise auf, dass ich tatsächlich weiterschlafe, bis er bürofertig ist und Frühstück für drei gemacht hat. Um 7.00 Uhr streichelt er mich dann wach und schiebt mich liebevoll aber bestimmt ins Bad. Kaum tauche ich bereit für den Tag in der Küche auf, wird er sachlich.
"Yoongi kommt gleich, wir frühstücken zusammen, und dann schmuggelt er mich zur Villa."
"Oh, kann ich mitkommen? Ich hab die Jungs ..."
"Lieber erstmal nicht. Wir wollen heute die nächste Pressekonferenz und unser beider Wiederauftauchen vorbereiten."
"Aber da müsste ich doch ..."

"Besser nicht. Du bist krank geschrieben. Du tauchst nur am Mittwoch bei der Pressekonferenz kurz auf, weil die Idioten sonst keine Ruhe geben und bestehst darauf, dass sie dich genau deswegen sofort in Ruhe lassen. Yoongi und ich pennen weiter hier und halten dich mit allem auf dem Laufenden.
Ich werde viel hier sein, denn ich bin neugierig auf dich und auf Harrys Bilder. Wir werden trotz Endspurt viel Zeit miteinander haben. Versprochen."

Irgendwie seltsam, wie sehr ... Aber ... ja, ich sollte mir Zeit lassen. Ich bin gegenüber meinem Arbeitgeber verpflichtet, gesund zu werden. Und ich reiße mich zugegebenermaßen üüüüberhaupt nicht um den blöden, unvermeidlichen Presserummel.
"Okay, hast gewonnen. Ich bleibe brav hier und akklimatisiere mich. Wird diese Pressekonferenz denn in der Villa stattfinden?"
"Nein, besser. Im Foyer der Hauptbank der Stiftung. Sie haben das selbst angeboten, um ganz klar zu machen, dass ich für sie eine vertrauenswürdige Person, rehabilitiert und auf dem Stuhl des Geschäftsführers genau der richtige Mann bin."
Seine Augen leuchten bei diesen Worten, und mir wird ganz warm vor Freude für ihn.

Ich will grade antworten, als es klingelt. Kurz darauf kommt Yoongi mit seinem eigenen Schlüssel zur Tür rein und begrüßt uns.
"Guten Morgen, allerseits. Neuigkeiten, Joon. Und wie geht es dir, Nelli? Es tut mir leid, dass ich euer erstes Frühstück zum Arbeitsessen machen muss, aber du willst sicher auch auf den neuesten Stand gebracht werden."
"Guten Morgen, Yoongi. Holst du zwischendurch auch mal Luft?"
"Hmmmm ... heute mal nicht."
Er lächelt.
"Es ist viel Arbeit, es sind manche Herausforderungen dabei. Aber diese Arbeit macht mich so viel glücklicher als das miese Forschungsinstitut, dass ich richtig Freude habe am Powern."

Wir setzen uns und genießen Namjoons Kochkünste. Das Thema der nächsten Tage klammern wir dabei dann doch völlig aus. Das hat Zeit bis später. Jetzt erzähle ich lieber von Berlin und ein bisschen von der Wirkung der Bildermappe.

"Ich hab ja bei der Abreise noch hier am Flughafen eine Panikattacke bekommen, weil sich in meinem Kopf eine riesige Angst vor der 'schrecklichen Wahrheit dieses Wasauchimmers' aufgebaut hatte. So-Ra hat mich wunderbar bis zum Termin am Montag durchgelotst. Und dann hat sich herausgestellt, dass diese ominöse Bedrohung aus einer dicken Mappe mit selbstgemalten Bildern besteht, zusammen mit Briefen an meine Mutter. Viel über mich, viel über sein Leid, sehr viel Liebevolles.
Natürlich habe ich die ganz harten Sachen noch umschifft. Aber da das eine Loseblattsammlung mit einem guten Inhaltsverzeichnis ist, kann ich problemlos genau aussuchen, was ich mir als nächstes ansehen will. Darum ging es mir schnell immer besser. Wenn man mal von den Sorgen und dem Ärger um euch absieht ..."

Yoongi spitzt neugierig die Ohren.
"Konnte dein Onkel gut malen?"
"Sehr! Moment."
Ich flitze ins Wohnzimmer und greife die Mappe von meinem Schreibtisch, wo ich sie gestern hingelegt hatte. Damit gehe ich zurück in die Küche.
"Joonie, such doch bitte mal die Seite raus, wo Harry mich wie einen Flieger auf der Schulter trägt. Und wo er mir die Haare kämmt. Die sind zusammen auf einer Seite."

Namjoon öffnet die Mappe und blättert darin, ohne dass ich etwas sehen kann. Seine Augen werden immer größer dabei, und ich kann an seinem Gesicht sehen, ob er grade etwas Schönes oder etwas Trauriges sieht. Dann zieht er die passende Seite aus dem Stapel.

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