Namjoon hockt sich zu mir aufs Bett. Yoongi setzt sich auf den einzigen Stuhl und wartet ab. Plötzlich redet er, völlig aus dem Zusammenhang, leise, fast schüchtern.
"Was bin ich froh, dass ich Namjoon hierher gebracht habe. Ihr tut euch so gut - ich habe so eine Freude, euch zuzusehen. Das macht richtig Mut."Genauso plötzlich schaltet Yoongi zurück und setzt sich grader hin.
"Was kann ich für dich tun, Nelli?"
"Najaaa ... ich hab das nicht alles verstanden."
"Zum Beispiel?"
"Zum Beispiel: was ist da draußen im Sandkasten passiert?
Oder: offensichtlich habe ich mich für den Tod meiner Eltern verantwortlich gefühlt. Und tue es jetzt übrigens schon wieder. Hat das damals keiner gemerkt? Habe ich psychologische Hilfe bekommen? War ich wirklich verantwortlich? Wie soll ich damit leben? Warum habe ich bis zu diesem Traum absolut nichts davon gewusst?
Oder: Onkel Harry hat sich auch verantwortlich gefühlt? Warum habe ich das nicht gemerkt? Oder gewusst? Hat er mich groß gezogen aus schlechtem Gewissen? Oder als Ersatz für seine Schwester? Oder hat er mich wirklich so sehr geliebt? Warum hat er nie mit mir darüber geredet? Auch in seinen Briefen keinen Hinweis darauf hinterlassen? Hab ich vielleicht irgendwas nicht gefunden? Noch einen Brief? Noch ein Tagebuch? Irgendeinen Hinweis?
Oder: ..."Yoongi bremst mich.
"Bitte halt an, Nelli. So viele Fragen auf einmal, die alle miteinand..."
"Ich möchte sie aber alle auf einmal aussprechen. Sonst platzt mir der Schädel.
Also: das Spielzeugauto stand für das neue Auto meiner Eltern. Warum habe ich es kaputtgeschlagen? Warum habe ich es vergraben? Warum habe ich dabei geweint? Warum habe ich danach schlagartig alles vergessen? Warum hat DAS keiner bemerkt? Warum bin ich diesen Schritt erst vier Jahre später gegangen? Durch was wurde das ausgelöst? Warum hat So-Ra nie mit mir darüber geredet? Warum hat ihre Mutter das nie angesprochen? Warum hat Onkel Harry nie versucht, mit mir den Tod meiner Eltern aufzuarbeiten?
Und ganz wichtig: ist das entsetzliche Gefühl, das ich jetzt wegen des Todes meiner Eltern habe, dasselbe, das du gegenüber deinem Bruder fühlst, Yoongi?"Nachdem ich ihn abgewürgt habe, hat Yoongi nicht mehr versucht, mich zu unterbrechen. Bei meiner letzten Frage zuckt er zusammen und senkt den Blick.
Ich selbst habe mir dabei zugehört, wie ich diese ganzen vielen Fragen runtergespult habe wie einen auswendig gelernten Text. Gleichzeitig ist innerlich schon wieder eine Welle von Schmerz und Scham über mich hereingebrochen. Jetzt fühle ich mich völlig leer gefragt und ausgelaugt. Ich sacke richtig in mir zusammen. Namjoon spürt das alles und greift nach meiner Hand.Es dauert einen Moment, bis Yoongi antworten kann.
"Seit du in die Villa gekommen bist, mir so viel Geduld entgegen gebracht, mir zugehört und mit mir sortiert hast, weiß ich zumindest vom Kopf her, dass ich diese erdrückende Scham loslassen darf. Auch die vielen Gespräche mit meinen Eltern haben mich mir wieder näher gebracht. Ich weiß sehr genau, wie du dich jetzt fühlst. Nämlich entsetzlich elend.
Aaaaber: für dich gilt das selbe wie für mich. Nochmal und gerne immer wieder: du trägst keinerlei Schuld am Tod deiner Eltern!"
"Aber ich fühle mich so."
"Das weiß ich, und das verstehe ich. Bitte, Nelli - bitte nutze die Chance, dich gleich wieder von diesem Gefühl zu verabschieden, BEVOR es sich in deinem Herzen festsetzt. Mach es dir nicht schwerer, als es ist."
Richtig flehend klingt seine Stimme, was mich doch berührt und im Innern erreicht."Die meisten anderen Fragen kann ich dir leider nicht beantworten, weil sie deinen Onkel oder andere nicht anwesende Personen betreffen. Einer Antwort bin ich mir allerdings seeeehr sicher: nach allem, was ich weiß, hat dein Onkel dich wirklich aufrichtig geliebt. Weder hat er dich verwöhnt, weil er versucht hat, etwas wieder gut zu machen, noch warst du Ersatz für deine Mutter. Er hat - über Nacht - eine große Verantwortung übernommen und diese mit Bravour gemeistert-. Schau doch, was für eine einzigartige Frau aus dir geworden ist! Alle anderen Antworten gilt es noch herauszufinden. Aber nicht mehr heute."
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STAY GOLD
FanfictionEndstation. Sieben junge Männer stranden in einer alten Ruine, gefangen in Scham, Resignation, Schuld, Wut und Angst vor dem Morgen. Ein Teufelskreis. Spirale abwärts. Der Luxus ist verblasst, ihre Lebensträume sind vor die Wand gefahren - nichts ge...