20 - wohin mit dem Kind?

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Triggerwarnung. Wir erfahren einen ersten Zipfel der Wahrheit hinter Jeongguks Wut. Körperliche Gewalt wird angedeutet. Keine Bilder
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Ich kapiere zwar nicht, warum mein Wecker heute IM Papierkorb klingelt. Aber ich habe genug geschlafen und starte in den Tag. Irgendwann wird mir bewusst, dass Yoongi und ich uns eigentlich in dieser Woche auf Jeongguk konzentrieren wollten, statt unsere Kräfte an einem arroganten Broker und seinem Anstandswauwau aufzureiben. Außerdem ist heute Freitag und damit Zeit für den Wochenrückblick mit den Handwerksmeistern. Also muss ich schon wieder auf den Berg.
Grad wirds wieder ein bisschen viel ... Hallo Work-Bau-Life-Balance. Du bist dann am Wochenende wieder dran. Vielleicht sollte ich mir auch das Samstags-Frühstück bei den Jungs schenken? ... Ich sollte wohl.
Ich ziehe meinen Arbeitstag durch, verabrede mich mit So-Ra für Samstag Morgen bei mir zu einem Frühstück im Bett, ziehe mich zu Hause um und fahre auf den Berg. Die Besprechung mit den Meistern geht schnell.

Dann suche ich mir Yoongi, der heute tatsächlich da ist und irgendwas in seinem Zimmer gruschelt. Auf mein Klopfen hin kommt er sofort raus und zieht die Tür hinter sich ran.
"Was gibts?"
"Hi! Wir wollten uns mit der Zukunft von Jeongguk beschäftigen. Haben Sie grade Zeit dafür? Dann kann ich morgen ausnahmsweise mal zu Hause bleiben."
Kurz überlegt er.
"Haben Sie Ihr Laptop mit? Ich hab mich schon umgehört. Und ..."
Er schaut sich um wie ein Verbrecher, wirkt nervös.
"... vielleicht sollte er das erstmal nicht mitkriegen."
Ach so.

Wir gehen ein Stück und setzen uns auf die Veranda der Villa. Ich klappe mein Laptop auf und überlasse es Yoongi zu suchen.
Wie flott seine Finger über die Tasten huschen! So geübt wird man dann wohl, wenn man sich mehrere Jahre in der Szene tummelt ...
Yoongi ist erstaunlich schnell bei einer ganzen Reihe von Projekten gelandet, die Jugendlichen eine integrative Ausbildung anbieten, mit entsprechender staatlicher Beobachtung und Kontrolle. Aber da wird Jeongguk niemals zustimmen. Yoongi liest mir verschiedene Projekte vor. Noch ist nicht das richtige dabei. Bei genauerem Hinsehen ist da nämlich immer von Eltern bezahlen, Jugendamt kontrolliert, 90% vom Verdienst abgeben und ähnlichen für Jeongguks Situation inakzeptablen Voraussetzungen die Rede.

Für die Suche nach den privat oder von Vereinen initiierten Angeboten braucht Yoongi etwas länger. Die scheinen auch nicht vernetzt zu sein. Aber schließlich rafft Google doch, wonach er sucht. Kurz darauf hält er mir mein Laptop hin.
"Einige der Projekte sind zu weit weg. Bei ein paar ist ein Publikum, das Guk nicht gut tun würde. Ich hab nur die gefunden."
Ich klicke durch die Tabs. Maler. Maurer. Kanalarbeiter. Maler und Lackierer. Gerüstbauer. Ich schüttele den Kopf.
"Wir müssen überlegen, wofür er sich so interessiert, dass er das auch durchhält. Hat ihn denn bei der ganzen vielfältigen Bauerei nicht ein einziger Beruf angelacht?"

Yoongi überlegt noch einmal, tippt auf einen der vorsortierten Tabs und öffnet die Seite.
"Jeongguk interessiert sich für gar nichts. Dann fällt mir höchstens noch das ein."
Ich sehe die Stellenausschreibungen von Hyundai. Aber da sind keine sozialpädagogisch betreuten Stellen dabei.
"Ich glaube, das geht nicht. Das ist ein sehr weiter Weg, und in diesem riesigen Betrieb würde er schnell untergehen."
Schweigend starren wir auf den Bildschirm. Ich bin frustriert.
Es muss doch was geben, wo der Junge hinpasst!

Yoongi neben mir sieht aus, als hielte er grade noch so eine riesige Wut unterm Deckel. Er springt auf, stürmt zwischen die Bäume. Aber nicht weit genug weg, darum kann ich ihn mit großem Staunen beobachten. Er schimpft laut und tritt dann gegen einen Baum. Ich schüttele den Kopf.
Was ist das denn jetzt wieder? Das hatte doch eigentlich aufgehört - diese permanente Unzufriedenheit mit sich selbst. Fühlt er sich für Jeongguk so verantwortlich, dass er es sich persönlich anlastet, keinen Job für den Jungen zu finden? Das ist doch absurd! Und dadurch rettet er auch seinen Bruder nicht.

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