89 - Noch zwei Tage

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Heute stehen wir früher auf als sonst, denn Namjoon wird die nächsten beiden Nächte in der Pförtnerei schlafen und muss da jetzt mit Öffis hinfahren. Aber unser gemütliches Frühstück lassen wir uns nicht nehmen. Wir verabschieden uns an der U-Bahn mit einem Küsschen. Ich quengele ein bisschen rum, weil ich ja immer noch nicht auf den Berg darf.
"Och Menno. Ich weiß gar nicht, wie ich das ohne dich aushalten soll."
"Das schaffst du schon, mein Schatz. Und morgen Mittag darfst Du ja dann kommen. Ich rufe Dich an, sobald du losfahren darfst."
"Versprochen?"
"Fest versprochen. Deine Bahn kommt. Tschüß!"
Hmpf. Und ich hab immer noch keine Ahnung, WAS die da in den letzten drei Wochen getrieben haben.

Grübelnd steige ich in meine Bahn und fahre zur Arbeit. Ich bin tatsächlich nicht die erste am Schreibtisch, aber es ist noch relativ ruhig, und so kann ich schon mal Mails lesen und konzentriert was wegschaffen.

Zu unserer üblichen Zeit taucht dann So-Ra auf. Sie strahlt übers ganze Gesicht.
Oha! Was jetzt wohl kommt?
"Guten Morgen, Sweetie. Was versetzt dich denn so in gute Laune?"
Sie umarmt mich stürmisch und hält mir dann ihr Handy unter die Nase.
"Ich hab eben auf der Fahrt ein bisschen gegoogelt."
Neugierig schiele ich aufs Display. Sie hat nach Sportgeschäften mit Tänzerausstattung gesucht. Und ein solches Geschäft ist in der Nähe der neuen Tanzschule.
"Perfekt! Da würde ich auch strahlen. Trau dich, Süße."

"Ich glaub, ich kann innerlich eh nicht mehr zurück. Ich frage mich nur, wie viel ich auf den Gutschein schreiben soll."
"Ah! Ein Gutschein ist eine gute Lösung. Woran hast du denn gedacht?"
"Wenn ich mir die Preise so ansehe - 150.000 Won - aber das ist eigentlich zu deutlich. Ich könnte auch 100.000 oder 70.000 oder 50.000 Won schenken. Aber dann schenke ich praktisch nur einen Schuh, und das ist auch doof."  
(vom Wert her ca. 100,- bis runter auf 36,-€)

Wie mit zentnerschwerer Last beladen seufzt meine Besti auf, während sie sich auf ihren Bürostuhl setzt und ihren PC hochfährt.
"Quatsch! Das ist für den Neustart in seinem Leben, das kommt nicht wieder. Mach ruhig 100 bis 150.000 Won."
Ich kann ihr ja schlecht verraten, dass Hobi das selbe Problem, nur andersrum hat. Und dass sie deshalb eigentlich gar nichts falsch machen kann.
Wieder seufzt So-Ra.
"Meinst du? Ich will ja schon und kann mir das auch leisten. Aber …"
"Und aber und aber und aber. Schreib die vier Zahlen auf Zettelchen und zieh einen. Wenn da die falsche Zahl draufsteht, wird dein Bauch dir das sofort sagen."
So-Ra zeigt mir einen Vogel und versinkt demonstrativ in ihrer Arbeit. Wir reden stundenlang kein Wort miteinander, aber ich kann spüren, dass es in ihr arbeitet. Wenn sie glaubt, dass ich nicht hinsehe, schaut sie immer wieder auf ihr Handy.

Gegen Mittag zuckt sie plötzlich zusammen. Es brummt. Sie liest eine Nachricht und erstarrt.
"Du lieber Himmel. Was soll ich da denn antworten?"
Ich nehme ihr das Handy aus der Hand. Hoseok hat sie gefragt, ob sie eigentlich bei der Gründung auch dabei sein wird. Und anschließend in der Pförtnerei.
"Also … natürlich 'ja'! Was denn sonst? Schließlich brauchst du auch noch eine Gelegenheit, den Gutschein zu überreichen."
"Auch wieder wahr. Waaa - ich dreh gleich durch!"
Bevor sie es sich anders überlegen kann, schreibt sie schnell ihre Antwort.
"Ja und ja. Bis dann!"

Wenige Minuten später brummt mein Handy. Auch Hoseok. Mit einem Screenshot von seinen Fragen und So-Ras Antwort.
Pokerface, Nelli. Pokerface!
Dazu eine Frage.

"Hilfe, ich bin so unsicher. Ist das jetzt ein gezwungenes oder ein sachliches oder ein fröhliches 'Ja'?"
"Ein sachlich-fröhliches 'Ja'. Hier im Büro steppt grade der Bär, deshalb so kurz."
"Sorry! Dann stör ich dich nicht weiter. Bis morgen!"

Kurz vor unserer Mittagspause gehe ich für kleine Königinnentiger. Als ich zurück komme und die Bürotür öffne, zuckt So-Ra zusammen und wischt etwas vom Tisch. Aber sie hat Pech - beziehungsweise zu viel Schwung, denn ein kleiner zusammengefalteter Zettel fliegt im hohen Bogen mitten in den Raum. Meine Besti läuft dunkelrot an, während ich das Zettelchen wieder aufsammele und mir dabei das Schmunzeln verkneife.
Hastig greift sie danach, als ich ihr ‘Los’ zurück auf ihren Schreibtisch lege.
“Lass uns rauffahren in die Cafeteria.”

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