Ich habe gut und tief geschlafen. Aber ich fühle, dass mein Kopfkissen klamm ist. Namjoon sagt, ich hätte die ganze Nacht geweint. Und dass mir auch jetzt Wasser aus den Augen läuft. Mein lieber, besorgter Freund streicht mir eine wirre Haarsträhne hinters Ohr und schaut mich weich an.
"Guten Morgen, Liebes! Wenn ich nur wüsste, was los ist! Du hörst ja gar nicht mehr auf zu weinen."
"Mach dir keine Sorgen, Schatz. Ich habe gut geschlafen. Da will einfach was raus. Es fühlt sich richtig an, also lasse ich es laufen. Hab ich dich damit wachgehalten?"Joon nickt erschöpft.
"Ich mach mir aber Sorgen. Das ist doch keine natürliche Reaktion auf so einen Befreiungsschlag. ... Oder? Ich mein' ... Soll ich dich zu dem Arzt fahren? Oder zu Jins Therapeuten? So kann ich dich doch heute gar nicht allein lassen!"
"Doch, kannst du. ... Stop! Keine Widerrede! Du fährst zur Arbeit, ich bleibe hier und versuche, einen von den beiden telefonisch zu erreichen. Ich werde viel trinken, Tagebuch schreiben und die Plätzchentüten packen."
"Aber nur, wenn du mir ganz fest versprichst, dass du mich herrufst, wenn du mich brauchst!"
"Du wundervoller Freund! Das verspreche ich gerne. Aber ich fühle mich gut. Es ist fast ... als ob eine Quelle in mir sprudelt. Es ist okay."Namjoon sieht noch immer zweifelnd aus.
"Dann ... geh ich mal ins Bad und schmeiß Yoongi vom Sofa."
Er greift sich Kleidung und geht nach nebenan. Durch die offene Tür höre ich Yoongis fröhlichen Morgengruß.
"Hallo Schlafmütze. Bad ist frei. Ich mach Frühstück."
Mein schadenfrohes Gelächter verfolgt Joon bis ins Bad. Und beim Lachen laufen weiter die Tränen.Beim Frühstück schaut mich dann auch Yoongi irritiert an.
"Bist du in Ordnung, Nelli? Du weinst die ganze Zeit. Joon - was hast du angestellt?"
Wie aus einem Mund, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, antworten wir:"Nichts!"
"Okaaayyyyy?"
Schnell versuche ich zu erklären.
"Du kennst doch meinen vollen Namen - Cho Cornelia Sarang Namja. Ich habe mich aber immer nur Cornelia oder Nelli nennen lassen, weil ich den koreanischen Namen nicht mochte. Zu lang, zu umständlich, zu komisch.
Gestern Abend habe ich Namjoon ein paar der Bilder gezeigt, die ich schon in Berlin angesehen hatte. Er hat ganz andere Fragen gestellt als So-Ra. Oder ich selbst. Und plötzlich habe ich gesagt:'Heute weiß ich, was ich will. Ich will Sarang Namja sein.'
Seitdem geht es mir wunderbar, ich habe herrlich geschlafen, ich fühle mich leicht und klar und glücklich. Nur läuft mir seit dem Augenblick dauernd Wasser aus den Augen."Yoongi hat aufmerksam zugehört. Jetzt lächelt er.
"Dann mach dir keine Sorgen. Sieh es wie dieses Bild: da ist ein Staudamm gebrochen. Da will was raus, und das ist gut so."
"Ich mach mir ja keine Sorgen. Aber Namjoon ... er hat wohl die ganze Nacht nicht geschlafen vor lauter Sorge."
"Ach, deshalb hängst du auf deinem Stuhl wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Also - noch mal extra für dich: mach dir keine Sorgen, mein Freund. Nelli geht es prächtig. Sie hat einen großartigen Schritt nach vorne getan, sie hat diese lange schwere Zeit mit ganz viel innerer Kraft durchgestanden und einen Weg in die Freiheit und Freude gefunden. Und dich dazu. Viel besser kanns für euch beide nicht mehr werden.""Aber warum weint sie dann die ganze Zeit?"
"Wenn sie ihren Namen immer abgelehnt hat, dann hat sie ihn im Grunde so in sich vergraben wie das Auto im Sandkasten. Das will jetzt alles raus. Aber es ist nicht schlimm. Es ist gut, weil es Heilung mit sich bringt."
Namjon greift nach meiner Hand.
"Hoffentlich hört das bald wieder auf. Du sollst doch bei der Gründung lachen und strahlen - und nicht weinen."
"Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass ich an dem Tag auch ohne dieses Ahaerlebnis geweint hätte. Es gehört dazu. Ich darf glücklich sein, dass es nun los geht, und gleichzeitig traurig, dass Harry nicht dabei sein kann. ...
Wobei mir da was auffällt: morgen bei der Pressekonferenz sollte ich vielleicht nicht heulen."Yoongi winkt ab.
"Deine Seele weiß inzwischen so gut für sich zu sorgen. Ich würde mich nicht wundern, wenn du in genau den zwei Stunden nicht weinst. Weil es da um was anderes geht."
"Meinst du?"
"Warum nicht?"
Namjoon seufzt.
"So richtig beruhigt bin ich nicht, aber ihr habt mich überstimmt. Oder so. Dann lass uns auf den Berg fahren."
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STAY GOLD
FanfictionEndstation. Sieben junge Männer stranden in einer alten Ruine, gefangen in Scham, Resignation, Schuld, Wut und Angst vor dem Morgen. Ein Teufelskreis. Spirale abwärts. Der Luxus ist verblasst, ihre Lebensträume sind vor die Wand gefahren - nichts ge...