Ich bin gestern nur noch unter die Dusche gehüpft, habe mit So-Ra gegessen und ganz viel durcheinander erzählt. Sie hat einfach zugehört, sich nicht anmerken lassen, was sie von dem ganzen hält, und mich dann bald ins Bett gescheucht. Nach ihrem Abgang habe ich noch eine Weile geschrieben, ToDo-Listen ergänzt und sehr schnell geschlafen.
Heute Morgen hatte ich etwas Mühe, aus dem Bett zu finden. Ich habe das Gefühl, vor mir liegt die Besteigung des Mount Everest, allein und ohne Sauerstoffmaske. Aber nach der heißen Dusche und dem guten Frühstück sehe ich nun zuversichtlich in den Tag und mache mich auf zur Arbeit. So-Ra begrüßt mich mit einem Lächeln.
"So gefällst du mir schon besser. Gestern Abend hast du echt fertig ausgesehen."
Wir machen uns an unsere Arbeit, und meine Freundin schaut ein bisschen neidisch hinter mir her, als ich bereits um 14.00 Uhr Feierabend mache.
"Ciao, bis morgen, Süße."
"Viel Spaß bei deiner Telefonitis!"
Zu Hause nehme ich die erste Liste in Angriff. Ich telefoniere mit den Stadtwerken, meinem Stromanbieter, meiner Telefongesellschaft und mache Termine aus. Überall wird mir schnelle Bearbeitung versprochen, damit ich bald anfangen kann.
Mal sehen, wieviel davon in der Realität übrig bleibt ...Bei den Baufirmen werde ich von den Bürokräften immer sofort an die Chefs verwiesen, die sich zum Teil auf der Baustelle neben meiner Villa befinden. Mit mehreren davon verabrede ich mich für nachher gleich vor Ort. Da jetzt Berufsverkehr ist, mache ich mich selbst sofort auf den Weg, damit ich rechtzeitig da bin. Die Bauarbeiter stellen gerade die großen Maschinen ab und räumen auf, als ich am Bauzaun ankomme. Die Arbeiter verlassen das Gelände. Kim Koll Taehyung grinst mir breit entgegen, aber Hoseok Bauarbeiter ignoriert mich komplett, als die beiden an mir vorbeilaufen.
Dann stehen mir nur noch fünf kräftig gebaute Männer mit Bauhelmen gegenüber. Gestandene Chefs, die einen guten Job machen. Und die muss ich nun überzeugen, dass sie gleich im Anschluss an dieses Projekt nebenan bei mir weiter machen wollen. Ich straffe meine Schultern, stelle mich vor und führe sie auf mein Grundstück.
Von den Jungs ist nichts zu sehen. Ich führe die Herren zuerst zum Pförtnerhaus, das sie kritisch unter die Lupe nehmen. Sie halten es für möglich, das relativ schnell wieder bewohnbar zu machen. Eine ordentliche Sanierung kann ja dann nach der Villa folgen.
Wir gehen weiter zum großen Haus, und schon unterwegs tauchen bei einem nach dem anderen Stirnrunzeln und Kopfschütteln auf. Um die Wurzel allen Übels gleich aufzuzeigen, gehen wir als erstes in den Keller. Im ganzen Haus ist es totenstill, kein Wort, kein Knarzen ist zu hören. Nur Jin dümpelt wie gewöhnlich durch den Keller, als wir dort unten ankommen.Einzeln verschaffen sich die Männer unten einen Überblick und entfliehen so schnell wie möglich wieder dem Gestank. Dann teilen sie mir ihre Eindrücke mit.
"Wie lange, sagen Sie, steht das Haus schon leer?"
"Das sieht nach einem Wasserrohrbruch aus. Das geht schnell, wenn wir das Leck gefunden haben."
"Das wird aber eine ganze Weile dauern, bis wir hier alles trocken und schimmelfrei haben."
"Könnten Sie mir den Dachstuhl gleich zeigen? Ich habe noch einen Termin. Und mit dem Keller ja nichts zu tun."
"Schimmelt der Kerl da unten schon, oder kann der noch selbst rauslaufen? Manche Leute haben echt seltsame Hobbys ..."
Ich beantworte geduldig alle Fragen, soweit ich das kann, breite alle alten Baupläne und Grundrisse auf dem Schreibtisch im Wohnzimmer aus, fordere vier der Herren auf, sich im Erdgeschoss selbst ein Bild der Lage zu verschaffen, und steige dann zusammen mit dem Dachdecker die breite Treppe hinauf. Der schon ältere, erfahrene Handwerker ist zurückhaltend und schweigsam, aber sehr höflich.Ich weiß selbst nicht, was mich oben erwartet. Da Hoseok gesagt hat, dass man nicht in den zweiten Stock kommt, wird es auch schwierig werden, ans Dach und die Brandstelle ranzukommen. Gleichzeitig drängen sich mir schon wieder Erinnerungen auf, meine Schritte werden langsamer, die Luft wird mir knapp.
Ich kann die guten Zeiten nicht wieder herbeizaubern. Warum quäle ich mich eigentlich so? Ich könnte mich doch einfach umdrehen und gehen, das Haus und die Bewohner sich selbst überlassen. Aber ich muss doch - das Testament. Wer weiß, wozu es gut ist.
Ich muss mich sehr innerlich zur Ordnung rufen, damit ich nicht einfach davonlaufe.
Bleib doch mal sachlich, Nelli. Zeit für Gefühle ist hinterher.
DU LIEST GERADE
STAY GOLD
FanfictionEndstation. Sieben junge Männer stranden in einer alten Ruine, gefangen in Scham, Resignation, Schuld, Wut und Angst vor dem Morgen. Ein Teufelskreis. Spirale abwärts. Der Luxus ist verblasst, ihre Lebensträume sind vor die Wand gefahren - nichts ge...