23 - im Schatten der Angst

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Jeongguk fängt sich nur langsam wieder, aber alle anderen haben viel Geduld mit ihm, ohne neugierige Fragen zu stellen. Namjoon wird im Laufe von nur zwei Tagen plötzlich extrem nervös und gereizt und verträgt keine Kritik. Wir kriegen aber auch nicht aus ihm raus, was los ist. Also gehen wir ihm alle aus dem Weg.
Und Yoongi ist mal wieder drei Tage lang spurlos verschwunden. Dienstag Abend schreibt mir Jeongguk, dass Yoongi wieder da sei, total übermüdet und abgewrackt. Er habe geduscht, mit niemand geredet und sei dann sofort ins Bett gegangen.
Na, das lieb ich ja. Jetzt müssen wir immer noch warten. Hoffentlich ist er morgen Abend ansprechbar!

Am Mittwoch darf ich mal wieder fürs Abendessen sorgen. Ich steuere grade den Supermarkt an, als mein Telefon hartnäckig bimmelt. Es ist Yoongi. Er klingt außer Atem, und ich höre Windgeräusche.

"Frau Cho? Ich habe Neuigkeiten. Könnten Sie heute früher kommen, damit wir reden können? Ich warte draußen auf Sie."

Tuuuuuut. Yoongi hat aufgelegt.
Na, der ist ja lustig.
Ich plane um, kaufe einen großen Stapel Tiefkühlpizza und fahre sie direkt zum Pförtnerhaus.
Muss sich eben Jin drum kümmern.

Kaum habe ich gewendet und bin den Hang runter gefahren zum Tor, sitzt Yoongi neben mir.
"Und jetzt?"
"Jetzt kommt das, was Jeongguk mir zwischen den Zeilen alles verraten hat, ohne es zu wissen."
Er drückt mir einen großen, dicken Umschlag in die Hand und schaut dann stur durch die Frontscheibe, während ich höchst irritiert den Umschlag öffne und den Inhalt sichte. Es ist eine wirre Mischung aus Fotos, Notizen und offiziellen Schreiben. Entgeistert schaue ich Yoongi an, der immer noch aus dem Fenster starrt. 

"Und jetzt?"
Endlich wendet er sich mir zu.
"Jetzt erkläre ich Ihnen mit diesen Fotos, was ich rausgefunden habe."
Er fängt an, in dem Material zu kramen.
"Das ist der Vater - ein skrupelloser Selfmademan. Der hat vor allem Angst um sein gutes Ansehen. Diese fünf waren erst nur unausgelastete Jugendliche auf der Suche nach ein bisschen Spaß. Jeongguk war ihr erstes dauerhaftes Opfer, denn da war Geld zu holen. Es hat allerdings keiner damit gerechnet, wie zäh Guk ist, wie schlau er ausgewichen ist, wie erfolgreich er sich gewehrt hat. Vor zwei Jahren ist die Gang dann 'etwas außer Kontrolle' geraten. Gewaltbereit waren sie schon länger. Also haben sie erst versucht, Guk umzubringen. Dann haben sie sich die ganzen Beteiligten vorgeknöpft, bedroht, gequält, erpresst."
Mein Hirn rast, mein Puls auch. Es ist ein großer Unterschied, ob man theoretisch weiß, dass sowas immer wieder vorkommt, oder ob man jemand kennt, der durch diese Hölle gegangen ist. Und noch geht.
Ich versuche, irgendwie adäquat zu reagieren. Ich kann nur keinen klaren Gedanken fassen.
"Und jetzt?"

"Und jetzt kommt der Clou. Weil Gukkie den Bodyguard hatte, haben sie ihn noch eine Weile beobachtet, ob der wieder verschwindet. Das waren die Momente, wo er sie gesehen und immer mehr Angst entwickelt hat. Weil der Aufpasser aber nicht verschwand und außerdem nie die Polizei im Spiel war, haben sie irgendwann einfach aufgegeben und sich andere Opfer gesucht. An Guk kamen sie nicht mehr ran. Da war auch nichts mehr zu holen. Und das wars."
Ich wiederhole mich, zu mehr bin ich nicht in der Lage.
"Und jetzt?"

"Jetzt habe ich mein Netzwerk angefixt, um das alles mal rauszufinden. Jeongguk und seine Familie sind überhaupt nicht mehr in Gefahr. Die Bedrohung existiert nur noch in seinem Kopf."
Gaaaanz allmählich schaltet sich mein Hirn wieder ein.
"Yoongi, woher wissen Sie das alles?"
"Weil ich sowieso seit acht Jahren in der Szene bin. Seit ich Jeongguk kenne und hier unter meine Fittiche genommen habe, habe ich zusätzlich die Augen offen gehalten, habe Informationen gesammelt. In den letzten Tagen habe ich meine Quellen angezapft und den aktuellen Stand erfahren. Diese Typen gibt es noch. Zwei sitzen im Knast wegen was ganz anderem, drei haben die Kurve gekriegt. So sehen sie heute aus."
Yoongi zeigt mir die Fotos von fünf jungen Männern. Von zweien sind es Fahndungsfotos, die anderen drei sind mehr oder weniger bürgerlich angezogen, normal frisiert und offensichtlich in einem normalen Leben angekommen. Glücklich sehen sie aber alle fünf nicht aus.

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