Das Strahlen verschwindet allerdings ganz schnell, als ich dort einen in Tränen aufgelösten Taehyung vorfinde, neben dem stirnrunzelnd Hoseok steht. Beide sind inzwischen umgezogen, haben also wohl Feierabend.
"Ach, du lieber Himmel! Was ist denn mit Ihnen passiert?"
Da Taehyung kein vernünftiges Wort herausbringt, versucht Hobi zu übersetzen.
"Ich glaube, es ist wegen des Briefes. Er hat so Angst, dass der irgendwie unhöflich klingt. Oder dass Sie ihn auslachen. Ich kann ihn nicht beruhigen.""Danke, dass Sie mit Tae zusammen heruntergekommen sind.
Taehyung, es tut mir leid, wenn ich vorhin zu hart zu Ihnen war. Ich bitte um Entschuldigung. Wenn Sie sich ein bisschen beruhigen, können wir nochmal darüber reden. Ich würde gerne verstehen, warum es Ihnen so wichtig ist, dass ich den Brief ohne Sie lese."
Ich reiche dem aufgelösten jungen Mann eine Packung Taschentücher. Dann setzen wir uns zu dritt auf den Findling und warten einfach ab. Meinen ruhigen Feierabend mitsamt der Schreibsession schieße ich getrost in den Wind - Taehyung ist wichtiger.
Es dauert ein paar Minuten, bis Tae sich gefangen hat und reden kann.
"Ich ... ich trau mich einfach nicht. Ich kann sowas nicht. Bestimmt ist der Brief total albern oder frech oder belanglos oder ... Ich hab Angst, Ihr Gesicht zu sehen, während Sie lesen.""Was kann denn passieren, wenn Sie mir ins Gesicht sehen? Was wäre das Schlimmste?"
"Dass ... dass Sie mich auslachen. Oder mir sagen, dass ich zu unhöflich bin. Ich will das doch gut machen!"
Ich unterdrücke den Impuls, ihn vor Hoseok in die Arme zu nehmen. Das könnte ihm peinlich sein.
"Sie machen das gut! Ich habe selten einen jungen Menschen gesehen, der so ernsthaft bemüht um Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit ringt. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Brief höflich, demütig und voller Sehnsucht ist. Dass ich vorhin gesagt habe, ich möchte den Brief mit Ihnen zusammen lesen ... ich möchte, dass Sie erleben, dass ich Sie eben NICHT auslache. Ich möchte direkt nachfragen können, wenn ich etwas nicht verstehe. Ich möchte Ihnen die Angst nehmen - und nicht vergrößern. Können Sie verstehen, was ich damit meine?"
Taehyung nickt benommen. Aber er ist wohl viel zu gefangen in seiner Angst und Selbstverachtung, um mich tatsächlich zu verstehen."Haben Sie den Brief hier?"
Er stockt einen Moment, dann zieht er einen Briefumschlag aus der Tasche und starrt darauf. Zögernd hält er mir sein Schreiben hin.
"Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir setzen uns Rücken an Rücken hier ins Gras, während ich leise lese. Dann können Sie mich nicht sehen, ich kann aber nachfragen. Meinen Sie, das geht?"
Hilflos zuckt er mit den Schultern, hält den Brief weiter fest, und ich überlege fieberhaft, was hier schiefgeht. Ich rede leise weiter, taste mich vor durch den Nebel seiner Angst."Was habe ich grade falsch gemacht, dass es Ihnen so schlecht damit geht?"
"Nein! ... Sie machen nichts falsch. Sie schenken mir schon jetzt mehr Leben und Würde, als ich jemals zu erträumen gewagt habe."
"Aber?"
"Ich ... es ist so ungewohnt. Ich bin nicht so ... schnell, verstehen Sie?"
"Ja, das verstehe ich. Dann bestimmen Sie wieder das Tempo. Was möchten Sie, das ich als nächstes tun soll?"
Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf.
"Das ... mit dem Umdrehen ist vielleicht keine schlechte Idee. Aber ich wäre gerne wo anders. Ich mag nicht alle schweren Gespräche hier neben den Containern führen. Nur wo ..."
Suchend schaut er sich um."Kommen Sie, wir setzen uns hinten in den Garten."
Zu dritt laufen wir an der Großbaustelle vorbei. Als Hoseok zur Veranda abbiegen will, zieht Taehyung ihn mit, und Hoseok wehrt sich nicht dagegen.
Ich steuere den alten Sandkasten an und setze mich mitten rein unter den jungen Ahorn, mit dem Rücken an den Stamm gelehnt. Auch die anderen beiden lassen sich so nieder, dass wir uns zwar fast berühren, aber nicht ansehen können. Zu meiner Verblüffung öffnet er nun selbst den Brief, atmet einmal tief durch und beginnt, seinen eigenen Brief laut vorzulesen. Um besser die Nuancen hören zu können, lausche ich seiner tiefen, weichen Stimme mit geschlossenen Augen.
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STAY GOLD
FanfictionEndstation. Sieben junge Männer stranden in einer alten Ruine, gefangen in Scham, Resignation, Schuld, Wut und Angst vor dem Morgen. Ein Teufelskreis. Spirale abwärts. Der Luxus ist verblasst, ihre Lebensträume sind vor die Wand gefahren - nichts ge...