»Hey, alleine hier?«, fragt mich ein junger Mann und ich schüttele mit einem erzwungenen Lächeln den Kopf. Daraufhin entfährt ihm ein Lachen, das mich zunächst verwirrt. »Deine Freunde haben dich also einfach hier alleine zurückgelassen?«
Erneut schüttele ich den Kopf. »Sie wären bei mir geblieben, aber ich wollte nicht, dass sie sich von mir den Abend verderben lassen.« Dafür bin ich hier, obwohl ich auch eingekuschelt unter meiner Wolldecke liegen könnte.
»Darf ich mich zu dir setzen? Ich könnte dir ein offenes Ohr schenken«, er zuckt mit den Schultern, »Meine Freunde haben mich ohnehin schon längst auf der Tanzfläche vergessen und du scheinst jemanden, der dir zuhört, gerade bitter nötig zu haben.«
Jetzt bin ich es, die mit den Schultern zuckt. »Du kannst dich setzen, aber ich werde definitiv nicht drüber reden. Dafür sind die Wunden noch zu frisch«, erwidere ich eine Spur reserviert und nippe an meinem alkoholfreien Cocktail.
»Und obwohl es dir so mies geht, suchst du einen Club auf?« Er pfeift anerkennend. Nicht, dass ich seine Anerkennung brauchen würde.
»Nein«, ich schüttele – irgendwie schon so oft in diesen paar Minuten – den Kopf, »Treffender wäre es, zu sagen, dass ich hierher geschliffen wurde, weil Freunden ja sonst nie etwas Besseres einfallen.« Ich lasse meinen Blick über die Tanzfläche gleiten und sehe Nora mit einer mir unbekannten Frau lachend reden. Meine Augen wandern weiter und fixieren Elena, die die beiden kaum aus den Augen lassen kann, während sie mit ihren Freundinnen tanzt. Ich seufze innerlich.
Man soll mir mal sagen, dass zumindest Elena nicht auf Nora steht.
»Und was hättest du gerne stattdessen getan?« Augenblicklich richten sich meine Augen wieder auf den Mann neben mir, der mir noch immer sein bestes Lächeln zuwirft, doch seine Augen wirken nicht so oberflächlich wie sein albernes Lächeln. Er scheint ernsthaft interessiert an meinem Leben und wie er mir am besten helfen könnte.
Trotzdem werde ich mich ganz sicher nicht einem Wildfremden anvertrauen, wenn ich es nicht einmal Nora habe.
»Mich in mein Zimmer eingesperrt und wäre nie mehr herausgekommen«, antworte ich schlicht und trocken, während ich von meinem Getränk trinke und seinen offenen Mund getrost ignoriere. Er kennt mich nicht einmal, er soll mal nicht so überrascht von meiner Antwort tun.
Dabei wirkt er nett. Er bemüht sich ernsthaft darum, mich kennenzulernen. Statt die Nacht zu genießen, weil ihn all das hier nichts angeht, will er mir zuhören und mir helfen. Ich weiß, dass ich ihm gegenüber nicht fair bin. Nur fühle ich mich nicht gerade so, als könnte ich es noch ertragen, auf ihn Rücksicht zu nehmen.
»Und du denkst, das hätte es besser gemacht?« Daraufhin hebe ich die Schultern, nur um sie im nächsten Moment wieder sacken zu lassen, um ihm zu bedeuten: ›Was weiß ich denn schon?‹ Hiermit erkläre ich dieses Gespräch für beendet und diesen Kerl für tot.
Wahrscheinlich hätte das rein gar nichts besser gemacht. Ich habe einen Monat lang in dieser Starre verbracht, den ganzen Kummer nur in mich hineingefressen und mein Leben an mir vorbeiziehen lassen. Es hatte etwas Leichtes und zugleich doch so Unheimliches an sich.
Letztlich bewahrt es mich aber davor, falsche Begegnungen zu machen, falschen Versprechungen zu glauben und in den falschen Händen zu landen. Es hatte so viele Vorteile, nur sich selbst zu haben, weil man sich selbst immer treu bleiben würde, wenn man nur wollte.
Wenn.
Mein Blick wandert erneut über die Tanzfläche und diesmal bleibt er an einer jungen Frau haften.
Rotbraunes Haar. Sonnenbrille auf dem Kopf. Weiße Bluse. Enge Hotpants.
Bingo.
Fuck, vielleicht sollte es sich in meinem Kopf weniger nach einem Jackpot anhören, sondern vielmehr nach dem schlimmsten Horror.
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Unbreakable
RomanceDu kannst mich schlagen, mich aber niemals brechen. Selbst wenn du mit erhobener Faust vor mir stehst, werde ich nicht mehr zurückweichen. Du wirst mich nicht klein kriegen, egal, wie sehr du es auch versuchen magst. Kein Schmerz der Welt wird mich...