Kapitel 10: Feier

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   [Nora:]

Ich fange bereits meinen ›Ich habe langsam aufgehört zu zählen‹-vielten Shot an, während mich Elena an der Bar ihres Hauses zutextet. Obwohl ich ihr normalerweise gerne zuhöre, schaltet mein Gehirn gerade einfach nur ab und mein Blick schwebt wie automatisch immer wieder über die Menge, um letztlich an Zoe hängenzubleiben.

Ich beiße mir auf die Unterlippe.

Verflucht. Ich hasse es, dass sie das mit mir macht. Ich hasse es, wie nervös es mich macht, sie nach Jahren wiederzutreffen. Seit wir getrennt waren, hatten wir uns nie mehr getroffen. Nur noch hin und wieder mal geschrieben, aber selbst das dauerte nicht lange an. Es verwirrt mich so sehr, sie plötzlich wieder in mein Leben zu lassen – gerade jetzt, als ich eigentlich mit ihr abgeschlossen hatte. Beschlossen hatte, niemanden mehr in mein Leben zu lassen, der mich ernsthaft verletzen könnte.

Das mit Elena ist unverbindlich. Das mit all den anderen Leuten ebenfalls. Es bringt keine Verpflichtungen mit sich, deshalb lasse ich sie gewähren, aber ich würde nicht nochmal jemanden in mein Leben lassen, bei dem es mich wirklich verletzen würde, ihn zu verlieren. Egal, auf welche Weise.

»Woran denkst du?«, fragt mich Elena und reißt mich somit aus meinen Gedanken.

Sofort schnellt mein Kopf zurück zu ihr und eine Reuefalte legt sich auf meine Stirn. »Tut mir leid. Ich hab' wohl ein bisschen viel getrunken, um richtig bei der Sache zu sein«, ich hebe zur Untermauerung meiner Worte mein Shotglas in die Höhe und werfe ihr einen entschuldigenden Blick zu.

Das ist es, was ich immerzu versucht habe, zu vermeiden. Dass mich wieder jemand so sehr aus dem Konzept bringen kann, dass ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht – dass es mich verletzlich und angreifbar macht –, aber das schafft Zoe. Dafür hasse ich diese Frau gerade.

Vor allem, weil meine Gedanken schon wieder zu ihr abdriften.

Scheiße.

Daraufhin schüttelt Elena mit einem sanften Lächeln den Kopf. »Das ist kein Problem, aber«, sie lacht, »vielleicht solltest du nicht mehr an diesem Abend trinken.« Nie im Leben.

Ich würde keine zehn Minuten in diesem Haus überleben, wenn ich weiß, dass Zoe ebenfalls hier ist – wenn ich sie noch dazu sehen kann. Mal wieder gehen meine Augen auf Wandertour und bleiben an ihr haften – an ihrem Lächeln, an ihren Augen, an allem, was sie so unglaublich attraktiv macht. Und oh Gott, ihre Grübchen erst. Die gehören verboten.

Sobald mein Blick allerdings auf der Person landet, mit der sie herzlichst am Reden ist, beiße ich mir auf die Unterlippe und bemühe mich wirklich, den stechenden Schmerz in meiner Brust zu ignorieren.

Sie flirtet. Mit Tamara. Obwohl ich weiß, dass Zoe niemand ist, die mit allen Frauen leichtfertig ins Bett steigt, bedeutet das nicht, dass sie sich nicht ordentlich an andere Frauen heranmachen kann. Sie kann ja trotzdem nach mehr als nur Vergnügen streben. Selbst auf Partys. Obwohl sie auch nicht der Beziehungsmensch gewesen ist. Sie wollte damals nicht einmal mit irgendwem befreundet sein. Es war eine dreimonatige Herausforderung gewesen, mich in ihr Herz zu kämpfen, und da waren wir noch lange nicht auf dem Weg, zusammenzukommen, also warum kann sie gerade so leicht mit Tamara reden und lachen?

Oder hat sie ihre Einstellung von damals abgelegt? Hat sie sich verändert?

Scheiße, ohne Alkohol würde ich binnen Sekunden verrückt werden, also schnappe ich mir meinen Shot und versuche, damit den bitteren Geschmack auf meiner Zunge runterzuspülen. Es hilft nicht. Ich verziehe nur das Gesicht, weil das Zeug grauenhaft schmeckt. Bitter. Erstaunlich passend zu meinen Gefühlen.

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